Leichtathletik
Anna und Lisa Hahner - die schnellsten Marathon-Zwillinge der Welt
Sie stammen aus Hessen, wohnen seit Jahren in Gengenbach - und träumen von Rio: Anna und Lisa Hahner wollen den olympischen Marathon in Angriff nehmen.
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So wollen sie auch bei den Olympischen Spielen im August in Rio de Janeiro starten. Ob es für die beiden in Brasilien tatsächlich Zeit ist zu rennen, wie ihr erstes Buch ("Time to run") heißt, wird sich noch zeigen müssen. Bis Ende April haben andere deutsche Athletinnen noch Zeit, schneller als die Zwillinge zu laufen und damit deren gemeinsamen Auftritt bei Olympia zu verhindern. Es ist dieses Horrorszenario, das den beiden und ihrem Manager Thomas Dold aus Steinach im Kinzigtal, der sich als weltbester Treppenläufer und Weltrekordler im Rückwärtslaufen einen Namen gemacht hat, zurzeit ein bisschen Angst einjagt.
Der Sport in Deutschland ist abseits von Fußball, Tennis und Boxen ja immer noch so aufgebaut, dass das Sein den Schein übertrifft – und damit vor allem die Leistung zählt. Die Hahner-Zwillinge, die aus Nüsttal in Nordhessen stammen und seit mehreren Jahren unter anderem wegen der guten Trainingsmöglichkeiten im Schwarzwald in Gengenbach wohnen, sind indes nicht nur Leistungssportlerinnen, die irgendwelchen Normen und Zeiten hinterherrennen und dafür oft 200 Kilometer pro Woche laufend zurücklegen. Nein, sie haben sich vielmehr zu einer eigenen Marke gemausert, ihr Manager vermarktet sie als "die schnellsten Marathon-Zwillinge der Welt".
Und bei einem Vortrag, den sie kürzlich in der Stadthalle Waldkirch und auf Einladung der dortigen Werbegemeinschaft hielten, bewiesen sie wieder einmal, dass sie sich selbst laufend vermarkten können. Sie tun, was sie neben dem Laufen am besten können: erzählen, Fragen beantworten, positive Energie ausstrahlen, sich selbst darstellen, ohne Selbstdarsteller zu sein – und immer lächeln.
Die Masche zieht, zumindest beim Publikum. "Wir teilen einen Marathon in acht Fünf-Kilometer-Schritte und das Finish von 2,195 Kilometer auf. Wir versuchen, die Fünf-Kilometer-Abschnitte zu visualisieren, denken dabei an bestimmte, schöne Dinge", sagt Anna Hahner, deren Bestzeit bei 2:26:44 Stunden steht. Und lächelt. Manchmal denke sie an die Computerspiel-Figur Super Mario, ahmt bei Marathons seine Laute nach, wenn sie glaubt, sie brauche mal wieder Zusatzenergie. Anna, die 16 Minuten älter ist als Lisa, outet sich als begeisterte Schokoladenesserin – und erklärt frisch: "Ich bin überzeugt, dass der Körper selbst am besten weiß, was er braucht." Die jüngere Lisa (Bestzeit: 2:28:39), mit 1,66 Meter zwei Zentimeter größer als ihre Schwester, sagt: "Ich esse nicht nur Schokolade" – und hat die Lacher auf ihrer Seite. Die beiden ergänzen sich inzwischen auch außerhalb der Laufstrecken. Beim computerunterstützten Vortrag in Waldkirch agieren sie charmant und fallen sich nur einmal ins Wort. Die Frage, ob es Dinge gebe, die sie nicht gemeinsam machen, wollen sie zeitgleich beantworten. "Ja, ich spiele Posaune und Lisa spielt Waldhorn", sagt Anna Hahner. Was sich aber auch nicht wirklich nach einem großen Unterschied anhört.
Die Hahners wissen mit ihrem Alleinstellungsmerkmal Zwilling zu spielen. Wofür zum Großteil Thomas Dold verantwortlich ist, der die beiden bewusst als Zwillinge vermarktet. Aus deren hessischer Heimat entstammte ein Treppenläufer, mit dem die zwei jungen Frauen, die erst mit 17 Jahren durch einen Vortrag des Sängers und Extremsportlers Joey Kelly zum Laufen kamen, manchmal trainierten. Dieser Läufer war damals der Konkurrent von Dold. Und so lernten sich der quirlige Treppen- und Rückwärtsläufer und die Zwillinge kennen. Dold ist ein Tausendsassa: Läufer, Manager, Motivator. Er erkannte schnell das Vermarktungspotenzial der Zwillinge. Nun sind die Hahners nicht nur die Covergirls für Laufveranstaltungen, sondern sie etablierten sich auch als Werbeträger großer Firmen. "Eine beachtliche Nachricht in einem Land, in dem der Fußball nicht nur das Fernsehprogramm, sondern auch die Werbebranche dominiert", stellte jüngst das Magazin Leichtathletik fest.
Beim Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) beäugt man die Unabhängigkeit der zwei Athletinnen kritisch. Marathon-Bundestrainer Wolfgang Heinig giftete 2015 in Richtung der Hahners, die ihre Trainingspläne von dem in Kenia lebenden italienischen Laufcoach Renato Canova erstellen lassen: "Sie sind in Deutschland führend, was den Kommerz angeht. Es leiden aber die sportlichen Leistungen."
Als die Sprache auf die Konkurrenz kommt, ist es in Waldkirch der einzige Moment binnen eineinhalb Stunden, in denen das Lächeln der Zwillinge gezwungen wirkt. Schließlich wird die gebürtige Äthiopierin Fate Tola vielleicht noch eingebürgert. Und am gleichen Tag, an dem die Hahners in der Stadthalle auftraten, hat die Regensburgerin Anja Scherl beim Hamburg-Marathon die Olympianorm (2:30:30 Stunden) in 2:27:50 Stunden deutlich unterboten. Zu Olympia dürfen aber nur drei deutsche Marathon-Frauen. Nun liegt der marketing-relevante Doppelstart der Hahners in den Händen der DLV-Funktionäre. Das kann selbst Thomas Dold nicht verhindern.
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