Konsum
Beim Einkauf auch an andere denken
Einkaufen und gleichzeitig Gutes tun: Immer häufiger bieten die großen deutsche Handelsketten ihren Kunden die Möglichkeit dazu.
Erich Reimann (dpa)
Fr, 23. Mär 2018, 18:58 Uhr
Wirtschaft
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"Das Prinzip ist einfach: Für jedes verkaufte Produkt der Marke ,share‘ wird einem Menschen in Not mit einem gleichwertigen Produkt oder Service geholfen", beschreibt der Gründer des Start-ups Sebastian Stricker die Grundidee. Eine Flasche Wasser sichert einen Tag sauberes Trinkwasser durch den Bau oder die Reparatur von Brunnen. Ein Nussriegel ermöglicht die Verteilung einer Portion Essen in Deutschland oder in Ländern wie dem Senegal. Und eine Flasche Handseife finanziert eine Seife – oft in Verbindung mit Hygienetrainings an Schulen. Mithilfe eines Barcodes an jedem Artikel können die Käufer nachverfolgen, wohin ihre Hilfe geht.
Bei Deutschlands zweitgrößtem Lebensmittelhändler Rewe und auch bei der Drogeriemarktkette dm stieß Stricker mit seiner Idee einer "sozialen Konsumgütermarke" auf offene Ohren. "Mit jedem Kauf kann gleichzeitig einem Menschen in Not geholfen werden. Das finde ich großartig", sagt Rewe-Chef Lionel Souque. Rewe biete die Produkte deshalb seit Anfang der Woche in mehr 3000 Märkten an und platziert sie prominent in den Läden. Auch Deutschlands größte Drogeriemarktkette dm hat die Share-Produkte in ihr Sortiment aufgenommen. "Wir glauben, dass diese Produkte den Zeitgeist treffen. Vor allem junge Kunden konsumieren sehr bewusst und berücksichtigen bei ihrer Kaufentscheidung sehr genau, welche Werte ein Unternehmen vertritt", sagt dm-Geschäftsführer Sebastian Bayer.
Vergleichbare Projekte gibt es bislang vor allem im angelsächsischen Raum. Das bekannteste Beispiel ist wohl Toms, ein 2006 gegründetes kalifornisches Schuhunternehmen, das für jedes Paar verkaufter Schuhe ein paar Schuhe an bedürftige Kinder in der Dritten Welt verteilt – inzwischen sind das über 60 Millionen Paare. Vielleicht gewöhnungsbedürftig für deutsche Konsumenten: Sowohl Toms als auch "share" sind trotz des sozialen Engagements keine Non-Profit-Organsationen, sondern wollen durchaus Gewinn machen.
Dm-Geschäftsführer Bayer ist zuversichtlich, dass die Zeit auch in Deutschland reif ist für solche Produkte. Allerdings sei die Markteinführung wohl eher ein Dauerlauf als ein 100-Meter-Sprint. Ganz billig sind die Share-Produkte nämlich nicht. Die Flüssigseife kostet etwa drei Euro pro Flasche, der Nussriegel um die 1,50 Euro pro Stück und der halbe Liter Mineralwasser schlägt mit 50 oder 60 Cent zu Buche.
Eine hohe Produktqualität sei wichtig, verteidigt Stricker die Platzierung. Schließlich solle sich das Produkt auf Dauer am Markt bewähren. "Wir glauben, dass die meisten Leute gerne anderen helfen. Aber wenn wir sie als dauerhafte Kunden gewinnen wollen, müssen die Leute auch sicher sein, dass sie sich selbst mit dem Produkt etwas Gutes tun."
Wenn Share nur 0,15 Prozent des Mineralwassermarktes und ein Prozent des Snackriegelmarktes erobere, könne das Unternehmen jeden Tag einen Brunnen bauen und gut 100 000 Mahlzeiten verteilen, rechnet er vor. Der Share-Gründer kann sich sogar eine Ausweitung der Produktpalette vorstellen. "Wir würden sehr gerne auch noch das Bildungsthema aufgreifen: Man kauft sich einen Kuli und jemand anderes bekommt ein Schreibgerät geschenkt. Man kauft sich ein Heft und jemand anderes bekommt auch eins", sagt er.
Doch stehen Rewe und dm nicht allein da mit dem Versuch, Konsum und soziales Handeln zu verbinden. Lidl etwa lädt in diesem Monat alle Kunden ein, im Laden ein Teil mehr zu kaufen und für die lokalen Tafeln zu spenden. In allen 3200 Lidl-Filialen stehen dazu noch bis Ostern Spendenboxen im Kassenbereich bereit. An den Pfandautomaten des Discounters können die Kunden außerdem den Erlös für die zurückgebrachten Flaschen ganz oder teilweise für die Tafel Deutschland spenden. In den vergangenen zehn Jahren erbrachte dieser Einsatz über 14 Millionen Euro. Aldi Süd verkauft zurzeit bereits zum dritten Mal Mehrwegtaschen zugunsten der Manuel Neuer Kids Foundation.
"Soziales Engagement ist heute für Handelsketten von größerer Bedeutung als je zuvor. Sie müssen zeigen, was sie als Unternehmen Gutes tun für die Gesellschaft. Gerade die jüngeren Kunden, die Millennials, fragen danach", sagt der Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU zum Trend.
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