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Literatur

Der Jugendroman "Herr Ostertag macht Geräusche"

Der Jugendroman "Herr Ostertag macht Geräusche" erzählt von etwas anderen Superhelden.  

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Es gibt Bücher, die erzählen nicht nur eine Geschichte, sondern öffnen einen ganzen Geschichtenkosmos. "Herr Ostertag macht Geräusche" ist so ein Buch. Aus dem, was dort auf nicht mal 140 Seiten an Ideen sprießt, züchten andere tausendseitige Romanzyklen – oder auch eine Comic-Heldenwelt à la X-Men. Denn in diesem Jugendroman geht es um einen hochintelligenten Jungen mit einer sehr speziellen Gabe: Julian kann exakt 9,54 Sekunden in der Zeit zurückspringen. Lange genug, um nie vom Skateboard zu fallen und Aufgaben in der Schule als Erster lösen zu können. Wer für jeden Fehlschlag fast zehn Sekunden hat, um ihn ungeschehen zu machen, und mit dem Wissen aus der Zukunft von vorn beginnen kann, kommt dem Rest der Menschheit, der das nicht mal mitbekommt, schnell wie ein Genie vor.

Der Erzähler Preben Kaas hat den Jungen aber nicht mit einer derartig fantastischen Fertigkeit ausgestattet, um feinfühlig ein Drama des hochbegabten Kindes auszuwalzen. Die Konfliktlage erinnert eher ans Marvel-Universum: Es gibt die Guten, die Julian wie Professor X nahelegen möchten, seine Gabe zum Wohl der Menschheit einzusetzen, und es gibt die Zwielichtigen, die wie Magneto einen zweifelhaften Nutzen aus seinen Kräften ziehen möchten. Es gibt eine Vorgeschichte, die in den Zweiten Weltkrieg zurückreicht, andere Zeitreisebegabte und Herrn Ostertag, Julians Vater, eine Art Clark Kent, der aber keine Telefonzelle braucht, um sich in einen Superhelden zu verwandeln, sondern einfach seine blauschimmernde Brille abnimmt.

Schneller, als man Tiflis sagen kann

Das Verführerische an dem Buch ist aber vor allem, wie leichthändig diese fantasy-artige Konstellation mit dem Normalweltlichen verknüpft ist, und wie elegant der Autor Stimmungen, Personen und deren Beziehung zueinander mit sparsamsten sprachlichen Mitteln auf den Punkt bringen kann. Diese Punktgenauigkeit erlaubt ein skizzenhaftes Hintupfen von Szenerien, die der Story ein Tempo verleihen, dass man "schneller, als man Tiflis sagen kann" schon am nächsten Ort des Geschehens ist.

Dieses Buch hat einen Drive, einen Sound und eine untergründige sexualisierte Aufladung, dass es fast schon zu gut passt, dass der Autor Gitarrist in einer Band ist und als Barkeeper arbeitete, als er diesen Text bei einem Talentwettbewerb einreichte und gleich als "Goldener Pick" mit der Veröffentlichung als Buch belohnt wurde.

Und apropos Autor: Wenn man nach diesem ominösen Preben Kaas sucht, stößt man auf den dauerbetrunkenen Dynamit-Harry von der Olsenbande, dem dänischen Filmklassiker, der vor allem in der ehemaligen DDR Kultstatus genoss. Der federführende Dresdner Andreas Schulze (Jahrgang 1972) hält sich lieber diskret im Hintergrund. Aus dieser Diskretion heraus hat er etwas geschaffen, das nicht auf eine bestimmte Altersklasse zielt, sondern einfach ein tolles Buch ist. Der beeindruckendste Pick 2013.

–  Preben Kaas: Herr Ostertag macht Geräusche. Chicken House im Carlsen Verlag, Hamburg 2013. 136 Seiten, 9,99 Euro. Ab 14.

Ressort: Literatur

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