Bundesgerichtshof
BGH-Streit zwischen Nachbarn: Wie viel Musik ist zumutbar?
Vor dem BGH streiten sich ein Musiker und seine Nachbarn über die Lautstärke beim Trompetenspiel. Das Urteil soll Ende Oktober gefällt werden, hier ein Überblick über die Rechtslage.
dpa
Sa, 29. Sep 2018, 14:34 Uhr
Panorama
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Was ist passiert?
Der Mann ist Berufsmusiker und probt zu Hause. Zwei Stunden in der Woche kommen außerdem Schüler zum Unterricht. Die Nachbarn im Reihenhaus eine Tür weiter stört das Trompetenspiel, vor allem wenn Tonleitern geübt werden. Radiohören und Fernsehen sei in normaler Lautstärke nicht mehr möglich. Weil sich der Streit nicht schlichten ließ, verklagten die Nachbarn den Musiker.
Wie viel Hausmusik ist erlaubt?
Jeder darf in seinen eigenen vier Wänden Musik machen. Musizieren ist für deutsche Gerichte "Bestandteil eines sozial üblichen Verhaltens" und gehört zur grundgesetzlich geschützten Entfaltung der Persönlichkeit. Weil sich kaum ein Instrument in Zimmerlautstärke spielen lässt, müssen allerdings die Ruhezeiten eingehalten werden. In vielen Bundesländern gilt die Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr, so auch in Baden-Württemberg. Ruhezeiten stehen oft auch in der Hausordnung oder im Mietvertrag. Dort kann außerdem festgelegt sein, wie lange am Tag höchstens Musik gespielt werden darf.
Wie sehr darf das Musizieren
eingeschränkt werden?
Der BGH hat 1998 entschieden, dass eine Ruhezeit von 20 bis 8 Uhr und von 12 bis 14 Uhr "ausreichend Freiräume zum Musizieren" lässt. Maßgebend seien aber die "tatsächlichen Gegebenheiten": Die Bewohner einer Seniorenwohnanlage brauchen in der Regel mehr Ruhe als das junge Paar in seiner Eigentumswohnung. Es kommt darauf an, wie hellhörig das Gebäude und wie laut die Umgebung ist sowie welche Art von Musik gespielt wird. Auch wenn es – wie im verhandelten Fall im eigenen Reihenhaus – keine Vorgaben gibt: "Es gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme", sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. "Das Recht, Musik zu spielen, muss so schonend wie möglich ausgeübt werden."
Was bedeutet das?
Zwei bis drei Stunden Musik am Tag sind Nachbarn normalerweise zuzumuten. Gerichte haben einzelnen Spielern aber auch schon strengere Auflagen gemacht, zum Beispiel maximal eineinhalb Stunden für ein Akkordeon. Beschränkungen der Lautstärke durch die Hausordnung darf es laut BGH nur bei "nicht mehr hinnehmbaren Störungen" wie Schlagzeug-Übungen oder Band-Proben geben. Der Konzertpianist genießt gegenüber dem Anfänger keine Privilegien – auf die Qualität der Musik kommt es nicht an. Einzelne Profis haben vor Gericht allerdings schon sehr lange Spielzeiten durchgesetzt.
Was passiert, wenn es
ernsthaft zum Streit kommt?
Lässt der Nachbar nicht mit sich reden, müssen Mieter den Vermieter einschalten. Ein Musiker, der es trotzdem weiter übertreibt, riskiert eine Abmahnung. Wird ein Mieter ständig durch Musik gestört, ist das ein Grund, die Miete zu mindern – der Musiker muss dann damit rechnen, dass der Vermieter Schadenersatz fordert. Zerstrittenen Haus- und Wohnungseigentümern helfen Schlichter oder Mediatoren dabei, eine für alle akzeptable Lösung zu finden. "Wir können nur raten, das außergerichtlich zu klären", sagt Julia Wagner, Referentin für Recht beim Eigentümerverband Haus und Grund Deutschland. Wenn ein Gericht entscheide, habe immer einer das Nachsehen – manchmal sogar beide.
Wie liegen die Dinge im
Augsburger Trompeten-Streit?
Das Landgericht hat dem Musiker nach einem Ortstermin Auflagen gemacht. Er darf nur noch in einem Übungsraum unterm Dach spielen und nicht mehr als zehn Stunden unter der Woche. "Das scheint uns deutlich zu streng zu sein", sagte die Vorsitzende Richterin Christina Stresemann in der Verhandlung in Karlsruhe. Denn auch Proben am Wochenende erlaubte das Landgericht ihm nur vor schwierigen Konzerten. Und Schüler darf er daheim nicht mehr unterrichten. Den Nachbarn reicht das alles noch immer nicht. Der Trompeter hingegen will sich nicht "in den Dachboden sperren" lassen. Jetzt hat der BGH das letzte Wort. Das Urteil soll am 26. Oktober verkündet werden.
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