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Steuerbetrug

Ende ohne Freispruch – Cum-Ex-Prozess gegen Bankier eingestellt

  • dpa

  • Mo, 24. Juni 2024, 20:00 Uhr
    Wirtschaft

     

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Ein Dreivierteljahr musste sich der Hamburger Bankier Christian Olearius auf der Anklagebank dem Vorwurf des massiven Steuerbetrugs stellen. Damit ist nun Schluss.

Christian Olearius steht im Gerichtssa...n seinem Anwalt Klaus Landry (rechts).  | Foto: Oliver Berg (dpa)
Christian Olearius steht im Gerichtssaal neben seinem Anwalt Klaus Landry (rechts). Foto: Oliver Berg (dpa)

Auch ohne Freispruch hat der Hamburger Bankier Christian Olearius den Gerichtssaal als freier Mann verlassen. Seit September hatte der 82-Jährige wegen des Vorwurfs der besonders schweren Steuerhinterziehung und eines Steuerschadens von 280 Millionen Euro immer wieder auf der Anklagebank des Bonner Landgerichts Platz nehmen müssen. Am Montag kam sein letzter Verhandlungstag. Die Vorsitzende Richterin Marion Slota-Haaf sprach ein Einstellungsurteil und begründete dies mit der schlechten Gesundheit des Angeklagten. Der habe diverse Herzerkrankungen und einen hohen Blutdruck, bei einer Fortsetzung der Hauptversammlung wäre "mit großer Wahrscheinlichkeit die Schädigung der Gesundheit zu befürchten".

Zuvor hatte das Gericht ein Gutachten eingeholt, dem zufolge Olearius pro Verhandlungstag nur 45 Minuten im Gerichtssaal sein sollte. Bei einem so geringen Zeitkontingent könnte sich die Verhandlung aber noch drei Jahre hinziehen, sagte Richterin Slota-Haaf. Auch dem Gericht sei aufgefallen, dass Olearius während der Verhandlung mehrfach in sich zusammengefallen sei und abwesend gewirkt habe. Demzufolge müsste die bereits getätigte Beweisaufnahme wiederholt werden. In der Gesamtabwägung komme man zu dem Schluss, dass man das Verfahren einstellen müsse.

Olearius wollte Freispruch

Für Olearius war das Ende der Reisen nach Bonn eine gute Nachricht – in Feierlaune dürfte der Bankier aber nicht gewesen sein. Er verließ nach außen unbeeindruckt und kommentarlos das Gericht. Denn seine Verteidiger, zu denen der frühere CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler gehörte, hatten versucht, trotz der Einstellung noch einen Freispruch zu erwirken. Sie stellten Olearius als Opfer dar, der öffentlich vorverurteilt worden sei und dessen Recht auf ein faires Verfahren gebrochen worden sei. Die Vorsitzende Richterin erteilte dieser Argumentation aber eine Abfuhr: Ein Freispruch komme nicht in Betracht.

Kurz vor dem Urteil hatte sich Olearius selbst zu Wort gemeldet und erneut seine Unschuld beteuert. Er warf der Staatsanwaltschaft vor, schwere Fehler gemacht zu haben und auf einen Kronzeugen hereingefallen zu sein, der gelogen habe. "Zahlreiche Beweise belegen meine Unschuld", sagte Olearius und wies darauf hin, dass er zusammen mit dem Co-Gesellschafter der Warburg-Bank 230 Millionen Euro an den Staat gezahlt habe – "und zwar im Wissen um unsere Unschuld".

Vorerst keine Millionenzahlung

Sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft hatten die Einstellung beantragt. Die Ankläger wollten allerdings die Einziehung von 43 Millionen Euro in einem nachfolgenden Verfahren erwirken – sie wollten also, dass Olearius noch zur Kasse gebeten wird. In so einem Verfahren geht es nur ums Geld und nicht um die Schuldfrage. Das Gericht hatte diesen Antrag abgelehnt und argumentiert, dass die Staatsanwaltschaft den Sachverhalt bislang nicht fertig ermittelt habe – dies sollte sie erst tun.

Wegen dieser Ablehnung legte die Staatsanwaltschaft nun Revision ein. Das heißt, dass sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Sachverhalt wird beschäftigen müssen. Es ist zwar denkbar, dass der BGH das Einstellungsurteil aufhebt und das Bonner Landgericht erneut verhandeln muss. Bis dahin würde es aber dauern.

Verwirrspiel von Finanzakteuren

Bei Cum-Ex-Geschäften bekamen Finanzakteure Steuern erstattet, die gar nicht gezahlt worden waren – Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Dividendenanspruch wurden in einem Verwirrspiel hin- und hergeschoben. Dem Staat entstand dadurch ein zweistelliger Milliardenschaden. Die Hochphase war in den Jahren 2006 bis 2011. Im Jahr 2021 wertete der Bundesgerichtshof Cum-Ex als Straftat.

Zu dem Steuerbetrug hat es am Bonner Landgericht seit 2020 bereits acht Schuldsprüche gegeben, viele Verfahren dürften noch folgen. In dem nun eingestellten Verfahren musste sich zum ersten Mal die Spitze eines Finanzinstituts vor Gericht Cum-Ex-Vorwürfen stellen. Olearius war früher Chef der Privatbank M.M. Warburg und später ihr Aufsichtsratsvorsitzender, inzwischen ist er nur noch Gesellschafter.

Verbindung zu Bundeskanzler Scholz

Olearius ist einer der bekanntesten Cum-Ex-Akteure. Sein Vorgehen schlug auch in der Politik hohe Wellen. Denn aus Tagebucheinträgen von ihm ging hervor, dass er sich 2016 und 2017 dreimal mit dem späteren Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) getroffen hatte, als dieser Erster Bürgermeister von Hamburg gewesen war. Der Inhalt der Treffen ist unklar. Fakt ist aber, dass die Finanzbehörde danach eine Steuerforderung fallen ließ und die Ansprüche verjährten. Dass ein kausaler Zusammenhang bestand zwischen den Treffen und der Behördenentscheidung, ist nicht erwiesen. Scholz schließt eine Einflussnahme aus, beruft sich aber auf Erinnerungslücken.

Ressort: Wirtschaft

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Kommentare (13)

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Holger Storz

124 seit 1. Jan 2021

Kann mir mal bitte jemand Nachhilfe geben, was das mit Gerechtigkeit und Gleichheit vor dem Gesetz zu tun hat?

Wird ein Strafverfahren auch eingestellt, wenn jemand z.B. ein Kind vergewaltigt hat o.ä. und angeblich aus gesundheitlichen Gründen nur noch 45 Minuten am Tag im Gerichtssaal erscheinen kann?

Der Prozess könnte doch trotzdem ohne Olearius persönliches Erscheinen nur in Vertretung seiner Anwälte fortgeführt werden?

Franz Bischoff

2608 seit 25. Jul 2011

Herr Storz,

Das Ganze ist doch so einfach zu verstehen.
Es bestand doch die Gefahr daß bei weiterem Prozessverlauf ein früherer Hamburger regierender Bürgermeister mit Gedächtnislücken
noch mehr in diesen Skandel reingezogen werden könnte. Um die jetzige Karriere dieses Herrn nicht noch mehr zu belasten musste halt jemand die Reissleine ziehen.
Und ja, der Prozess hätte bestimmt auch ohne Anwesenheit des Herrn Olearius weiter geführt werden können wenn man nur gewollt hätte.
Das müssen Sie doch verstehen, bei diesen hohen Herren sind halt Samthandschuhe angesagt, beim gemeinen Volk kann man ja dann wieder die härteren Bandagen anwenden.


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