"Du schmeckst nach Erdbeereis!"
Siegerbeitrag bei "Lovestories": Ina und Jannis lernen sich im Sommer kennen - und müssen erstmal viel voneinander verstehen.
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Im Sommer veranstaltete das Freiburger Literatur Forum den Schreibwettbewerb "Lovestories" für junge Autorinnen und Autoren. 150 Einsendungen zeigten, dass Jugendliche sich auskennen mit Liebesgeschichten. Der erste Preis des Wettbewerbs ging kürzlich an die 16-jährige Katharina Kintzinger aus Eschbach für ihre Geschichte "Erdbeereis". Dazu gratuliert die JuZ - und druckt den prämierten Beitrag nachfolgend ab.
Paolo klappte die letzten Sonnenschirme, die heute ihren treuen Dienst geleistet hatten ein und stapelte sie in seiner kleinen Eisdiele. Ich legte einen Fünf-Euro-Schein unter den Rand meines Eisbechers und beschloss, mir am See noch ein wenig die Beine zu vertreten. Das Pärchen unter der Eiche war verschwunden. Auch das Lachen der Schüler erklang nun aus weiter Ferne. Auf einmal war es wunderschön ruhig, als mache sich die Welt zum Schlafen bereit. Der nasse Kies gab leicht unter meinen Füßen nach und der Ostwind, der immer stärker wurde, wehte mir einen süßlichen Duft in die Nase. Die Bäume wiegten sich immer stärker im aufziehenden Wind und das Wasser schlug sachte Wellen.
Ich merkte, wie ich müde wurde. Der zurückliegende Tag hatte seine Spuren hinterlassen und leicht federnd auf dem nassen Kies machte ich mich auf den Weg zurück zur Eisdiele, wo mein Fahrrad auf mich wartete. Meine Beine wurden schwer, als ich den steilen Pfad nach oben stapfte. Mit den Gedanken bei meinen Einkäufen, die ich noch erledigen wollte, bemerkte ich nicht, dass ich bereits seit längerer Zeit verfolgt wurde.
Abrupt wurde ich aus meinen Gedanken gerissen, als mich mein Verfolger von hinten ansprang und mir mit seiner rauen Zunge hechelnd übers Gesicht leckte. Der erste Schreck war schnell vergessen. "Hallo, wer bist du denn?" Schwanzwedelnd und mit leicht aufgestellten Ohren blickte mich ein völlig zerzauster Hund mit schwarzen Knopfaugen fast herausfordernd an. "Bist du ganz alleine hier?" Ich weiß auch nicht, warum ich ihn das fragte, und ich erwartete auch keine ernsthafte Antwort. "Ben, du kommst sofort wieder hierher, oder du kannst dir heute Abend eine Hundedame suchen, die dir deinen Bauch krault!" Die Drohung schien zu helfen, sofort drehte sich der Hund um und lief in Richtung des Rathausplatzes.
Ich war neugierig geworden und stapfte schneller als sonst den Pfad hinauf. Auf der Bank, auf der sich das Pärchen heute seinen Gefühlen hingegeben hatte, saß ein junger Mann mit angewinkelten Beinen und verzog keine Miene, als ich mich ihm näherte. Seine Augen starrten stur an mir vorbei ins Leere. Leicht verunsichert drehte ich mich wieder um und ging mit langsamen Schritten zu meinem Fahrrad, das ich am nächsten Baum angekettet hatte.
"Sie brauchen keine Angst zu haben!" Eine sanfte Stimme ließ mich Halt machen und wieder drehte ich mich um. "Wollen Sie sich zu mir setzen?" Er strich mit der offenen Handfläche über den Platz neben sich. "Ich wollte Sie nicht stören!" Meine Stimme klang nicht so selbstsicher wie sonst. "Das machen Sie gar nicht, oder Ben?!" Der Hund bellte laut und machte es sich vor den Füßen seines Herrchens bequem.
"Ich heiße übrigens Jannis und wohne drei Häuserblocks weiter von hier." Ich setzte mich auf den Platz neben ihm und streckte ihm meine Hand entgegen. "Ich bin Ina und wohne nur zwei Häuserblocks weiter!" Ein breites Grinsen nahm fast sein ganzes Gesicht ein. "Wenn Sie mir jetzt gerade die Hand entgegenstrecken, dürfen Sie es nicht persönlich nehmen, wenn ich Ihnen meine nicht anbiete, aber leider sehe ich sie nicht." Er bückte sich zu Ben und kraulte ihm liebevoll den Rücken. Verlegen zog ich meine Hand zurück.
"Es tut mir Leid!" Meine Stimme gab leicht nach. "Das muss es nicht!" Er schloss die Augen und lehnte sich entspannt zurück. Mein Blick wanderte von seinen braunen Haaren, die vom Wind leicht zerzaust waren, über seine geschlossenen Augen, seine kleine Nase, seinen vollen Mund und sein markantes Kinn. Ich musste zugeben, dass er mir gefiel und er hatte, wie er so dasaß, eine beruhigende Ausstrahlung.
