Menschenrechte
China baut Ski-Resorts in Xinjiang und Tibet: Wintersport für die Unterdrückten?
Ausgerechnet in Xinjiang und Tibet, wo China die Menschenrechte von Minderheiten verletzt, entstehen jetzt viele neue Ski-Resorts. Kritiker sehen darin ein reines Ablenkungsmanöver.
Do, 10. Feb 2022, 18:10 Uhr
Olympische Spiele
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"Es gibt nichts zu verstecken", verkündete Tsering Dradul vergangenen September in chinesischen Zeitungen. "Mein Ziel sind die Spiele von Peking 2022." Der 18-jährige Skilangläufer stand vor einer riesigen Chance, die sich durch die Pandemie zwar nicht gerade verbessert hatte. "Aber ich halte mich fit und arbeite jeden Tag daran." Schließlich konnte er zum ersten Athleten aus Tibet werden, der sich für Olympische Winterspiele qualifiziert. Die Aufmerksamkeit der chinesischen Presse war ihm sicher.
Ende Januar war die Sensation geschafft. Wobei sich der Teenager seinen historischen Status jetzt teilen muss. Auch die Snowboarderin Yangjin Lhamo hat sich für Olympia qualifiziert. "Ich freue mich sehr", sagte das auch 18-jährige Multitalent, das sich einige Jahre zuvor noch auf Fußball konzentriert hatte, vergangene Woche zu China Radio International. "Ich werde mich gut vorbereiten und im Wettbewerb mein Bestes geben, um Ruhm für mein Land zu erlangen."
Wobei sich in der Gegend, in der die zwei Nachwuchsathleten aufgewachsen sind, die Frage aufdrängt: Für welches Land eigentlich? Im westchinesischen Tibet, einem riesigen Gebiet mit mehr als sechs Millionen tibetischen Einwohnern, würden sich vermutlich nicht wenige Menschen mehr Freiheiten von Peking wünschen, vielleicht gar ein eigenes Land. Umfragen, wie viele Tibetanerinnen und Tibetaner die Unabhängigkeit wollen, sind aus China kaum zu erhalten.
Tsering Dradul und Yangjin Lhamo aber sollen diese Tage für ein Tibet stehen, das froh ist, zu China zu gehören. Tatsächlich haben sie ihre Olympiateilnahme der Regierung in Peking zu verdanken. Über Jahre hat die kräftig in die Infrastruktur investiert. Chinesische Medien berichten nicht nur von einer neuen Generation von Wintersportlern, die hier herangewachsen sei, sondern auch von ausgezeichneten Verkäufen der Olympia-Merchandiseartikel, die in der regionalen Hauptstadt Lhasa erhältlich sind.
Und so ein Olympia-Boom soll nicht nur Tibet erfasst haben. "Mit ihren bergigen Landschaften und langen Schneesaisons", schrieb die Nachrichtenagentur Xinhua im Herbst, "zeigen die zwei autonomen Regionen im Westen Chinas Potenziale als Hubs für den Wintersport." Neben Tibet wurde hier die nordwestchinesische, muslimisch geprägte Region Xinjiang beschrieben. Weltweit in die Schlagzeilen geriet die Gegend in den vergangenen Jahren, weil dort mehr als eine Million Menschen in so genannte Umerziehungslager gebracht worden sind. Die US-Regierung wirft Chinas Regierung dort einen Genozid vor, also einen Völkermord. In Peking wird dies dementiert.
"Xinjang ist eines der besten Skigebiete der Welt!", schwärmt dagegen der tibetische Skilangläufer Tsering Dradul, der auch schon in Norwegen trainiert hat. Und seit in Xinjiang neue Sportanlagen gebaut worden sind, berichten chinesische Medien immerzu von den Fortschritten, die in der ansonsten in vielerlei Hinsicht benachteiligten Gegend festzustellen sind. Der Ansturm uigurischer Jugendlicher auf den Wintersport soll jedenfalls groß sein. Gehören Tibet und Xinjiang also irgendwie auch zu den Gewinnern von Olympia? "Kein Stück", sagt Zumretay Arkin vom in München ansässigen Weltkongress der Uiguren, der sich für die Rechte uigurischer Menschen einsetzt und von einem von China unabhängigen Staat träumt. "Es ist völlig klar, dass all diese Projekte der chinesischen Regierung unternommen werden, um von der Unterdrückung der Uiguren abzulenken", so Arkin. "Ich glaube nicht, dass die Menschen davon besonders profitieren werden." Schließlich habe Chinas Regierung auch schon einige der besten uigurischen Sportler in Arbeitslager gebracht.
Ein Beispiel ist der Profifußballer Erfan Hezim. Ähnlich ablehnend gegenüber den Pekinger Spielen ist die Tibet Initiative Deutschland eingestellt. Einen Boykott der Spiele hat auch sie schon vor Jahren gefordert. Sie verweist auf 2008, als Peking die Olympischen Sommerspiele veranstaltete und weite Teile der Welt auch in diesem Zug auf eine Liberalisierung des Landes hofften: "Was auf 2008 folgte, waren über 155 Selbstverbrennungen sowie die rasante Entwicklung Tibets in einen dystopischen Überwachungs- und Polizeistaat."
In der Überwachung ihrer Bevölkerung sieht die Regierung generell kaum Probleme. Kompensiert werden sollen die Maßnahmen unter anderem mit moderner Infrastruktur, die laut Darstellung der Olympiaorganisatoren schließlich allen helfen werde. Wobei Chinas Regierung eine Sache bis jetzt nicht erklärt hat: Wem es nützt, diese Spiele mit Kunstschnee in der Region Peking zu veranstalten, wenn die besten Skigebiete und so viele wintersportbegeisterte Menschen doch in Xinjiang und Tibet zu finden sind.
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