Gesundheit und Soziales
Der Trend im Pflegemarkt geht zum betreuten Wohnen
In Deutschland werden immer mehr Pflegebedürftige in Wohngemeinschaften und betreutem Wohnen versorgt. Die Qualität der Pflege wird nicht kontrolliert, beklagt die Krankenkasse Barmer.
Christoph Ahrens (kna)
Fr, 6. Mär 2020, 17:29 Uhr
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Thema: Stellenspezial Gesundheit
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Und die Werbung hat Erfolg: Der Pflegemarkt befindet sich im Umbruch, stellt der Ende November vergangenen Jahres veröffentlichte Pflegereport der Krankenkasse Barmer fest. Aktuell leben deutschlandweit bereits rund 181 000 Pflegebedürftige im betreuten Wohnen und in Pflege-WG, etwa 150 000 davon in betreutem Wohnen und mehr als 30 000 in den Wohngemeinschaften. Bundesweit existieren laut Barmer bis zu 8000 betreute Wohnanlagen und 4000 Pflege-Wohngemeinschaften. Etwa jede dritte sei in den vergangenen zehn Jahren entstanden.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Die Gruppe der Bewohner ist überschaubar, ebenso die Gruppe der Pflegekräfte und Helfer. Vielfach ist erwünscht, dass Angehörige mit ins Haus kommen und auch die Bewohner den Alltag organisieren helfen. "In eigenen vier Wänden leben und trotzdem nicht alleine sein, beim Kochen oder im Garten unterstützen, gemeinsam singen, lachen oder Ausflüge unternehmen - die Summe der Möglichkeiten trotz Erkrankung macht den Reiz dieser Wohnform aus", heißt es etwa auf der Internetseite des Betreibers einer Wohngemeinschaft. Dabei wachse die Nachfrage weiter.
Aus Sicht der Barmer allerdings stellt sich die Situation ein wenig anders dar: "Wer sich für betreutes Wohnen oder eine Wohngemeinschaft entscheidet, sucht vor allem mehr Lebensqualität im Vergleich zu einem Heim", erklärte Barmer-Chef Christoph Straub vor Journalisten in Berlin. Die Qualität der Pflege dürfe dabei aber nicht auf der Strecke bleiben.
Aus Sicht der Kasse hapert es da bei vielen Einrichtungen. Bei den Bewohnern in betreutem Wohnen und in den Pflege-WG sind Arztkontakte und auch die Verordnungen von Antipsychotika laut Barmer seltener als in Heimen. Neue Fälle von Wundliegen seien in betreutem Wohnen zu 66 Prozent wahrscheinlicher als im Pflegeheim, auch weil es keine Rund-um-die-Uhr-Pflege gibt. Zugleich müssten 3,6 Prozent der Bewohner wegen Erkrankungen ins Krankenhaus, die sich eigentlich ambulant gut behandeln ließen. In Pflegeheimen träten nur 2,4 Prozent solcher Fälle auf.
"In der Summe finden sich keine Vorteile in der Pflegequalität in der Pflege-WG oder in betreutem Wohnen gegenüber der Pflegequalität im Pflegeheim", schließt die Barmer. "Vorteile finden sich in der Lebensqualität, der Wohnraumgestaltung und Wahlfreiheit." Kassenchef Straub fordert deshalb einen Pflege-TÜV auch für die neuen Wohn- und Pflegeformen.
Aus Sicht der Krankenkasse hat der Trend noch einen weiteren Haken: Die neuen Formen kombinieren Elemente der ambulanten und stationären Pflege mit Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen, etwa der häuslichen Krankenpflege. So könnten die Pflegeanbieter in neuen Wohn- und Pflegeformen maximale Leistungssummen erzielen, die doppelt so hoch seien wie in der vollstationären Pflege, schreibt der Bremer Pflegeexperte Heinz Rothgang.
Allein 2018 entstanden nach Angaben der Barmer für die Betreuung der Pflegebedürftigen in betreutem Wohnen und in Pflege-Wohngemeinschaften den Kassen Mehrausgaben von 399 Millionen Euro gegenüber einer vergleichbaren stationären Pflege.
Das kritisiert auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Es sei zutiefst ungerecht, dass Bewohner von Pflege-WG bis zu doppelt so hohe Leistungen von den Kassen erhielten wie Pflegeheimbewohner, kritisierte Vorstand Eugen Brysch. Auch er warnt davor, die Pflege-WG in den Himmel zu loben. Sie würden als moderner Pflegeheimersatz verkauft, so Brysch. Leistungsanbieter hätten es verstanden, ein neues Geschäftsmodell anzubieten, ohne Qualität nachzuweisen. "Werden Pflege-WG rechtlich einem Pflegeheim gleichgestellt, ist der Zauber schnell vorbei."
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