Kino
Die Dokumentation "An den Rändern der Welt"
Der Regisseur Thomas Tielsch und der Fotograf Markus Mauthe zeigen in ihrer Dokumentation indigene Völker, deren Lebensweise bedroht ist. Und sie stellen die richtigen Fragen dazu.
Charlotte Janz
Mo, 29. Okt 2018, 20:14 Uhr
Kino
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Die Reise führt uns zu den Mundari im Südsudan, die Rinder züchten und die eigenen Kinder nach den Lieblingskälbern benennen. Sie führt uns ins Omo-Tal in Süd-Äthiopien, wo ein gestauter Fluss die Mursi zu neuen Lebensformen zwingt. Sie führt uns zu Seenomaden nach Malaysia, die einst landkrank wurden, wenn sie festen Boden betraten, doch nun teils sesshaft werden. Und sie führt uns nach Brasilien, wo die Mehinaku mittlerweile auf Motorrädern durch den Regenwald knattern.
In Äthiopien berichtet ein Stammesältester nüchtern von den Veränderungen. Die Jugend gehe nicht mehr in den Wald. Den traditionellen Stockkampf kenne sie kaum noch. Die jungen Männer arbeiteten in der neuen Plantage. Das sei gut so, schließt er überraschend. Dadurch stellt der Film auch uns unangenehme Fragen: Wünschen wir uns den Erhalt dieser Kulturen mehr als sie selbst? Sehen wir Sozialromantiker nur den Verlust einer ursprünglichen Lebensform, während die Menschen dort selbst sich nach den Errungenschaften der Moderne sehnen?
Das ist eine Stärke des Films: Er wirft komplexe Fragen auf und gibt nicht vor, selbst die Antworten zu kennen. "An den Rändern der Welt" ist ein ehrlicher Film. In einer Szene bittet Mauthe einen traditionell gewandten Stammeskrieger, für das Foto bitte seine Armbanduhr abzunehmen. In einer anderen streitet sich eine mit Lippentellern geschmückte Gruppe darum, wer fotografiert werden und das Geld dafür einstreichen darf. Was Mauthe versucht, für die Nachwelt zu konservieren, existiert eigentlich schon nicht mehr. Und natürlich sind der Fotograf und das Filmteam selbst Boten jener Zivilisation, die den Lebensraum der indigenen Völker bedroht. Diese Problematik reflektiert der Film auch. Was sei wichtiger: das Überleben einer Minderheit oder ein besseres Leben für viele? Die Indigenen selbst frage man nie, grübelt der Erzähler aus dem Off. Warum eigentlich nicht? Schnitt – eine Mursi-Frau sagt, ihr Stamm benötige die Hilfe der Weißen nicht. Sie wolle keinen Kontakt zur Außenwelt. Sie bräuchten nur ihren Fluss zurück, den ein Staudamm zerstört hat. "Warum seid ihr gekommen? Warum unterhältst du dich mit mir? Wirst du der Welt von meinen Problemen berichten?", fragt sie.
Und genau das tut der Film. Intime Close-ups von Gesichtern wechseln sich ab mit atemberaubenden Landschaftsaufnahmen. Geschickt verfolgen die Freiburger Kameramänner den Fotografen bei der Arbeit – nah dran, aber nicht aufdringlich. Über drei Jahre verteilt waren sie immer wieder mit ihm auf Reisen. Im Gespräch nach der Vorführung erzählen Simon Straetker und Janis Klinkenberg von ihren Begegnungen. Die Drohne sei ein unerwarteter Türöffner gewesen. Keines der Völker hätte jemals zuvor seinen Lebensraum aus der Vogelperspektive gesehen.