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"Das sieht ganz nett aus, ist aber anstrengend"

SERIE "WAS TUN IM AUSLAND" (TEIL 1): Als Au-pair-Mädchen gelangt JuZ-Autorin Vera Sophie ziemlich schnell von "Sex in the City" zu "Desperate Housewives".  

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Auf einmal geht alles ganz schnell. Und da steh’ ich nun, nach wochenlangem Papierkrieg, gerade noch mit der Schultüte in der Hand, mit zwei schweren Koffern und einem schweren Herzen vor Gate acht des Frankfurter Flughafens. "Ich geh’ als Au-pair für ein Jahr nach Amerika", habe ich mich selbst in den letzten Monaten unzählige Male sagen hören und eigentlich fand ich immer, klang das ziemlich gut. Einmal selbst Mary Poppins sein. Amerika. Ein Jahr.

Hübsche Hochglanzpapiermädchen mit zuckersüßen Kindern auf dem Arm hatten mich letztendlich überzeugt. Jetzt stehe ich da und finde, es klingt schrecklich. Ein Jahr? Das ist viel zu lang. Und ausgerechnet Amerika?

Vielleicht stimmt es ja, was man sich über die Amerikaner so alles erzählt. Und wer glaubt schon noch an Mary Poppins? Nach zwei Monaten Abiparty-Exzess, Tagen voller "Sex and the City"-Serienbedröhnung, unzähligen Nächten, die wir uns um die Ohren geschlagen haben, ausschlafen bis in die Puppen und überall sein, nur nicht zu Hause, fällt mir der Abschied besonders schwer.

Kaum in Amerika angekommen, werde ich schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und mit der pädagogischen Tristesse der Amerikaner bekannt gemacht. Ich muss feststellen, dass zumindest einige der Amerikaner, die ich treffe, was Kindererziehung angeht, etwa die Ahnung einer vertrockneten Haselnuss haben.

Das zeigt sich schon beim ersten Stopp an der Au-pair-Schule am Rande von New York. Hier durchlaufen die knapp 2000 Au-pairs, die "EF cultural care" pro Jahr nach Amerika vermittelt ein fünftägiges Trainingsprogramm. Das Ganze erinnert an ein Mädchencamp und was die Themen angeht, dient es mehr dem Amüsement denn der "Ausbildung". So müssen wir, die wir alle mindestens 200 Stunden Kinderbetreuungserfahrung nachweisen mussten, unterschreiben, dass wir gelernt haben, dass man ein schreiendes Baby nicht schüttelt.

In der Familie angekommen, bestätigt sich mein erster Eindruck eher, als dass er sich verflüchtigt. Kinder scheinen hier was von wandelnden und überbehüteten Prestigeobjekten zu haben, gegen alles allergisch und ständig im Visier lebensbedrohlicher Keime, die an jeder Ecke lauern. Wenn sie schreien gibt es Medizin, denn im Land der unbegrenzten Möglichkeiten scheint man sogar gegen das Trotzigsein Medizin zu verabreichen.

Man gewöhnt sich ja bekanntlich an alles, aber daran wohl kaum. Schwer zu akzeptieren ist auch die Tatsache, für eine Frau arbeiten zu müssen, deren harte Arbeit darin besteht, den ganzen Tag Freunde zu treffen und shoppen zu gehen. Und als ich mich mit meinen 20 Jahren und einem Baby umgebunden dabei erwische, wie ich mit anderen Müttern vor dem Kühlregal übers Zähnekriegen philosophiere, gibt mir das zu denken.

Nach den ersten Wochen harter Arbeit sitzen wir Au-pair-Girls bei Starbucks, zählen unsere neuen Fettröllchen, beklagen unser müdes Aussehen und jammern über unsere Arbeitszeiten. Wir haben es geschafft: Die Metamorphose vom "Sex and the City"-Mitglied zur "Desperate Housewife" ist schnell durchlaufen.

Ja, Ersatzmami-Sein ist ein bisschen wie ein Überraschungsei: Das sieht alles ganz nett aus, hat durchaus auch seine süßen Seiten, aber drinnen steckte einfach erstmal ’ne ganze Menge Arbeit. Die verdoppelt sich, wenn man es mit Kindern zu tun hat, die noch nie ein "nein" gehört haben und lieber mit Kreditkarten spielen, als ihren Teller aufzuessen.

Aber der Versuch, sich mit der Bestätigung einiger "Ami-Klischees" zu amüsieren, scheitert. Keiner fragt, ob ich mit dem Auto nach Amerika gekommen sei und ob wir in Deutschland die Elektrizität kennen. Nix da mit übergewichtigen, patriotischen Amerikanern, deren IQ nicht über die eigenen Landesgrenzen hinausreicht. Die Straßen wimmeln von durchtrainierten Frauen, die ihre Kinder vor sich herjoggen. Da bin ich wohl mit Massachusetts im "falschen" Teil von Amerika gelandet.

Und es braucht offenbar alles ein wenig Zeit, Mut und Geduld: Eindrücke sammeln, Freunde finden und mit der Gastfamilie auf einen Nenner kommen. Das passiert. Denn auch die verwöhnteste Prinzessin wächst einem irgendwann ans Herz. Und das tröstet dann auch über einen langen Zehn-Stunden-Tag hinweg. Aber wie heißt es so schön? Aller Anfang ist schwer. Und das ist wahr.

Ressort: Zisch

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