Die Jugend klagt Regierungschefs an
Sechs Portugiesen prozessieren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg gegen die Klimapolitik von 32 Staaten – und verbuchen einen Erfolg.
Emilio Rappold (dpa)
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. Die achtjährige Mariana und ihre fünf jungen Mitstreiter setzen Deutschland und weitere 32 Länder Europas im Kampf gegen den Klimawandel unter Druck: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg gab jetzt grünes Licht für eine außergewöhnliche Klage der sechs Kinder und Jugendlichen aus Portugal. Wegen der Wichtigkeit und Dringlichkeit der aufgeworfenen Fragen werde man der Beschwerde Priorität einräumen, teilte der EGMR mit. Bis Ende Februar müssen sich die betroffenen Regierungen zu den Vorwürfen äußern.
Die Nachricht aus Straßburg löste in Portugal viel Jubel aus. "Es gibt mir viel Hoffnung zu wissen, dass die Richter im Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte die Dringlichkeit unseres Falles erkennen", sagte der zwölfjährige André Oliveira aus Lissabon, der mit Schwester Sofia (15) mitmacht.
Bei ihrem Kampf werden die jungen Portugiesen von Global Legal Action Network (GLAN) unterstützt. Die Nichtregierungsorganisation spricht von einer "beispiellosen Aktion". Die Entscheidung des EGMR sei nun "ein wichtiger Schritt in Richtung eines möglichen wegweisenden Urteils zum Klimawandel". Die überwiegende Mehrheit der beim Straßburger Gericht eingereichten Klagen würden zurückgewiesen, hieß es. "Diese mutigen jungen Menschen haben eine große Hürde auf dem Weg zu einem Urteil überwunden, das die europäischen Regierungen dazu zwingt, ihre Bemühungen um den Klimaschutz zu beschleunigen", erklärte in einer Reaktion der juristische Berater von GLAN, Gerry Liston. Die Nachricht aus Straßburg komme nur wenige Wochen vor der Entscheidung der EU über ihr Emissionsziel für 2030. Eine Senkung um mindestens 65 Prozent sei nötig, "damit die EU-Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen gegenüber den jugendlichen Antragstellern und unzähligen anderen nachkommen", so Liston. Nur so könne das angestrebte Ziel einer Erderwärmung von höchstens 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erreicht werden. 2020 wird voraussichtlich das heißeste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen sein. Wenn sich nichts ändert, sagen Prognosen einen Anstieg der Durchschnittstemperaturen um drei Grad bis 2100 auf der ganzen Welt voraus.
Letzter Auslöser waren für Mariana, André und die anderen die verheerenden Brände von 2017 in ihrem Heimatland, bei denen mehr als hundert Menschen starben und riesige Waldgebiete zerstört wurden. "Da ist bei mir der Groschen gefallen. Wir haben die Folgen aus nächster Nähe erlebt, und ich habe gemerkt, wie dringend man handeln muss, um den Klimawandel zu stoppen", sagte Marianas Schwester Claudia (21).
Experten hätten bestätigt, dass der Klimawandel eine Rolle bei dieser Katastrophe gespielt habe, so GLAN. Die Bilder aus der Region Pedrogão Grande unweit von Leiria gingen im Juni 2017 um die Welt: Von den Flammen eingekesselte, verzweifelte Autofahrer veröffentlichten erschütterende Live-Videos. Eine Landstraße wurde für knapp drei Dutzend Menschen zur tödlichen Falle, viele verbrannten in ihren Autos bis zur Unkenntlichkeit. Tausende Tiere starben, Häuser wurden dem Erdboden gleichgemacht.
Die Gruppe, zu der auch Claudias und Marianas Bruder Martin (17) sowie Catarina (20) zählen, will etwas schaffen, was berühmtere Klimakämpferinnen wie Greta Thunberg oder Luisa Neubauer nicht gewagt haben. Warum ist die Klage so einzigartig? Eigentlich muss man zunächst vor einem inländischen Gericht klagen, bevor man den EGMR anruft. Im Falle des Kampfes gegen den grenzübergreifend verursachten Klimawandel sei es für Heranwachsende allerdings nicht möglich, ihr Anliegen in 33 verschiedenen Ländern vorzubringen und jeweils bis zu den höchsten nationalen Gerichten zu verfolgen, lautete das Argument, mit dem man nun durchkam.
André, der im August 2018 in Lissabon eine Rekordtemperatur von 44 Grad ertragen musste, setzt weiter auf die Einsicht der Mächtigen. "Was ich mir wünsche ist, dass in Europa die Regierungen sofort das tun, was die Wissenschaftler für den Schutz unserer Zukunft für notwendig halten." Und setzt nach: "Solange sie dies nicht tun, werden wir mit mehr Entschlossenheit denn je weiterkämpfen."
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