"Schließen Sie die Augen!" Auch wenn er mich nicht sehen konnte, musste er bemerkt haben, wie verdutzt ich schaute. "Na, machen Sie schon, keine Angst!" Er lächelte wieder, und ich schloss meine Augen. Ich hörte den Wind, der um die verwinkelten Häuser pfiff, das Rascheln der Blätter, die keine Kraft mehr hatten, sich auf den Bäumen zu halten, das Plätschern des Wassers, das aufgeregte Wellen schlug, das gleichmäßige Hecheln von Ben und beruhigenden Klang meines Atems.
"Was kannst du noch sehen?" - "Ich sehe eine wunderschöne Frau!" Ina und Jannis
Ich wurde plötzlich ganz ruhig und lauschte all den schönen Geräuschen, die mich umgaben. "Sehen Sie, es muss Ihnen nicht Leid tun." Ich spürte, dass er seine Augen wieder geöffnet hatte und tat es ihm nach. Noch nie hatte ich das Bedürfnis empfunden, von einem Menschen, den ich kaum kannte, Nähe zu spüren. Aber diesmal tat ich es, ich fand meine alte Sicherheit wieder und fing an zu erzählen.
Von meinem Abiturstress, der mir keine Zeit zum Luftholen ließ, meiner Wohnung, die ich im letzten Sommer mit viel Schweiß, Liebe und guten Freunden renoviert hatte, von meinem letzten Urlaub an der Nordsee und von meiner Vorliebe für Erdbeereis. Als mein Hals schon ganz trocken war vom vielen Erzählen und ich langsam zum Ende kommen wollte, lächelte Jannis verschmitzt in meine Richtung. "Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die es schafft, ohne Luft zu holen, eine ganze Stunde zu reden!" Ich blickte auf meine Armbanduhr und stellte fest, dass er Recht hatte. Jannis griff nach meiner Hand. "Ich habe in so kurzer Zeit so viel von dir erfahren, dass ich es nur für notwendig empfinde, dich zu duzen." Ich erwiderte den leichten Druck seiner Hand. "Und da dein Hund mich bereits ungefragt geküsst hat, halte ich es für angebracht, dich nicht mehr zu siezen!" Er lächelte wieder das Lachen, für das ich sogar einen Becher Erdbeereis stehen lassen würde. Ich erhob mich und streichelte Ben, der sich schläfrig auf dem Boden zusammengerollt hatte, sanft über den strubbeligen Kopf. "Ich glaube, ich habe ihn mit meinen Geschichten ziemlich gelangweilt!" Wir verabredeten uns für den nächsten Tag in meinem Lieblingscafé.
Am nächsten Morgen ließ sich die Sonne nicht lange bitten und erschien gleich in ihrer ganzen Pracht. Ich schlüpfte nach einer ausgiebigen Dusche in eine kurze Hose und ein frisches T-Shirt. Jannis saß schon im Café, als ich meinen Fahrradschlüssel in meine Hosentasche steckte und die große Glastür aufdrückte. Er bestellte sich einen Nussbecher, wobei er mir großzügig seine Waffel schenkte und ich aß, wie gewöhnlich meine drei Kugeln Erdbeereis. Wir zahlten und gingen runter zum See. Das Wasser war ruhig und die Sonne brannte so heiß, wie noch nie in diesem Sommer. Jannis und ich setzten uns unter einen Baum, der seinen wunderbar kühlen Schatten auf uns warf. Ich legte mich auf meine ausgestreckten Arme und schloss die Augen. Ich hörte das Summen der Bienen, das Lachen einer Familie, die nicht weit entfernt von uns den wunderbaren Tag genoss, und ich hörte das Bellen von Ben. Als ich meine Augen wieder öffnete, musste ich feststellen, dass ich alleine unter dem großen Baum saß.
Jannis stand mit hochgekrempelten Hosenbeinen knietief im Wasser und strahlte. Kurz entschlossen zog ich meine Schuhe aus und watete durchs kühle Nass, bis ich Jannis' Hand greifen konnte. Er hielt sie fest und drehte sich zu mir um. "Ina, siehst du die Wellen?" - "Ja, ganz deutlich!" Ich schaute aufs Wasser hinaus. "Ich sehe sie auch!"
"Was kannst du noch sehen?" Ich schaute ihn an. Er ließ meine Hand los und fuhr ganz leicht mit Daumen und Zeigefinger über mein Gesicht. "Ich sehe eine wunderschöne Frau!" Jannis strich mir übers Haar und griff nach meiner Hand, als sich unsere Münder trafen. "Du schmeckst nach Erdbeereis!" Jannis grinste und drückte mich an sich.
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