Der Kampf um junge Leser

Große Verlage wollen im Internet mit neuen Angeboten jüngere Leser anlocken – doch ihre Art kommt nicht überall gut an.  

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Sind Bento, Ze.tt und Buzzfeed die Zukunft der Medien?  | Foto: Michael Bamberger
Sind Bento, Ze.tt und Buzzfeed die Zukunft der Medien? Foto: Michael Bamberger

Der Kampf um die jungen Leser im Internet hat begonnen. Seit Oktober gibt es die Spiegel-Online-Tochter Bento, seit September Byou von Bild.de, seit Juli Ze.tt von Zeit Online. Auch der Konstanzer Südkurier hat ein Jugendportal mit dem Namen Himate ins Rennen geschickt. Schon vor einem Jahr hat das in den USA sehr erfolgreiche Medienunternehmen Buzzfeed seinen Deutschland-Ableger gestartet. Einigen Nutzern missfällt dieser Trend – doch für die Verlage ist es ein wichtiger Schritt.

Die neuen Angebote stehen im Kontrast zur Welt des alten Journalismus’ mit seinen harten News und anspruchsvollen Lesestücken. Die Themen der Jugendportale sind vergleichsweise bunt, voller Popkultur und Social-Media; mit Artikeln, die Überschriften tragen wie "Meine Katze und ich gehen an Halloween im Partnerlook" oder "26 Dinge, an die Du Dich nur erinnerst, wenn Du im Osten eingeschult wurdest". Dazwischen berichten die Portale aber auch über die Steuertricks des Kaffeekonzerns Starbucks oder die Medienzensur in der Türkei – also über ernste Themen. So erklärt Bento etwa, welche Auswirkungen Pegida auf Dresden hat, Ze.tt schreibt über Flüchtlinge, die aus Protest gegen ihre miserable Unterkunft im Freien schlafen, Buzzfeed prangert fremdenfeindliche Hasskommentare an.
"Das sind Nachrichten für dumme Menschen."
Medienmagazin DWDL.de
All das machen sie auf die für sie typische Art, heißt: Der Inhalt ist gerafft und klar strukturiert, ergänzt durch Fotos von Instagram, Videos von Facebook oder Meinungsstücke von Twitter. Nutzer können die Artikel schnell auf dem Handy überfliegen und Informationen – zum Beispiel in der Straßenbahn – leicht nebenher konsumieren. Und genau das ist wichtig.

In Kanada hat Microsoft mit einer Studie untersucht, inwiefern sich die Aufmerksamkeitsspanne durch das Leben mit PC, iPhone und Facebook verändert hat. Sie zeigt: Es fällt den Menschen zunehmend schwerer, sich auf bestimmte Dinge zu konzentrieren. Mit leicht verdaulichen Inhalten können Medien also punkten, mit sogenanntem "snackable content". Dazu gehört auch, dass nicht etwa Artikel über die am Dienstag beschlossene EU-Regelung zur Netzneutralität die sozialen Netzwerke beherrschen. Zu den erfolgreichsten der letzten Wochen gehört laut dem deutschen Ranglisten-Dienst "10 000 Flies" ein Beitrag über einen Fotografen, der auf seinen Bildern die Smartphones entfernt hat, um die Handysucht der Menschen zu belegen. Der Mehrwert solcher Artikel mag dem ein oder anderen gering erscheinen, auch Bento hatte darüber berichtet.

Der Start des Jugendportals wurde von viel Kritik begleitet. So schrieb etwa der 18-jährige Miguel Robitzky für das Medien-Magazin DWDL.de in einem Kommentar: "Das sind keine Nachrichten für junge Menschen. Das sind Nachrichten für dumme Menschen." Aber mal grundsätzlich: Nachrichten für eine bildungsschwächere Zielgruppe – wäre dieser Ansatz so verkehrt? Die "Arbeitsgemeinschaft Online Forschung" untersucht regelmäßig, wie viele Menschen die deutschen Medien im Internet prinzipiell erreichen können. Das Ergebnis ihrer aktuellen Studie: Die bildungsschwächste Gruppe ist die größte, spielt aber für die Nachrichtenseiten kaum eine Rolle. 40 Prozent der Internetgänger haben nur einen Haupt-, Volks- oder überhaupt keinen Schulabschluss. Diese Gruppe macht bei der Bento-Mutter Spiegel Online und der Ze.tt-Mutter Zeit Online aber nicht mal ein Fünftel der Nutzer aus. Bei ihnen dominieren Nutzer mit Fach- oder Hochschulreife, sie stellen mehr als die Hälfte der Leserschaft. Gesamt gesehen stellen die höher Gebildeten aber gerade einmal ein Drittel aller Internetnutzer.

In den USA hat Buzzfeed vorgemacht, wie man Leser auch ohne elitäre Ansprüche gewinnen kann. Das will Deutschland-Chefredakteurin Juliane Leopold auch hierzulande erreichen: "Wir sind in erster Linie eine Unterhaltungswebseite", sagte sie neulich in der Sendung "Was mit Medien" bei Deutschlandradio Wissen. "Wir hatten aber immer auch nachrichtliche Themen auf der Seite – und nicht nur auf witzige, sondern auf seriöse Art." Gerade in dieser Infotainment-Form liegt demnach eine Chance, neue Leser zu gewinnen.

Die Idee dahinter ist simpel: Es werden Nutzer angespült, die normalerweise keine Nachrichten-Seiten besuchen, vielleicht diejenigen, die als politikverdrossen gelten. Lesen sie nun aber das neuentdeckte Medium, konfrontiert dieses sie unweigerlich mit ernsteren Themen. Dann haben sie die Wahl: wegklicken oder bleiben. Die großen Verlage wie Spiegel Online und Zeit Online wollen über ihre Jugendportale gezielt neue, junge Leser gewinnen.

Dazu brauchen die Neuen auch eine neue Sprache. Und sie müssen anders sein als die Seiten ihrer Eltern.

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