Kommentar
Ein Neuanfang ist möglich
Grund zur Freude? Angesichts von Krieg, Elend, Terror ist das kaum vorstellbar. Was Hoffnung gibt, ist Möglichkeit zum Neuanfang. Jeden Tag.
Anna-Nicole Heinrich
Di, 24. Dez 2024, 10:00 Uhr
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Die Wahrnehmung einer gefühlten Dauerkrise, ja die Gleichzeitigkeit der Krisen hört nicht auf. Selbst heute, an Heiligabend können wir ihnen nicht aus dem Weg gehen. Der Anschlag in Magdeburg, der Blick nach Nahost und in die Ukraine, Rechtsruck, Trump schon vor Amtsantritt als Elefant im Raum. Wie kann da Weihnachten werden?
Als wir diesen Sommer mit einer Delegation der evangelischen Kirche an die europäische Außengrenze gefahren sind, lagen die Handtücher der Sonnenanbeterinnen neben den Überresten der Rettungswesten von Geflüchteten. Das paradoxe Nebeneinander dieser Welt war selten so greifbar wie dort. Und wie an diesem Weihnachtsfest. Hier "Jingle Bells" und "Oh Du fröhliche", dort Luftschutzsirenen und Raketeneinschläge, Gewalt und Trauer. Es gibt Tage, da macht mir das Angst: Dass ich aufgebe, gleichgültig werde und simplen Lösungen nachlaufe. Doch dann wieder gibt es Dinge, die machen mir Mut. Wenn ich etwa sehe, wie viele Menschen sich für Notleidende einsetzen, wie könnte ich da nachlassen auch in meinem Engagement, das uns schon die Bibel ins Stammbuch schreibt?
Die Publizistin Carolin Emcke analysierte nach dem Sturz der Assad-Dynastie, eine der bittersten Wirkungsweisen von repressiven Regimen sei, dass sie mit aller Gewalt die politische Vorstellungskraft beschädigen. Denken in Möglichkeiten – das wird genommen. Was wäre die Menschheit ohne die Hoffnung darauf, dass sich Neues beginnen lässt? Dem Vertrauen darauf, dass wir die Dinge täglich zum Besseren gestalten können?
Das Wunder ist klein und das Kleine ist bedeutend
Die Möglichkeit des Anfangens erinnern – das hält meine persönliche Weihnachtshoffnung aufrecht. Gott wird Mensch, mitten unter uns. Das Wunder ist klein und das Kleine ist bedeutend. Sobald es da ist, ist nichts mehr wie vorher, es fesselt und verwandelt uns. Mir ist das heilig geworden: die weihnachtliche Ahnung darauf, dass es eine Spur der Veränderung gibt. All das, wovor sich die Diktatoren des römischen Imperiums zur Zeit Jesu und die Diktatoren von heute so fürchten, das strahlt auf. Es wird unaufhaltsam und stärker als die Dunkelheit, als jede Gewalt.
Die Hoffnung darauf, dass sich etwas Neues beginnen lässt. Davon wünsche ich uns allen für 2025 jede Menge, den Trauernden weltweit, den zivilgesellschaftlichen Bewegungen, den demokratischen Parteien, den Christinnen und Christen wie denen, die sonst eher wenig mit Kirche zu tun haben. Behalten wir uns diesen Weihnachtsfunken, dass uns Möglichkeiten offenstehen und "Frieden auf Erden" auch Wirklichkeit werden kann. Nun erstmal: Ein besinnliches und gesegnetes Weihnachtsfest!
Anna-Nicole Heinrich (28) ist Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland. Sie studierte Philosophie und lebt in Regensburg.
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