Rückkehr

Dreieinhalb Jahre auf der Walz – Erfahrungen in 17 Ländern

Traditionsgemäße Kletterei über das das Ortsschild: Nach dreieinhalb Jahren Walz quer durch Europa kehrte der Zimmermann Alexander Kiefer in seinen Heimatort Obersimonswald zurück.  

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Alexander Kiefer (Mitte) mit seinen Wa...en) bis nach Hause in Obersimonswald.   | Foto: Daniel Fleig
Alexander Kiefer (Mitte) mit seinen Wandergesellen bei seinem letzten Reiseabschnitt von Niederwinden (Schwangen) bis nach Hause in Obersimonswald. Foto: Daniel Fleig
Abenddämmerung. Es regnet in Strömen, als Alexander Kiefer sich allmählich dem Simonswälder Ortsschild nähert. 30 bis 40 Wandergesellen in traditioneller Kluft begleiten ihn bei der Rückkehr in seinen Heimatort. Immer wieder unterbricht die Gruppe den Marsch über die L 173, um einen Gesang anzustimmen und die Heimreise des Kameraden abermals zu begießen – sehr zum Leidwesen diverser Autofahrer, die sich in ihrer vorabendlichen Eile behindert fühlen und kaum Verständnis für zünftige Rituale aufbringen.

Fröstelnd warten Freunde, Bekannte und Nachbarn mit Daunenjacke und hochgeschlagenen Kragen am Ortseingang – nicht zuletzt Alex’ Eltern und seine beiden Brüder. Endlich ist es soweit: Alex klettert über das Ortsschild und wird mit hochgestreckten Armen von seiner Mutter Angelika und Vater Gerhard empfangen. Nach dreieinhalb Jahren Wanderschaft durch ganz Europa ist der 25-jährige Zimmerergeselle wieder daheim. Für den späteren Abend ist eine große Fete im Obertäler Sportheim angesagt, für den nächsten Vormittag ein ausgiebiges Frühstück.

ABREISE IM MAI

Wesentlich einladender hatte sich das Wetter am 29. Mai des Jahres 2011 gezeigt – geradezu passend für einen Aufbruch ins Unbekannte. Bei strahlendem Sonnenschein waren etliche rechtschaffene Fremde in das Schwarzwalddorf gekommen, um ihren frischgebackenen Kameraden Alex auf Wanderschaft zu bringen. Von ihnen lernte er, wie man bei einer Arbeitsstelle vorspricht, wie man sich ehrbar und rechtschaffen verhält, wo man Herbergen als erste Anlaufstelle vor Ort findet. Nach den althergebrachten Gesängen und Sprüchen ging es los. Erste Station: Das Obersimonswälder Ortsschild, wo Alex traditionsgemäß eine Flasche Wein vergräbt – mitsamt allen Bindungen an daheim.

Was bringt einen jungen Menschen auf die Idee, Freunde, Bekannte und Familie für lange Zeit hinter sich zu lassen, die Entbehrungen einer Wanderschaft auf sich zu nehmen, auf Handy, Laptop und Auto zu verzichten, sogar öffentliche Verkehrsmittel zu meiden? "Nach der Lehre bei der Firma Helmle", sagt Alex, "wollte ich was anderes sehen." Er hatte den Wandergesellen Torben aus Norddeutschland kennengelernt, der ihn zu den monatlichen Gesellenabenden im Freiburger "Walfisch" einlud. Alex hatte den Gesellenbrief, war schuldenfrei, nicht vorbestraft, kinderlos und unter 30 – Grundvoraussetzungen für die Aufnahme als "rechtschaffener Fremder". Damals erhielt er bereits seine "Ehrbarkeit", die schwarze Krawatte als Zeichen der Zugehörigkeit zu diesem ältesten der heute bestehenden "Schächte".

AUFBRUCH INS UNGEWISSE

"Losgehen", erinnert sich Alex, "ist verbunden mit großer Ungewissheit, aber gleichermaßen mit dem Reiz, etwas Neues zu entdecken." Als erstes Ziel hatte er sich Neustadt an der Weinstraße ausgesucht, wo 2011 das große Himmelfahrtstreffen der Wandergesellen stattfand. Die nächsten Stationen seiner Wanderschaft ergaben sich meistens per Zufall. "Je nachdem, wen man so trifft", sagt er. "Manchmal lässt man sich einfach treiben. Zeit ist, was wir zur Genüge haben."

Zuweilen habe man auch vorher ein bestimmtes Ziel im Kopf. So zog es ihn über Dänemark und Schweden nach Norwegen, wo er im Jahre 2013 vier Monate lang geschafft und die nördlichste Bier-Brauerei Europas besucht hat. Dort im Norden hat Alex an einem Rundholz-Dachstuhl mitgebaut. "Ein völlig anderer Baustil, der hier gänzlich unbekannt ist", erzählt er, "irgendwie schon genial." Über die baltischen Staaten hat er dann wieder deutschen Boden erreicht. Insgesamt 17 Länder hat er auf seiner Walz bereist, darunter Frankreich, Spanien und die Schweiz. Zwischen sieben Tagen bis zu einem halben Jahr hat er an der einen oder anderen Station gearbeitet, auch mal im Winter wochenlang vergeblich nach Arbeit gesucht.

Über Österreich, Kroatien und Italien reiste Alex Mitte 2012 nach Korsika, wo er mit einigen Kameraden in unmittelbarer Nähe des Strandes in einer Ferienanlage einige Carports errichtete. "Ein ganz anderes Arbeitsgefühl", schwärmt er zurückblickend. "Geradezu entspannt ..."

Irgendwann neigte sich die Wanderschaft dann nach drei Jahren dem Ende zu. Im "Walfisch", der Freiburger Herberge, erwarteten ihn 23 Gesellen, um Alex auf seinem Weg in den Heimatort zu begleiten. Weitere Kameraden schlossen sich der Gruppe an, die über Gundelfingen, St. Peter und den Kandel nach Waldkirch zog, wo die Wanderburschen Silvester feierten. Über Gutach und Niederwinden ging es schließlich ins Simonswälder Tal.

WIEDER ZU HAUSE

Was fühlt man nun nach dreieinhalb Jahren in der Fremde bei der Heimkehr? Freut man sich auf Freunde und Familie? "Auf jeden Fall", bekräftigt Alex Kiefer, "aber man gibt auch die Freiheit der Wanderjahre auf." Und er fügt noch hinzu: "Nach Hause zu gehen, ist auf jeden Fall schwerer, als loszuziehen." Es sei ungewohnt, jetzt erstmal an einem festen Ort zu sein. Drei Jahre und ein Tag durfte Alexander Kiefer seinem Heimatort nicht näher als 50 Kilometer Luftlinie kommen.

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