Hotline
Ein Land, eine Nummer: Ruf doch mal einen Schweden an
Schweden hat sich eine Telefonnummer zugelegt. Wer anruft, wird mit einem ganz normalen Schweden irgendwo im Land verbunden. Und kann über alles plaudern - von Königin Silvia bis zu Pippi Langstrumpf.
Dorothee Soboll & dpa
Di, 26. Apr 2016, 0:01 Uhr
Panorama
Wir benötigen Ihre Zustimmung um BotTalk anzuzeigen
Unter Umständen sammelt BotTalk personenbezogene Daten für eigene Zwecke und verarbeitet diese in einem Land mit nach EU-Standards nicht ausreichenden Datenschutzniveau.
Durch Klick auf "Akzeptieren" geben Sie Ihre Einwilligung für die Datenübermittlung, die Sie jederzeit über Cookie-Einstellungen widerrufen können.
AkzeptierenMehr Informationen
Kaufen alle Schweden bei Ikea ein? Wie stehen die Chancen auf ein Abba-Comeback? Wer den Menschen im Norden solche Fragen schon immer mal stellen wollte, muss dazu jetzt nur noch sein Telefon in die Hand nehmen – und wird zufällig mit irgendeinem schwedischen Bürger verbunden. Wir haben zum Hörer gegriffen.
Nach dem Wählvorgang erklingt zunächst eine Computerstimme: "You’ll soon be connected to a random Swede." Mit einem zufälligen Schweden werden wir also verbunden. So erreichen wir Mats Larson. Der 45-Jährige begrüßt den ihm noch unbekannten Anrufer freundlich. Er meldet sich in akzentfreiem Englisch und ist hörbar gespannt darauf, zu erfahren, wen er dieses Mal an der Strippe hat. Larson wohnt in der Stockholmer Innenstadt, sitzt während des Telefonats aber in seinem kleinen Häuschen auf einer schwedischen Insel. Das sei nichts Außergewöhnliches, wie er sagt. Außerdem erfahren wir, dass er kürzlich geheiratet und seine Flitterwochen in Italien, Österreich und der Schweiz verbracht hat.
Etwa zehn Menschen hätten ihn bereits unter der Nummer erreicht, die Hälfte komme aus den USA. "Zwei Frauen aus Iowa, die bald Stockholm besuchen wollen, will ich persönlich die Stadt zeigen: Wir haben E-Mail-Adressen ausgetauscht." Normalerweise haben die Anrufer aber weniger über ihn als Person, als vielmehr über das Land wissen wollen; ganz im Sinne des Tourismusverbandes. Auch über seinen Beruf habe sich Larson schon unterhalten: "Ich arbeite im Gesundheitswesen, war lange Zeit Krankenhausmanager." Zufällig rief jemand aus seinem Metier an. Ein chinesischer Student habe die Nummer gewählt, um sein Englisch aufzubessern.
Negative Erfahrungen hat Larson noch nicht gemacht: "Die Menschen sind neugierig, wer den Hörer abhebt, und oft überrascht, dass wir wirklich ganz normale Bürger sind." Wer Botschafter für Schweden werden möchte, muss sich online registrieren und die entsprechende App fürs Handy herunterladen. Wenn Larson keine Lust aufs Plaudern mit Fremden hat, stellt er die App einfach aus.
Er ist einer von 20 000 Schweden, die an dem Projekt teilnehmen; etwa 100 000 Anrufe aus mehr als 175 Ländern sind seit dem 6. April eingegangen. Mehr als 200 Tage haben die Gespräche zusammengerechnet schon gedauert. Ganz ohne Diskussionen ging die Telefonaktion aber nicht an den Start. "Das Projekt war ziemlich umstritten", erzählt Larson. "Es gibt so viele verschiedene politische Ansichten in Schweden, dass man nie weiß, wer dem Anrufer aus dem Ausland welches Bild vermittelt." Es sei wie ein Lotteriespiel, wen man gerade erwische. Man könne genauso gut Leute an der Bushaltestelle fragen oder in der Schlange vor dem Postschalter. Die Befürworter der Hotline haben sich am Ende aber durchgesetzt. Mindestens bis zum 6. Juni, dem schwedischen Nationalfeiertag, soll die Nummer noch bestehen bleiben.
Neu ist die Idee allerdings nicht: Seit 2012 gibt es den Twitteraccount @sweden, den wöchentlich ein anderer schwedischer Bürger betreut.
"Das Schöne ist, dass Schweden selbst ihre Geschichten erzählen und dir Reisetipps geben können – es steht keine Marketingfirma dahinter, die dir sagt, wo du hinfahren sollst", sagt Jenny Engström von der Svenska Turistföreningen.
Nach dem zwanzigminütigen Telefonat mit Mats Larson kennen wir Schweden ein bisschen besser – und wissen, dass im hohen Norden an diesem Tag genau das gleiche kalte Winterwetter herrschte wie bei uns.
Kommentare
Liebe Leserinnen und Leser,
leider können Artikel, die älter als sechs Monate sind, nicht mehr kommentiert werden.
Die Kommentarfunktion dieses Artikels ist geschlossen.
Viele Grüße von Ihrer BZ