Südbadener in Rio (5)
Moritz Milatz – Pendler zwischen den Welten
Als Vollzeitstudent hat Mountainbiker Moritz Milatz die Kurve bekommen für seine dritte Olympia-Teilnahme. Und hier hat der 34-jährige Freiburger noch eine Rechnung offen.
Di, 19. Jul 2016, 0:15 Uhr
Mountainbike
Thema: Südbadener in Rio
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Olympia ist ein unfertiges Kapitel in der sportlichen Vita des Mountainbikers Moritz Milatz – und vielleicht deshalb der entscheidende Impuls, der ihn vor einem Rücktritt bewahrte. Ende 2014 setzte ihm sein damaliges Team BMC den Stuhl vor die Tür. Der Schweizer Rennstall des Radunternehmens aus Grenchen fördert fortan fast nur noch Schweizer, ungeachtet des vierten Platzes von Milatz bei der Weltmeisterschaft im gleichen Jahr.
Nach zehn Jahren als MTB-Profi krempelte der Europameister von 2012 sein Leben um. Er nahm sein Studium für Mikrosystemtechnik wieder auf, schraubte als Amateur im neuem Team sein Trainingspensum deutlich zurück, um gleichsam als Familienvater seine zum zweiten Mal schwangere Frau zu unterstützen. Dennoch war die sportliche Substanz noch so groß, dass er mit zwei Weltcup-Platzierungen unter den Top 20 (13. in Albstadt, 19. in Val di Sole) bereits im Jahr 2015 die Norm für die Olympischen Spiele in Rio erfüllte. In Val di Sole ging Milatz praktisch ohne Wettkampfvorbereitung an den Start, nachdem er kurz zuvor wegen der Geburt seines Sohnes eine Woche lang ausschließlich seine Tochter betreut hatte. "Ich bin wie ein Verrückter um den 20. Platz gefahren, als ging es um den Sieg", sagt Milatz. Papasein beflügelt.
Olympia war damit greifbar nahe. Und doch dachte Milatz Ende 2015 erneut ans Aufhören. Finanziell bekam er nur von der Sporthilfe Unterstützung. Auch bei der Materialauswahl und Organisation blieb vieles an ihm hängen. "Das Gesamtpaket hat nicht gestimmt", stellt Milatz rückblickend fest. "Es hatte keinen Spaß mehr gemacht." In dieser schwierigen Situation öffnete sich mit dem Werksteam Kreidler das Tor zur Fortsetzung seiner Karriere. Milatz unterzeichnete einen Zweijahresvertrag bis Ende 2017 und fand einen familienkompatiblen Modus Vivendi zwischen Profitum und Studium. Seine Bachelor-Arbeit will er nach Olympia erledigen, anschließend einen Master-Studiengang draufsatteln. Gleichzeitig hat er den Kopf frei für den Sport: "Die Motivation ist zurück", sagt er.
Weil er im Training gut über den Winter kam, verwundert auf den ersten Blick der fehlende Erfolg in diesem Jahr. Einen 24. Platz bei der Weltmeisterschaft nach starker Aufholjagd aus hinterer Startreihe bewertet Milatz noch als wertvollstes Resultat. Bislang fehlt im Rennen der richtige Punch. Milatz vermutet, dass dies mit den Turbulenzen der vergangenen Saison zusammenhängt: "Der Körper braucht wohl ein bisschen, bis er wieder im Rhythmus ist." Er ist zuversichtlich, dass er seine Form mit dem Höhentrainingslager in Livigno rechtzeitig vor Rio wiederfindet: "Es fehlt ja nicht viel", weiß er.
Wird in Rio alles gut? Wird er auf der schattenfreien, windanfälligen Kunststrecke, deren langgezogener Anstieg ihm liegen könnte, am letzten Wettkampftag der Spiele (21. August) den Turbo zünden? "Einen Platz unter den ersten Acht bis Zehn traue ich mir zu", sagt er ungerührt. Schließlich könne eine schlechte Startposition kompensiert werden, da das Feld nur 50 Fahrer umfasst und nicht fast 100 wie im Weltcup. Und es muss ihn nicht immer das Pech verfolgen wie bei seinen Olympia-Auftritten in Peking (16.) und London (32.). 2008 verbaute ihm ein Platten eine einstellige Platzierung, vier Jahre später brach ihm erst der Bremshebel, es folgten ein Sturz und noch mal zwei Platten. Und das bei einem Fahrer, der nur einen einzigen Reifendefekt in den letzten drei Weltcup-Jahren erlitt.
Wie gesagt: Milatz hat bei Olympia noch was zu erledigen.
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