Nachhaltigkeit

Ein- oder Mehrweg: Welche Flasche schont die Umwelt?

Ist Einweg oder Mehrweg ökologischer? Über die Antwort wird schon lange gestritten. Seit Lidl mit Günther Jauch für seine Plastik-Einwegflasche wirbt, hat die Debatte wieder an Fahrt gewonnen.  

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Mehrwegflaschen vor ihrer Wiederbefüllung. Foto: Christian Charisius (dpa)
Immerhin beim Bier ist die Welt noch wie früher, zumindest wenn es um die Flaschen geht. Die Deutschen greifen nach wie vor meist zu Mehrweg. Aber sonst? Beispiel Mineralwasser: 1991 lag die Mehrwegquote noch bei 93 Prozent, heute beträgt sie kaum 43 Prozent. Und Limos, also Erfrischungsgetränke, gibt es auch immer häufiger in Einwegpullen aus Plastik. Die Bundesregierung will gegensteuern, auch die EU-Kommission. Aber stimmt das noch: Einweg ist böse, mitverantwortlich für wachsende Müllberge?

Auf der einen Seite steht der Discounter Lidl mit prominenter Unterstützung von Fernsehmoderator Günter Jauch. "Es lohnt sich, manchmal etwas genauer hinzusehen", sagt er in einer Werbekampagne des Discounters für seine Einweg-Plastikflaschen. Das Unternehmen aus Neckarsulm bei Heilbronn verkauft darin zum Beispiel Wasser der Marke Saskia, nennt sie selbst Kreislaufflasche, behauptet, diese sei eine der ökologischsten Getränkeverpackungen, die es gibt.

Rund 50 Mal leichter als eine Glasflasche

Jauch geht auch der Frage nach: Wie kann das sein? Antwort: Aus alt werde neu, die Flasche bestehe zu 100 Prozent aus Recyclingmaterial, sei 50 Mal leichter als Glas. Und für ihren Transport seien weniger Lkw nötig. Denn erst an den lokalen Quellen werde die Plastikflasche, ähnlich einem Ballon, zur finalen Flaschengröße aufgepustet. Schon seit einigen Tagen hängen allerorten dazu Plakate, Aufdruck: "Aus Liebe zur Natur". Auch Anzeigen in diversen Medien sind geschaltet.

Auf der anderen Seite steht die Mehrweg-Allianz. Zu ihr gehören die Deutsche Umwelthilfe, die Stiftung Initiative Mehrweg sowie Verbände des Getränkegroß- und -einzelhandels und der Privatbrauereien. Die Allianz hat eine Gegenkampagne gestartet. Form: altbewährt. Es ist ein Gewinnspiel: "Wir verlosen einen Jahresvorrat an Freigetränken im Wert von 800 Euro. Und das 20 Mal. Egal ob Wasser, Limo, Saft oder Bier – Hauptsache in regionalen Mehrweg-Pfandflaschen!"

16,4 Milliarden Einwegflaschen jedes Jahr

Die Allianz hält Lidl entgegen: Mehrwegflaschen aus Glas könnten bis zu 50 Mal wieder befüllt werden. Im Gegensatz dazu würden die 16,4 Milliarden Einwegplastikflaschen, die in Deutschland jährlich geleert werden, nur ein Mal benutzt und direkt zu Abfall. Auch Getränkedosen seien ein Problem: 4,5 Milliarden Stück gingen davon jährlich über die Ladentheken und verbrauchten 76.000 Tonnen Metall.

Gerhard Kotschik, Experte für Verpackungen beim Umweltbundesamt, sagt: "Lidl hat seine Flasche sehr, sehr optimiert, der Rezyklateinsatz ist hoch." So schneide die Flasche in der von Lidl beauftragten Ökobilanz gut ab. Das Vorgehen bei der Ökobilanz entspreche aber nicht den Mindestanforderungen des Umweltbundesamtes. Und es sei noch lange nicht gang und gäbe, dass jede Flasche so wie in der Lidl-Werbung wieder zu einer Flasche wird. In Deutschland würden bisher nur um die 45 Prozent aller Einwegflaschen aus Rezyklat produziert.

"Im Recyclingprozess gibt es Materialverluste. Es braucht immer mehr als eine alte Flasche, um daraus eine neue zu machen." Gerhard Kotschick
Damit die Lidl-Flasche zu 100 Prozent aus Rezyklat hergestellt werden kann, müsse immer an anderer Stelle neues Plastik eingesetzt werden. Kotschik sagt: "Im Recyclingprozess gibt es Materialverluste. Es braucht immer mehr als eine alte Flasche, um daraus eine neue zu machen."

Entscheidend sei, sagt Kotschik, "möglichst wenig Abfall entstehen zu lassen, ihn zu vermeiden, auch um Ressourcen zu schonen. Dafür ist Mehrweg besser geeignet." Allerdings gebe es auch hier noch "enorme Optimierungspotenziale". Nehme Mehrweg zu, würden zum Beispiel die Transportwege kürzer, weil auch mehr Orte entstehen, um Flaschen zu sammeln, zu spülen und wieder zu füllen.

Schwarz-Gruppe ist im Plastikrecycling aktiv

Eigentlich sollen Mehrwegverpackungen – dazu gibt es längst ein gesetzliches Ziel – bei bepfandeten Getränken heute schon 70 Prozent ausmachen. Lidl bietet aber gar keine Getränke in Mehrweg an. Konkurrent Aldi übrigens auch nicht. Der Lidl-Mutterkonzern, die Schwarz-Gruppe, ist vor einiger Zeit selbst in das Entsorgungsgeschäft und das Recycling von Plastikmüll eingestiegen. Und in sein Einwegsystem hat Lidl nach eigenen Angaben rund 200 Millionen Euro investiert.

SPD, Grüne und FDP haben sich in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen: "Wir stärken die Abfallvermeidung durch gesetzliche Ziele und ökologisch vorteilhafte Mehrweg-, Rücknahme- und Pfandsysteme sowie Branchenvereinbarungen." Wolf Tiedemann, Vorstand der Lidl-Stiftung, warnte diese Woche in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Neue Sammel- und Abfüllanlagen kosten nicht nur Geld, sondern führen im Umbau zu erheblichen Kohlendioxid-Emissionen und zu mehr Flächenverbrauch."

"Mit Mehrweg-Flaschen, die in der Region abgefüllt werden, so dass lange Transportwege vermieden wurden, sind Sie auf der sicheren Seite." Gerhard Kotschik
Gerhard Kotschik sagt: "Egal ob Recycling - oder Sammelanlagen, wer etwas aus- und aufbaut, sorgt zunächst immer für Belastungen. Entsteht etwas Umweltfreundliches, werden diese aber wieder eingespart." Sein Tipp derweil für den Einkauf: "Mit Mehrweg-Flaschen, die in der Region abgefüllt werden, so dass lange Transportwege vermieden wurden, sind Sie auf der sicheren Seite."

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