Kanada/USA
Den Orcas droht der schleichende Tod
Eine Schwertwal-Population an der amerikanisch-kanadischen Westküste ist in akuter Gefahr. Ihre Nahrungsquelle versiegt und die Lärmbelastung steigt stetig.
Fr, 27. Jul 2018, 20:30 Uhr
Panorama
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Lange Zeit waren Orcas als Killerwale verschrien – der Film "Free Willy" änderte ihr Image grundlegend. Seither gelten die schwarz-weißen Meeressäuger aus der Familie der Delfine als anmutige Tiere, mit Whale-Watching-Touren, bei denen man nahe an sie herankommt, wird eine Menge Geld verdient. Gerade auch an der amerikanischen und kanadischen Westküste. Doch wie lange noch? Denn die Schwertwale werden immer seltener – und ihr Überleben ist ungewiss.
Ein Grund für den Rückgang ist, dass ihre Hauptnahrungsquelle, der Königslachs, immer seltener wird. Dieser ist eine sehr fettreiche Lachsart, die den Fluss Tazer hinaufschwimmt, der vor der Küste Seattles ins Meer mündet. Hier greifen die Schwertwale normalerweise ihre Beute ab. Doch seit Jahrzehnten nimmt die Zahl der Lachse im Pazifischen Nordwesten ab. Überfischung, Staudämme, das Abholzen von Küstenwäldern und nicht zuletzt der Klimawandel lassen den Bestand sinken.
Der Meeresbiologe und Polarforscher Boris Culik sagt: "Die Schwertwalpopulation vor Seattle hat mit verschiedenen Problemen zu kämpfen, etwa der Umweltverschmutzung, aber auch dem immensen Stress durch zu viel Whale-Watching-Touren für Touristen. Und natürlich Überfischung. Dass diese Population abnimmt, ist seit Jahren bekannt."
Doch aktuell sieht es wirklich schlecht aus für die Meeressäuger, denn es kommt ein weiteres gewaltiges Problem für sie hinzu. Erst vor Kurzem verständigte sich die kanadische Regierung mit dem texanischen Erdöl-Unternehmen Kinder Morgan darauf, die sogenannte Trans Mountain Pipeline auszuweiten, die Öl aus der kanadischen Provinz Alberta an die Westküste bringt, von wo aus der wichtige Rohstoff dann auf Öltanker verladen wird.
Durch die Pläne wird sich der Tankerverkehr vervielfachen – mit entsprechenden Konsequenzen für die sensiblen Meeresbewohner. Der Lärm wird ansteigen und es den Orcas erschweren, ihr Biosonarsystem anzuwenden. Ihre ausgesandten Klicklaute und Rufe, die den Meeressäugern viel über den Ort und die Größe der Beute verraten, werden zwar zurückgeworfen, aber schlechter gehört. Auch die Kommunikation der Orcas untereinander wird dadurch beeinträchtigt. Dies verringert den Jagderfolg der als Gruppe jagenden Tiere.
Junge Schwertwale lernen, was und wie sie jagen sollen, von älteren Familienmitgliedern. Hören sie diese nicht mehr, droht das überlieferte Wissen zu verkümmern. Schwertwale spezialisieren sich häufig auf bestimmte Beutetiere und passen ihre Jagdmethoden entsprechend an. Doch diese Spezialisierung kann – wie im Fall der Southern Resident Orcas – auch schnell in eine lebensgefährliche Abhängigkeit umschlagen. Weil in ihrem Fall der Königslachs fehlt, hungern die Tiere. Das wiederum führt dazu, dass der Körper der Wale an seine Fettreserven geht und dabei Toxine, die im Tran der Wale gespeichert sind, verstoffwechselt. Das Immunsystem wird dadurch geschwächt, die Wale werden anfälliger für Krankheiten. Das Zeugen von Nachkommen wird schwerer. Kommt dann noch Stress durch einen zunehmenden Schiffsverkehr hinzu, wird es für die Tiere immer schwerer, zu überleben.
Trotz der Proteste von Umweltschützern soll der Bau der Pipeline im August beginnen. Droht damit das Ende der Southern Residents? Colleen Weiler von der Walschutzorganisation WDC sagt: "Es ist nicht das erste Mal, das diese Walpopulation ums Überleben kämpft. Die Nähe zur Küste machte sie schon früh zum Ziel für Lebendfänge in den 60er- und 70er-Jahren, als die wachsende Freizeitpark-Industrie die Tiere als Publikumsmagneten entdeckte." Parks wie Sea World kauften Walfängern junge Orcas ab. 47 Tiere der Southern Residents starben dabei oder wurden gefangengenommen – rund 40 Prozent des Bestandes ging verloren. Obwohl die Jagden dort 1977 aufhörten, kämpfen die Orcas bis heute mit den Folgen: Durch die extreme Bejagung wurde der Bestand der Orcas und damit der Genpool enorm verkleinert. In den letzten drei Jahrzehnten haben nur zwei Rüden die Hälfte der Walkälber gezeugt.
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