Eine überaus wichtige Aufgabe
BZ-SERIE: In Kirchzarten und Zarten gab es im 19. Jahrhundert einen Nachwächterdienst – bis die Straßenlaternen kamen.
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KIRCHZARTEN. Nachtwachen wurden bereits im Alten Testament erwähnt und spiegeln das Bedürfnis des Menschen nach größtmöglicher Sicherheit wider. Im Gemeindearchiv von Kirchzarten finden sich viele Belege zum Nachtwächterdienst im 19. Jahrhundert in Zarten und Kirchzarten. Kleinere Weiler, wie Neuhäuser und Burg, waren davon aufgrund der geringen Einwohnerzahl freigestellt.
Fehrenbach beschreibt darin seine "kümmerliche Haushaltung" mit einer kleinen Landwirtschaft. Er gehörte zur unteren Schicht der Taglöhner, die sprichwörtlich "von der Hand in den Mund" lebten und bei Bedarf bei einem der großen Bauern im Ort arbeiteten.
Doch war es ihm zuvor gelungen, im Gegensatz zu vielen noch ärmeren Landbewohnern, sich das Zartemer Bürgerrecht zu kaufen. Dieses kostete im Jahr 1833 50 Gulden und hatte seine Kasse schwer belastet, vor allem da er noch zusätzlich für ein Leibgeding einer bei ihm im Haus lebenden Frau aufzukommen hatte. Mit dem Bürgerrecht besaß Fehrenbach im Bedarfsfall die Sicherheit von Hilfsleistungen durch die Gemeinde – in einer Zeit, als noch kein "soziales Netz" bestand. Fehrenbach verweist in seinem Bittschreiben auch auf die ungerechte Verteilung des Vermögens im Dorf. Einige hätten "wohl dreifachen Verdienst" und lebten im Überfluss, "während ich mit meiner Familie schmachten und darben muß".
Im Februar 1841 bekam Fehrenbach neben dem Nachtwächterposten noch den Dienst der Schweinehut zugesprochen. Als Entlohnung für beide Anstellungen wurde ihm Land zur freien Bewirtschaftung – Matten und Äcker – zugeteilt, dazu kamen Geld- und Sachleistungen.
Die Aufgaben des Zartemer Nachtwächters wurden vertraglich genau festgelegt. Fehrenbach hatte an elf definierten Stellen im Dorf die Stunden auszurufen und bei seinen Rundgängen Ausschau zu halten nach möglichen Unruhestiftern und Feuergefahren. Da die Häuser aus leicht brennbaren Materialien erbaut waren und offene Feuerstellen besaßen, war dies eine überaus wichtige Aufgabe.
Im Notfall hatte der Nachtwächter die Sturmglocke in der Johanneskapelle zu läuten, der Schlüssel dafür befand sich im Meierhof nebenan. Unmittelbar daneben stand früher am Färberhof an der Landstraße das Nachtwächterhäuschen. Hier konnten sich die Wache schiebenden Männer zwischen den Rundgängen aufhalten, das Häuschen selber hatte die ganze Nacht über beleuchtet zu sein.
An jedem Abend musste in den beiden Wirtshäusern Zum Bären und Zum Rößle, die Polizeistunde eingeläutet werden, 1907 war das um 23 Uhr. Danach war auf die Einhaltung von Ruhe und Ordnung zu achten. Ähnlich wie heute war dies auch im 19. Jahrhundert, besonders an Sonn- und Feiertagen, eine wichtige und durchaus schwierige Aufgabe – der Genuss von Alkohol hatte schon immer eine enthemmende Wirkung. Bei großen Feiern im Ort, wie Hochzeitstagen oder "Tagen mit Tanzmusik", bekam der Nachtwächter Verstärkung durch zwei Bürger.
Bei diesen sogenannten Beiwächtern war darauf zu achten, dass es sich nicht um einen alten, gebrechlichen beziehungsweise "moralischen Mann" handelte. Die weiteren nachweisbaren Zartemer Nachtwächter waren Andreas Janz (1856), Johann Janz (1856), Johann Pfister (1871) und Schuhmacher Josef Janz (1901).
In Kirchzarten hatte der örtliche Gendarmerieposten im Juli 1838 gemeldet, dass im Ort noch keine Nachtwache bestand, obwohl diese seit kurzem gesetzlich vorgeschrieben war. Der Name des ersten Nachtwächters wurde leider nicht überliefert, lediglich der Beiwächter wird als "ein krüppelhafter alter Mann" beschrieben. So gilt Martin Schürk 1850 als erster nachweisbarer Nachtwächter Kirchzartens. Aufgrund der Größe des Ortes wurde er durch mehrere Bürger begleitet. Eine Liste von 1842 führt die 87 Bürger auf, die sich reihum bei der Wache abzuwechseln hatten.
Leider funktionierte diese Form der Selbstorganisation nicht problemlos. Zu viele Bürger entzogen sich ihrer Aufgabe – trotz des Hinweises der Gemeinde, dass die Nachtwache unter keinen Umständen versäumt werden dürfe. Diese Weigerungshaltung lässt sich nicht alleine mit der unliebsamen Aufgabe, nachts im Dorf allein unterwegs zu sein, erklären. Vielmehr wurde der Posten des Nachtwächters als geringschätzig betrachtet. Wie bereits aus Zarten bekannt, waren es in der Regel Arme oder die Außenseiter des Ortes, die der gering bezahlten Tätigkeit des Nachtwächters nachgingen.
Wie problematisch der Dienst werden konnte, zeigt folgende Begebenheit: Im Oktober 1875 gingen der junge Schuster Daniel Heitzler als erster Nachtwächter und der Tagelöhner Maurus Zähringer als Beiwächter auf Wache. Sie griffen dabei den Bürger Mathias Volk auf und sperrten ihn, da er sich wehrte, in die Arrestzelle ein. Damit hatten sie jedoch ihre Kompetenzen überschritten, da sie niemanden ohne Anweisung durch den Bürgermeister inhaftieren durften. Volk hatte sich beim Bezirksamt über seine Behandlung beschwert, woraufhin die Behörde beim Bürgermeister die Entlassung der Nachtwächter forderte. Diese sahen sich ihrerseits ungerecht behandelt und wollten ihren Dienst solange nicht versehen, ehe sie nicht ein höheres Gehalt erhielten.
Die Gemeinde suchte kurzerhand nach Nachfolgern, doch auf ihren Ausruf meldete sich niemand. Sie setzte sich deswegen beim Bezirksamt für den Verbleib des Daniel Heitzler – gegen eine Gehaltserhöhung – ein. Nur Maurus Zähringer war umgehend zu entlassen, ihm schien in der Affäre die Hauptlast zugekommen zu sein. Weitere Bürger auf dem Nachtwächterposten in Kirchzarten waren Hermann Ketterer (1876), Georg Fischer und Anton Rombach (1879), Georg Bögelspacher (1882), Johann Georg Träscher, Martin Heitzmann, Andreas Steinhart (1861), Anton Rombach (1864), Joseph Frey jung (1864), Philipp Schreiner (1869), Lorenz Bögelsbacher und Markus Steinhart (1873).
Mit der flächendeckenden Einführung von Straßenbeleuchtungen und neuen Polizeigesetzen an der Wende zum 20. Jahrhundert wurde der Nachtwächterdienst eingestellt. Der letzte Nachtwächter in Kirchzarten namens Georg Begelspacher wurde damit jedoch nicht arbeitslos. Er war ab dem Jahr 1889 für das Anzünden und Löschen der ersten sechs Straßenlaternen verantwortlich.
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