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Das Gewächshaus in der Wohnung

Gemüse und Salat selbst ziehen in kühlschrankgroßen Behältern – das soll mit LED-Beleuchtung möglich werden.  

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Die Beleuchtung der Gewächshäuser lässt sich per Smartphone steuern.  | Foto: dpa
Die Beleuchtung der Gewächshäuser lässt sich per Smartphone steuern. Foto: dpa

MÜNCHEN. Der leckerste Salat kommt aus dem Labor: Mit moderner LED-Technik lassen sich Geschmack, Frische und Größe präzise steuern. Für die Lichtindustrie ist ein Milliardenmarkt nahe. Vor allem auf eine Pflanze setzen die Hersteller große Hoffnungen.

Blick in eine nicht allzu ferne Zukunft: In riesigen Gewächshäusern wachsen auf mehreren Ebenen Tomaten, Erdbeeren und Salat über langen Reihen von medizinischen Cannabis-Pflanzen. Die Wurzeln stecken nicht in der Erde, sondern in wiederverwendbaren Kunststoffmatten. Sensoren überwachen den Wachstumsprozess. Nicht verbrauchtes Wasser wird gesammelt und wieder verwendet, ebenso der Dünger. Kein Sonnenstrahl dringt in die Räume. Die werden stattdessen von Millionen LED-Leuchten erhellt.

In kleinerem Maßstab sind solche Formen des Obst- und Pflanzenanbaus schon heute Realität. Beim sogenannten Vertical Farming wachsen die Pflanzen auf mehreren Ebenen mit speziell angepasster Beleuchtung. So lässt sich platzsparend und energieeffizient der Ertrag steigern – bei garantierter Frische bis zum Teller. Die alles entscheidende Rolle spielt dabei das Licht. Das hat auch die Industrie verstanden. Es lockt ein Milliardenmarkt.

"Wir stehen da noch ziemlich am Anfang der Entwicklungskurve", sagt Timo Bongartz, Leiter des Bereichs Smart Farming beim Licht-Riesen Osram in München. Inklusive Zukäufe befassen sich für den Konzern inzwischen bis zu 200 Mitarbeiter mit dem Thema.

Die Analysten des Marktforschungsunternehmens Navigant rechnen damit, dass der Markt für Anwendungen von LED-Leuchten in der Landwirtschaft in den kommenden Jahren von derzeit rund 800 Millionen auf rund 3,7 Milliarden Dollar im Jahr 2027 ansteigen wird. Spätestens 2020 wird er auch aus Sicht anderer Marktanalysten die Milliarden-Dollar-Marke geknackt haben.

Denn das Potenzial von Leuchtdioden in Landwirtschaft und Gartenbau ist riesig. Über verschiedene Lichtspektren können sie den Wachstumsprozess von Pflanzen verlangsamen oder beschleunigen, den Geschmack und die Größe der Früchte steuern – ohne Gentechnik, ohne Chemie.

Bongartz spricht von "Lichtrezepten", die von Pflanze zu Pflanze unterschiedlich ausfallen – je nachdem was gewünscht ist. Mit klassischen Gewächshäusern, in denen das Gemüse am Boden steht und von weit oben mit großen, energieintensiven Strahlern angeleuchtet wird, hat das nicht mehr viel zu tun. Vertikale Farmen erinnern mehr an einen Science-Fiction-Film. Damit sie eines Tages Alltag werden, ist die Industrie angewiesen auf Menschen wie Max Lössl.

"Wenn man die Anwendung von LEDs beim Vertical Farming mit der Entwicklung der Computertechnologie vergleicht, dann befinden wir uns derzeit wohl etwa in den 1970er Jahren", sagt der 29-Jährige, der gemeinsam mit seinem Freund Philipp Wagner vor fünf Jahren die Firma Agrilution in München gegründet hat. Sie und ihre derzeit 24 Mitarbeiter entwickeln und produzieren Vertikale Farmen für die eigene Küche. Wie kleine Kühlschränke sehen ihre Gewächshäuser aus – und in etwa so viel Strom verbrauchen sie auch. Auf zwei Ebenen können die Kunden in der eigenen Wohnung Salat, Tomaten oder Petersilie anbauen und ernten. Die LED-Leuchten in den Schränken stammen von Osram, der Konzern ist an dem Start-up beteiligt. Was die beiden Gründer im Kleinen ausprobieren, soll dabei helfen, die Technik auch im großen Maßstab anzuwenden.

Deshalb sammeln Wagner und Lössl so viele Daten wie möglich. Welches Licht welchen Geschmack erzeugt, welche Spektren dafür sorgen, wie schnell eine Pflanze wächst, wann sie reif ist, wie groß oder klein ihre Früchte sind – all das ist Gegenstand ihrer Forschung. "Das Problem sind derzeit noch die Kosten", sagt Lössl. Zwar hat sich die Effizienz von LED-Leuchten in den vergangenen Jahren erheblich verbessert, die Preise seien gesunken. Aber damit sich das Gewächshaus in der eigenen Wohnung im großen Stil lohnt, müssen sie noch günstiger und energieeffizienter werden.

Die Lichtindustrie schielt dabei weniger auf den europäischen als auf den weltweiten Markt, insbesondere auf den in den USA. Denn hier legalisieren immer mehr Bundesstaaten Cannabis sowohl zu medizinischen als auch zu rekreativen Zwecken.

"Die Cannabis-Blüte hat extrem viele Inhaltsstoffe, die durch Licht beeinflusst werden können", sagt Bongartz, der Innovationsbeauftragte von Osram. "Im Zusammenspiel mit anderen Umweltfaktoren wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Kohlenstoffdioxid können wir das Pflanzenwachstum ideal steuern." Viele Hobbygärtner dürften auf diesem Gebiet bereits Erfahrung gesammelt haben. Auch in Europa wird die Pflanze für medizinische Zwecke verwendet, die Legalisierung ist ein breit diskutiertes Thema. Für die Industrie sind das vielversprechende Aussichten.

Ressort: Wirtschaft

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Mo, 24. September 2018: PDF-Version herunterladen

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