Die Kinder der Raketenforscher
In Denzlingen wohnten Wissenschaftler, die im Nationalsozialismus Raketen gebaut haben / Nachfahren waren jetzt zu Gast.
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DENZLINGEN. Ihre Väter forschten gemeinsam an Raketen für die Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg. Sie sollen mit Wernher von Braun in Peenemünde zusammengearbeitet haben, wo unter anderem die V2-Rakete entwickelt wurde, Hitlers vermeintliche Wunderwaffe, die den Endsieg bringen sollte – bekanntlich kam es anders. Nach der Niederlage mussten die Wissenschaftler mit ihren Familien nach Frankreich übersiedeln – dazwischen lebten einige von ihnen für längere Zeit in Denzlingen, wie bei einem Treffen der Kinder jetzt zu erfahren war.
Die Physiker, Mathematiker und Techniker aus Norddeutschland sollten ihr Wissen für den Bau von französischen Raketen einbringen. "Für die deutschen Techniker war das Arbeiten bei den Franzosen scheinbar wesentlich interessanter, weil mit mehr Freiheiten verbunden als bei den Engländern", sagt Ohmberger. Ein Helmut Weiß, der Familie in Emmendingen hatte und in Peenemünde gearbeitet haben soll, organisierte laut Ohmberger diese Umsiedlung in den Süden.
Steuerungstechniker seien in Denzlingen, Triebwerkstechniker in Riegel untergebracht gewesen. Ein Forschungsbüro gab es laut dem Heimatkundler in Emmendingen. Später bauten die Franzosen in Vernon bei Paris ein Raketenforschungszentrum für Luft- und Raumfahrt. Die rund 70 deutschen Wissenschaftler waren dort ab 1947 im sogenannten "Buschdorf" untergebracht – einer abseits gelegenen Siedlung im Wald. Dort mussten sie für die einstigen Feinde forschen. "Die Frauen und Kinder – einige davon sind in Denzlingen geboren und getauft – folgten bis 1949 nach", sagt Ohmberger.
"Vernon ist immer unser Anknüpfungspunkt gewesen", sagt Rüdiger Dollhopf, der ehemalige Geschäftsführer der Rhodia in Freiburg. In Vernon ist er zusammen mit den anderen deutschen Kindern aufgewachsen, hat mit ihnen im Wald gespielt und Französisch gelernt – das verbinde sie bis heute.
Raketenhaftes an sich."
Dieter Ohmberger
Ohmberger führte die Gruppe zur evangelischen Kirche, dessen Turm aus seiner Sicht auch etwas "Raketenhaftes an sich habe". Die Schwester von Horst Deuker ist in der Kirche getauft. "Meine Idee, Pastor zu werden, ist in der Kirche in Denzlingen entstanden", ist sich Deuker sicher. Während er auf einer der Kirchenbänke Platz nimmt, erzählt er von seinem Vater, Ernst August Deuker, der bei den Nationalsozialisten mit dem Projekt Wasserfall betraut gewesen war. Die Flakkanonen der Wehrmacht konnten nur einen Flieger ins Visier nehmen. Deuker sollte eine Flugabwehrrakete entwickeln, die in das Geschwader gefeuert, dort wie eine Splitterbombe explodieren und so größeren Schaden anrichten sollte. Etliche Testflüge seien dokumentiert. Später habe sein Vater für die Franzosen an Trägerraketen für Transporte in die Erdumlaufbahn gearbeitet. Heute lebt der Pastor in Südfrankreich. Er kann sich erinnern, in Denzlingen die Schule besucht zu haben. Auch ein Hochwasser an der Glotter könne er nicht vergessen.
Manche Bekanntschaften von damals halten bis heute an. So umarmen sich der Denzlinger Hans-Jörg Siegel und Dagmar Levsen, geborene Lämmerhirt. Sie hatte bei seiner Familie unter dem Dach gewohnt mit Kuckucksuhr an der Wand und Blick zum Kandel. Levsen kann sich noch erinnern, wie ihre Mutter nach Westen zeigte und zu ihr sagte: "Schau, da ist Frankreich, da gibt es Schokolade". Was Schokolade ist, wusste das kleine Mädchen zu dem Zeitpunkt noch nicht, doch für die kommenden 16 Jahre sollte das fremde Land ihr neues Zuhause werden.
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