Klimaschutz
Einige Supermärkte zeichnen Produkte mit "wahren Kosten" aus
Wie wir Menschen uns künftig ernähren, auch davon hängt die Zukunft des Planeten ab. Ein Supermarkt in Berlin-Spandau zeichnet aus, wie teuer die Folgekosten seiner Waren sind. Was bringt das?
Nathalie Metzel
Do, 1. Okt 2020, 16:03 Uhr
Gesundheit & Ernährung
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Der Klimaschutz liegt auch in der Lebensmittelindustrie im Trend und unsere Ernährungsweise spielt dabei eine zentrale Rolle. Verbraucherzentralen weisen darauf hin, dass durch ein Kilo Rindfleisch 14 Kilogramm Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre geblasen werden. Produkte, die aus Übersee transportiert wurden, belasten das Klima durch den Flugtransport: Pro Kilo setzt peruanischer Spargel auf dem Flug nach Deutschland drei Kilo Treibhausgase frei. Die Verbraucherzentralen raten daher, aus Klimaschutzgründen den Fleischkonsum einzuschränken. Außerdem soll man beim Einkauf auf regionale und saisonale Produkte achten.
Doch häufig ist der gute Wille mit dem Gang zum Supermarkt verschwunden. Für viele Kunden ist es verführerisch, das günstigere Produkt am Ende dem klimafreundlicheren vorzuziehen. Zudem kann der Kunde beim Einkauf nicht bei jedem Produkt die genaue Klimabilanz genau einschätzen. Immer wieder werben Supermärkte mit vegetarischen Ersatzprodukten, mit Bio-Sortiment oder regionalem Bezug, um ihr Klimabewusstsein zu demonstrieren.
Die Discountermarke Penny geht in Spandau jetzt einen neuen Weg: Dort werden die "true costs" ausgezeichnet. Das sind die wahren Verkaufskosten, die der Kunde eigentlich für ein Produkt zahlen müsste. Stattdessen werden die Folgekosten aber von der Gesellschaft getragen. Zum Beispiel beim Wasserpreis: Wegen der Belastung durch Düngemittel muss das Trinkwasser aufbereitet werden, was sich letztlich bei jedem Verbraucher auf der Wasserrechnung niederschlägt. Im Preis der Lebensmittel, die von gedüngten Äckern stammen, ist das aber nicht einberechnet.
Die Studie dazu stammt von der Universität Augsburg: Tobias Gaugler vom Institut für Materials Resource Management hat das Projekt durchgeführt. Berechnet wurden die Auswirkungen von Stickstoff, Klimagasen, Energie und Landnutzungsänderungen. Das Ergebnis: Unsere Lebensmittel müssten eigentlich teurer sein. Ein Apfel aus konventioneller Herstellung hätte acht Prozent Aufschlag. Teurer wird es bei tierischen Produkten: Gemischtes Hackfleisch wäre 173 Prozent teurer. Bio-Produkte hätten dieser Rechnung zufolge einen etwas geringeren Preisaufschlag als konventionell hergestellte.
Diese wahren Kosten hat Penny nun an ausgewählten Produkten in der Filiale neben dem normalen Preis ausgezeichnet. An der Kasse wird dann der normale Preis gezahlt. Pressesprecher Andreas Krämer sagt, es gehe darum, dieses komplexe Thema den Kunden näherzubringen: "Wir sind gespannt, ob die Kunden in der Hektik des Verkaufsalltags die Ruhe finden, sich damit auseinanderzusetzen."
Doch was ist wirklich dran an der Initiative? Kann man durch die Kenntnis der wahren Kosten wirklich nachhaltiger einkaufen? Im Penny-Markt muss man die Produkte mit den "true costs" erst einmal finden. Nicht das gesamte Sortiment wurde berechnet, das geschah lediglich bei acht Artikeln. Bei der Auswahl habe man sich auf Produkte fokussiert, für die es eine wissenschaftliche Datengrundlage gebe. Die meisten Kunden an diesem Morgen haben die Auszeichnung der wahren Kosten noch nicht entdeckt – wenn man sie finden will, muss man wissen, nach welchen Produkten man sucht.
Auch Detlef und Gisela Heising sind zum Einkaufen unterwegs. Sie finden solche Initiativen gut, denn Qualität ist ihnen wichtiger als der Preis. Daher verzichten sie häufiger auf Fleischkonsum, statt Billig-Fleisch zu kaufen: "Da zahlen wir lieber einen fairen Preis und haben dafür dann gute Ware." Hier aber wird es schwierig: Denn die true costs beziehen sich auf ökologische Kosten – soziale Kosten wie faire Preise oder gesundheitliche Folgen sind nicht eingerechnet. Detlef und Gisela Heising würden an dieser Stelle gerne an der Kasse mehr bezahlen: "Es ist nicht korrekt, dass der Milchbauer so wenig Geld erhält."
Das sieht auch Reinhard Jung von der Initiative Freie Bauern so. Die Initiative vertritt die familiären Bauernbetriebe in Deutschland. "Die Aktion von Penny ist ein billiger PR-Trick", sagt er. "Penny ist Teil des Problems." Der Markt sei knallhart und drücke die Preise nach unten. Außerdem könne man von den Kunden nicht erwarten, dass sie die richtigen Produkte kaufen: Die Kennzeichnung der Lebensmittel sei nicht ausreichend. Das betrifft auch den genaue Herkunftsort der Lebensmittel. Auch auf Nachfrage gibt es von Penny keine Auskunft, ob das Unternehmen über politische Forderungen nachdenkt.
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