Wahlrechtsreform

Dürfen bald 16-Jährige in Baden-Württemberg im Gemeinderat sitzen?

Die Uhr tickt für die Reform des Kommunalwahlrechts: Viele strittige Punkte sind bereits abgehakt. Der Knackpunkt ist jedoch die mangelnde Geschäftsfähigkeit minderjähriger Gemeinderäte.  

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Voraussichtlich im Mai 2024 sollen die Kommunalwahlen stattfinden. (Symbolbild) Foto: Phovoir / stock.adobe.com
Der erste Entwurf wurde im Kabinett und den Regierungsfraktionen im Sommer diskutiert, dann ging er in die Anhörung. Zurzeit wertet das Innenministerium deren Ergebnisse aus, dann wird der Gesetzesentwurf erneut in die Regierungsfraktionen und ins Kabinett kommen, bevor er den Landtag erreicht. Die Rede ist vom neuen Kommunalwahlgesetz, dessen Reform die grün-schwarze Koalition nach der Reform des Landtagswahlrechts anstrebt.

So drängt die Zeit, denn voraussichtlich im Mai 2024 sollen die Kommunalwahlen stattfinden und für Oliver Hildenbrand ist klar: "Die Reform muss mindestens ein Jahr vor der Kommunalwahl abgeschlossen sein", so der Innenpolitiker der Grünen-Fraktion. Sprich, im Frühjahr 2023 muss das Gesetz in den Landtag kommen, die Parteien brauchen auch Klarheit für die Kandidatensuche. Ein Sprecher des Innenministeriums sagt auf Nachfrage, der Regierungsentwurf stehe kurz vor der Vollendung. "Es bietet sich an, offene Punkte in den Fraktionsklausuren Anfang Januar zu beraten."

Juristen äußern starke Bedenken

Die Reform beinhaltet mehrere Punkte, zentral ist die Absenkung des passiven Wahlalters bei Gemeinde-, Ortschafts- und Kreisräten auf 16 Jahre, ein Anliegen vor allem der Grünen, hinter das sich nach früheren Bedenken auch die CDU gestellt hat. Baden-Württemberg wäre damit bundesweit Vorreiter. Bislang dürfen 16-Jährige bei den Kommunalwahlen zwar schon ihre Stimme abgeben (aktives Wahlrecht), aber nicht selbst kandidieren (passives Wahlrecht).

Der Knackpunkt ist seit einem Jahr die Geschäftsfähigkeit minderjähriger Ratsmitglieder und die Frage, ob 16- und 17-Jährige in Aufsichtsräte kommunaler Unternehmen entsandt werden können oder nicht. Bei der Anhörung hatten Juristen starke Bedenken geäußert, vor allem die CDU tut sich schwer. Oliver Hildenbrand betont die Notwendigkeit der Rechtssicherheit eines neuen Wahlrechts, findet aber das Problem lösbar. Selbst mit 16- oder 17-jährigen Gemeinderäten, die nicht in Aufsichtsräte könnten, "sind wir weit weg von einem Zweiklassensystem". Man könne diesen vermutlich kleinen Kreis entsprechend benennen, zudem übten nicht alle Gemeinderäte derartige Positionen aus.

"Meine Sorge ist, da entsteht eine Zweiklassengesellschaft" Thomas Blenke
Thomas Blenke, der Innenexperte der CDU-Fraktion sowie sein Parteifreund Uli Hockenberger, Innenausschuss-Vorsitzender, sehen dagegen den Punkt noch nicht geklärt. Deshalb habe er noch einmal um eine juristische Prüfung gebeten, so Blenke. Hockenberger fügt hinzu: "Meine Sorge ist, da entsteht eine Zweiklassengesellschaft", also Ratsmitglieder mit unterschiedlichen Rechten. Außerdem will die Union noch einmal die Frage klären, wie es mit Schulpflicht und Jugendschutz ist, etwa beim Blick auf ausufernde abendliche Sitzungen und morgendlichen Schulbeginn. "Wir sind bereit zur Reform und vertragstreu, wir sind aber auch rechtstreu", betonen die beiden CDU-Politiker. Wenn dies dann geklärt ist, "sind wir dabei, dann kann sich der Koalitionspartner darauf verlassen".

Debatte um das Auszählungssystem

Abgeräumt ist inzwischen die Debatte um das Auszählungssystem. Die Koalition wollte überprüfen, ob das seit 2019 bei den Kommunalwahlen angewandte Auszählverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers kleinere Gruppierungen begünstigt und so zur Zersplitterung der kommunalen Gremien führt und ob man wieder zum D’Hondt-Verfahren zurückkehrt. Vor allem die Kommunalvertreter fordern dies. Laut Hildenbrand haben Prüfungen ergeben, dass eine Detailkorrektur des Auszählverfahrens, um dieser Zersplitterungsgefahr zumindest die Spitze zu nehmen, "aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist".

Hildenbrand weiter: "Aber eine Rückkehr zu D’Hondt wollen wir aus politischen Gründen nicht." Die Grünen, früher oft eine kleine Gruppierung im Rat, sind inzwischen oft eine große, sie würden von D’Hondt profitieren. Aber: Bei den Grünen sieht man das Festhalten an Sainte-Laguë/Schepers auch als eine Frage der Glaubwürdigkeit. Bei der Union akzeptiert man die Argumente des Koalitionspartners und hat ebenso rechtliche Bedenken einer Detailveränderung beim Verfahren Sainte-Laguë/Schepers.
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