125 Jahre Skilauf im Schwarzwald
Bernauer Skifabrikant war mit der Marke "Feldberg" ein Pionier
Es ist ein Stück Heimatgeschichte: Einst fuhr der halbe Schwarzwald mit Ski der Marke "Feldberg". Nach historischen Patentdokumenten war der Bernauer Ski-Köpfer einer der ersten Skifabrikanten Mitteleuropas.
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Als er bei den Nachbarn nachfragte, sagten die nur: Der hatte etwas Besonderes. Was, sagten sie nicht – vielleicht, weil sie Schwarzwälder waren und nicht viel Worte um die Dinge machten; vielleicht aber auch, weil der Großvater selbst kein besonderes Aufheben um seine Arbeit gemacht hatte.
Eine Arbeit, von der sich der 1957 geborene Walter Strohmeier, der seinen Großvater gar nicht mehr persönlich kennen gelernt hat, anfangs gar keine rechte Vorstellung machen konnte. Denn Skier – das waren für ihn die Kunststoffdinger, auf denen er mit den anderen Jungen die Hänge hinter dem Dorf hinabsauste. Das offizielle Thema seines Vortrags, dass er am Freitag im Haus der Natur auf dem Feldberg hielt, hieß: "Von den Anfängen des Skilaufs im Schwarzwald".
In zweieinhalb Stunden erfuhr das skibegeisterte Publikum, dass Walter Strohmeier das wenige, was er in Bernau von seinem Großvater hörte, so unbefriedigend fand, dass er mit eigenen Nachforschungen begann. Er wälzte alte Geschäftsunterlagen, suchte nach Zeitungsausschnitten und Weggefährten. Dass einst der halbe Schwarzwald mit Großvaters Ski die Hänge hinuntergefahren war und er einer der ersten Skifabrikanten Mitteleuropas war – das glaubte der Enkel erst, als er vom Deutschen Patentamt die Kopien der historischen Patentdokumente seines Großvaters erhalten hatte.
Das Markenzeichen für die Holzski der Marke Feldberg von 1906, das zwei Jahre später eingetragene Patent für "Köpfer’s lenkbare Achsenbindung". Sein Urgroßvater hatte in Bernau eine Tischlerwerkstatt, die er 1892 mit seinem Sohn als "Skier- und Holzwarenfabrik Karl Köpfer Söhne" im Handelsregister eintragen ließ.
Denn als der Großvater die Initialzündung für die Skifertigung bekam, war er noch ein Schuljunge: An einem Wintermorgen im Jahr 1888 träumte – so erzählt es jedenfalls der Enkel – der Schüler Ernst Köpfer in der Bernauer Dorfschule vor sich hin. Plötzlich sieht er einen Mann auf zwei Holzlatten unter dem Fenster vorbeigleiten.
Der war, wie sich herausstellte, Norweger; ein Winterurlauber. Der junge Ernst lief ihm nach, fand die Bretter und zeichnete sie – so gut er konnte – ab. Mit der Zeichnung lief er zum Vater und überredete ihn, die Holzlatten nachzubauen, die sich, "norwegische Schneeschuhe" nannten.
Der Beginn des Hypes um die Ski wird heute auf 1891 datiert, das Jahr, in dem Dr. Pilet mit norwegischen Schneeschuhen den Feldberg bestieg. Das wurde im Rückblick als Geburtsstunde des Skilaufs in Mitteleuropa bezeichnet – eine nachträgliche Legendenbildung in der Zeit, in der man auch im Schwarzwald begann, sich Gedanken um so etwas wie "Image" zu machen.
Ernst Köpfer beendete zunächst die Schule und begann, in der Werkstatt seines Vaters Ski zu schreinern. Ski, die er selbst ausgiebig testete; er wurde zu einem leidenschaftlichen Skifahrer und Skilehrer für die Bernauer, die nach und nach auch den praktischen Nutzen der Skier als Fortbewegungsmittel im Alltag entdeckten. Denn die Winter seien damals, so der Enkel, "ein Tiefschneetraum aus einer Zeit vor dem Klimawandel gewesen."
Ein Traum, der das Leben einsam und beschwerlich machte. Straßen und Wege waren im Winter oft unpassierbar, die Höfe von der Außenwelt abgeschnitten. Da erschienen die "Schneeschuhe" wie eine Verheißung. Die Dorfschule kaufte bei Köpfer und verlieh die Ski an die Bauernkinder, damit sie den Umgang mit diesem neuen Fortbewegungsmittel lernten.
Der Landarzt schaffte sich ein Paar an, die Hebamme, der Briefträger, der Förster, die Holzfäller und die Gendarmerie. Dann entdecken die Städter den Winterurlaub im Schwarzwald und die Winterurlauber das Skifahren. 1908 baut der Schneckenhofwirt aus dem Weiler Schollach den ersten Skilift. Ernst Köpfer erhält mehr und mehr Aufträge.
1910 überzeugt ihn der Spitalsarzt Ernst Baader, ein Vereinskollege aus St. Blasien, sich als "Skifabrikant" auf der Wintersportausstellung in Triberg zu präsentieren. Danach sei das "Geschäft so richtig angelaufen". Sportler gewinnen auf "Feldberg"-Skiern Meisterschaften, Filmstars zeigen sich mit ihnen auf der Piste. 10.000 Paar fertigt Ernst Köpfer bis zu seinem Lebensende, eine Zeitung preist ihn als den "Skivater".
Dass der Enkel nun so viel Energie investiert, dem Großvater den Nachruhm zu verschaffen, ha t weniger mit Eitelkeit als mit einer Sorge zu tun. Bernau und die anderen Bergdörfer bluten aus, die Jungen verlassen den Schwarzwald in Richtung Stadt. "Ich wollte etwas finden, dass die Bernauer stolz macht", sagt Strohmeier. "Etwas, dass sie die Heimat neu entdecken lässt." Eine Heimat, zu der viele den Bezug verloren hätten – ein Verlust, wie er findet.
Die Verbundenheit, die einst die Dorfgemeinschaft geprägt habe, verschwinde. Sein Großvater habe kurz vor seinem Tod ein Lied dazu geschrieben. Ein Lied, das der Enkel nun "als so etwas wie ein Vermächtnis" begreift. Und das er, als die anderen Zuhörer schon gegangen sind, vorsingt: "Mein Leib in Heimaterde/mein Ski und Lied in Volksmund/so möcht’ ich, dass es werde/ nach meiner letzten Stund’."
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