"Die Kamera rennt im Film hinterher"
BZ-INTERVIEW mit Sänger und Regisseur Moritz Krämer, dessen erster Film "Bube Stur" auf dem Freiburger Filmfest läuft.
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Der im Schwarzwald aufgewachsene Moritz Krämer, schon lange in Berlin ansässig, kommt nach Freiburg, um seinen ersten langen Spielfilm vorzustellen: "Bube Stur". Er wurde im Februar auf der Berlinale erstmals gezeigt. Darin geht es um eine junge Frau aus Berlin, die gerade aus der Haft entlassen wurde und ein halbes Jahr auf einem Bauernhof im Hochschwarzwald mitanpacken muss. Alexander Ochs hat mit dem Filmemacher und Musiker gesprochen.
Krämer: Wie viele Seelen? Muss ich jetzt zwei sagen? Wegen Musik und Film...?
BZ:Genau. Was beschäftigt Sie mehr?
Krämer: Es gibt immer einen Tenor, dass man sich entscheiden muss, was man sein Leben lang macht. Bei mir hat sich das so ergeben. Ihre Frage zielt wohl darauf ab, wovon man lebt. Als Filmstudent kommt niemand auf dich zu und fragt: ’Kannste mal was drehen, hier ist die Gage!’
BZ: Sind das Komponieren von Musik und die Filmkomposition für Sie strukturell ähnlich?
Krämer: Ich habe mich während des Studiums viel mit Dramaturgie beschäftigt. Aber es gibt ja kein Rezept, wie man einen Film schreibt. Oder ein Lied. Bei einem Film ist alles viel komplexer, weil die Geschichte Bögen haben muss, die sich ja wieder schließen müssen.
BZ: Die Musik spielt in Ihrem Film "Bube Stur" eher eine untergeordnete Rolle. Häufig hört man dafür das Dröhnen der Maschinen – Motorrad, Kettensäge, Melkmaschine. Wieso?
Krämer: Eine Filmmusik schafft ja auch Bögen innerhalb eines Films, und ich habe erst im Schnitt gemerkt, dass es mir besser gefällt, diese Bögen zu schaffen über das Sounddesign und die Tonmischung – und nicht über die Filmmusik. Es gab zumindest kein Dogma vor Drehbeginn, dass es keine Filmmusik geben soll, sondern nur Musik, die in der filmischen Welt vorkommt. Für mich selbst hat die Musik im Film allerdings eine große Rolle gespielt: Lörrach und Weil – das macht zwar gar keinen Sinn im Film, aber – das verbinde ich mit der Band von Franceso Wilking vor Tele: Kicking Edgar Allan Poe.
BZ: Ihr Film handelt von einer Berliner Göre, die aus dem Knast kommt und auf einem Bauernhof im Schwarzwald Sozialstunden ableisten muss. Wie kamen sie auf das Thema?
Krämer: Ich kam darauf, weil ich 2008 ein kurzes Doku-Porträt über Udo Steinebrunner und den Milchstreik gedreht habe. Wir kamen damals als Drehteam von außen rein, und ich habe mich gefragt: Ab welchem Punkt interessiert man sich für etwas, das der eigenen Lebenswelt fern ist? Damit war die Grundkonstellation da: Eine Person kommt von außen in eine Situation hinein. Denn die Idee dahinter war kein bestimmter Plot, sondern eher ein Gefühl, das zwei Menschen bekommen, wenn sie aufeinandertreffen, aber nichts miteinander anfangen können und sich nicht für die Probleme des anderen interessieren.
BZ: Sie sind sehr nahe dran an Ihren Figuren und erzählen die Handlung reif, sachlich, nüchtern. Fast wie ein Dokumentarfilmer. Warum?
Krämer: Die Kamera rennt in dem Film ja hinterher, beobachtet und kommt zu spät. Sie hat keine zeigende Funktion. Und das liegt auch an der Spielweise, wir hatten ja einen Mix aus Laien und professionellen Schauspielern. Wenn wir in der Probe festgestellt haben: "Nee, so würde ich das nie sagen", dann haben wir’s eben gestrichen.
BZ:Was hat es mit dem Titel auf sich – "Bube Stur"?
Krämer: Ich wollte einen Titel, der für mich auf beide Hauptfiguren passt und der auch eine Haltung ist. Es ist zwar kein Buddy-Movie, aber es gibt das Mädchen als dramaturgische Hauptfigur und den Landwirt als thematische Hauptfigur wie zum Beispiel im "Amadeus"-Film.
BZ: Der Schwarzwald wirkt in Ihrem Film düster, einengend, befremdlich. Ist das auch Ihre eigene Erfahrung?
Krämer: Nee, eigentlich nicht. Die Idee war, dass der Film in einer Jahreszeit spielt, die mit Aufbruch zu tun hat: Schneeschmelze. Als Ende war vorgesehen, dass die Kühe aus dem Stall kommen zum Viehauftrieb. Das ging aber nicht, weil es dafür im April 2013 noch zu früh war. Wir wollten den Schwarzwald nicht etwa grau darstellen, sondern die Geschichte in einer ganz bestimmten Jahreszeit erzählen. Wir wollten außerdem diese Heimatfilm-typische Überhöhung der Landschaft vermeiden.
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