Ortenau
Ein Sargbauer überlebt – weil er auch für Lebende baut
Die Erdbestattung wird zum Auslaufmodell und Trauernde greifen immer öfter zu Billigsärgen aus Osteuropa. Doch ein Sargbauer in Kappel-Grafenhausen hat überlebt. Wie? Er baut jetzt auch Möbel für Lebende.
Mi, 19. Okt 2016, 22:09 Uhr
Wirtschaft
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"Darüber urteilen wir nicht, das steht uns nicht an." Bernhard Wurth
Auch für die Feuerbestattung ist – noch – ein Sarg vorgeschrieben, aber dafür reiche vielen Kunden ein einfaches, billiges Produkt. Ein prunkvoller Sarg, der in Rauch und Asche aufgeht, sei vielen zu teuer. Auch bei Erdbestattungen soll es oft eher "etwas Einfaches" sein, ob aus Bescheidenheit oder Geiz, bleibt Privatsache. "Darüber urteilen wir nicht, das steht uns nicht an", betont Wurth, Mitinhaber der Süddeutschen Sargfabrik in Kappel-Grafenhausen im Ortenaukreis, einem Familienbetrieb, der von drei Kindern und zwei Enkel des Firmengründers Eugen Wurth geführt wird und 25 Menschen beschäftigt.
Umsatzzahlen gibt die Firma nicht preis. Zwischen 18 000 und 20 000 Särge verlassen jedes Jahr die Hallen der Schreinerei. Die eine Hälfte ist Eigenproduktion, die andere ist zugekaufte Handelsware. "Wir wollen jeden Kunden erreichen", so Wurth, "auch den, der sich ein teures Produkt nicht leisten kann." Deshalb geht die 1957 gegründete Traditionsfirma so weit, nicht nur hochwertige Ware von Wettbewerbern aus Italien ins Sortiment zu nehmen, sondern auch Billigware aus Polen und Rumänien.
"Hier", deutet Gründerenkel und Vertriebschef Volker Wurth (52) achselzuckend auf einen simplen rohen Sarg aus Kiefer. "Das ist ein Sarg, den wir zu diesem Preis niemals produzieren könnten." Er will den Betrag nicht nennen, der Bundesverband Bestattungsbedarf geht von Erzeugerpreisen von 65 Euro für osteuropäische Importsärge aus. Vergleichbare hiesige Modelle werden mit knapp 160 Euro Produktionskosten gelistet – schon 40 Euro weniger als noch im Jahr 2010.
Der Branchenverband beklagt eine "ungerechte Subventionspolitik der Europäischen Union zugunsten osteuropäischer Hersteller", so Geschäftsführer Dirk-Uwe Klaus. 400 000 Importsärgen stünden noch 117 000 in Deutschland gefertigte Exemplare entgegen. Die Zahl ist in fünf Jahren um ein Fünftel gefallen.
Der importierte Preisverfall hat dazu geführt, dass deutsche Sarghersteller aufgegeben haben oder so wie einer in Kehl jetzt nur noch mit fremder Ware handeln. Die Sargfabrik der Familie Wurth in der Ortenau ist weit und breit die einzige große im Südwesten, die sich hält. "Wir haben etwas, was andere nicht haben", sagt Holzingenieur Bernhard Wurth. "Statt Holzfurnier beschichten wir die Kiefern- oder Fichtensärge mit bedrucktem Papier." Das Papierdekor ist preiswerter und umweltverträglicher. Das Ergebnis sieht täuschend echt nach Massivholz aus. So machen die Särge für die kurze Zeit, wo sie im Blickpunkt der Trauergesellschaft stehen, ordentlich was her.
So sollte es auch sein, das Begräbnis dürfe nicht zum Entsorgungsfall werden, mahnt der Bestatterverband. Der Wettlauf um den günstigsten Sarg werde "der Bedeutung des Sterbens nicht gerecht". Die Ehrung der Toten dürfe man "nicht dem nackten Ringen um Euros unterordnen", erklärt Verbandsmann Klaus.
"Unser Vorteil ist die regionale Verankerung und unsere Kundennähe", lobt Bernhard Wurth das eigene Unternehmen, "wir können individuelle Wünsche berücksichtigen und in kurzer Zeit an das Bestattungsunternehmen liefern." Die Schreinerei ist mit CNC-gesteuerten Schneidemaschinen und Industrierobotern ausgerüstet, die Arbeitskräfte verfügen über Know-how im Schreinerhandwerk. Damit kann man auch etwas anderes machen. "Wir werden auch weiterhin noch Särge herstellen, haben aber begonnen, ein zweites Standbein aufzubauen", verrät Marcus Jertschewske (51), ein weiterer Gründerenkel. Massivholzplatten aus edlen Laubhölzern – Eiche, Buche, Kirsche – werden Schreinern, Treppenbauern sowie Möbel- und Küchenherstellern angeboten. Massive Tische im hochwertigen Preissegment können komplett mit Gestell und individuell gefertigt geliefert werden. 500 der 800 Kunden der Fabrik sind Schreiner – und die brauchen eher Wohn- und Küchen- statt Erdmöbel.
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