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Zisch-Schreibwettbewerb Frühjahr 2018 I

Als ich einmal ein Gipsbein hatte und dabei Detektivin wurde

Von Mathilda Dendorfer, Klasse 4c, Lorettoschule, Freiburg  

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Als ich am 12.7. in der Zeitung las, dass die ersten drei Plätze im Reitwettkampf schon wieder an drei Schülerinnen des Internats Rosenberg gingen, traute ich meinen Augen nicht. Ein Druckfehler dachte ich. Das muss doch ganz sicher ein Druckfehler sein!
Ich - bitte entschuldigt mich, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt! Ich bin übrigens Emma. Emma, zehn Jahre alt und ebenfalls Reiterin. Allerdings bin ich nicht Internatsschülerin. Und ja: Ich hätte auch gerne einen Preis beim Wettkampf gewonnen, auf den ich mich ein Jahr lang jeden Tag stundenlang vorbereitet habe, das will ich gar nicht bestreiten. Wer will das denn nicht?

Hab ich aber nicht. Weder ich (das ging ja nicht), noch Sofia noch Nathalie. Stattdessen diese Rosenberg-Mädchen! Schon wieder! "Mama!", rief ich, "Mama! Lies das mal, das kann doch echt nicht sein! Die Rosenberg-Mädchen haben wieder alle drei Pokale gekriegt." "Na, dann freu dich doch mit ihnen!", sagte Mama aber nur und schnitt weiter die Äpfel fürs Müsli klein. Wie bitte?! Das soll wohl ein Scherz sein?! Erst betrügen mich womöglich meine Augen und dann auch noch meine Ohren.
"Was gibt’s denn da bitte zum Freuen!", schrie ich meine Mama an, die dadurch zumindest hochblickte. "Mama, das muss entweder ein Druckfehler sein oder ein Betrug! Sofia, Nathalie und ich haben so viel trainiert – und wir waren einfach besser. Jedes Mal. Und." "Und dann bist du drei Tage vor dem Wettkampf gestürzt, mein Schatz, ich weiß, ich weiß, und dann konntest du leider nicht teilnehmen, das tut mir ja auch sehr leid." "Mama! Hör auf, so mit mir zu reden. Ich bin nicht Polly!" (Polly, das ist übrigens meine kleine Schwester. Sie ist drei. Und eine große Nervensäge.)

Jetzt war ich richtig wütend. Immer, wenn Mama oder Papa oder andere Erwachsene mich nicht ernst nehmen und ihre Stimme dabei so verstellen und mir womöglich auch noch übers Haar streichen dabei so, als wäre ich komplett bescheuert, vielleicht wisst ihr ja, was ich meine, naja, dann werde ich gescheit wütend! Meistens, das weiß ich auch, macht das die Dinge natürlich nicht besser, aber ich weiß dann auch nicht, was los ist mit mir. Zum Glück hat Mama an diesem Morgen, von dem ich euch gerade berichte, aber erstaunlich nett reagiert: "Also, pass auf", hat sie gesagt, "wenn du dich beruhigt hast, dann kannst du ja bei der Zeitung anrufen und nachfragen. Frag einfach, ob die Namen richtig sind. Und sprich mal mit dem, der den Artikel geschrieben hat. Wenn dir das wirklich so komisch vorkommt, dann erzähl ihm doch, dass du dich wunderst oder zweifelst oder was ahnst, was weiß ich. Du kannst diese Woche sowieso noch nicht wieder in die Schule gehen, so hast du am Vormittag wenigstens was zu tun."

Ich muss sagen, dass ich das von Mama eine wirklich gute Idee gefunden habe! Noch schöner wäre zwar gewesen, wenn sie mir auch noch das Tablet dagelassen hätte, dann hätte ich nämlich gleich ein wenig im Internet recherchieren können, aber man soll ja nicht immer zu viel auf einmal wollen, nicht wahr?

Herausgefunden habe ich an jenem Tag, von dem ich euch gerade berichtete, jedenfalls dies: Es handelte sich nicht um einen Druckfehler der Zeitung! Der Redakteur, der den Artikel geschrieben hatte, hieß Ferdinand Meier und war leider diese und nächste Woche in Urlaub. Sofia und Nathalie, die ich am Nachmittag anrief, berichteten alle dasselbe: Bis einschließlich Freitag hatten die Rosenberg-Mädchen auf den hinteren Plätzen gelegen und niemand hatte mit ihrem Sieg gerechnet. Im Gegenteil: Eines der Pferde sei am Freitag sogar zusammengebrochen und es stand völlig in den Sternen, ob es am Sonntag überhaupt am Wettkampf teilnehmen könnte. Nicht nur wir drei, auch unser Trainer hatte fest damit gerechnet, dass zumindest eine von uns einen der drei begehrten Pokale erreichen würde.

Was war also geschehen? Wie hatte es wieder so kommen können, dass am Ende plötzlich doch wieder die Rosenberg-Mädchen gewannen? Das war nämlich im letzten Jahr der Fall gewesen, im vorletzten und vor drei Jahren auch!

Am nächsten Tag machte ich mir Notizen, telefonierte wieder mit Sofia und Nathalie und bat sie, sich bei Auffälligkeiten im Stall sofort an mich zu wenden. Ich rief auch unseren Trainer an: Er war der Erste, dem ich von meinem Verdacht erzählte. "Könnte es nicht sein", fragte ich, "dass Doping im Spiel ist? Dass die vor dem Wettkampf ihren Pferden irgendwas spritzen? Wie sollten die sonst plötzlich so gut sein?"

"Emma, Mädchen", sagte er aber. "Emma, du liest wohl zu viele Krimis! Das hier ist doch nicht Olympia!"

Beim Abendessen, Polly war zum Glück schon im Bett, sprach ich mit Mama und Papa nochmals darüber. Ich mag diese Essen zu dritt gerne. Da können wir uns viel schöner unterhalten, wenn keiner rumquengelt und jedes Gespräch sofort unterbricht. "Das schmeckt mir nicht! Ich will Apfelsaft! Ich will Nachtisch!" Ihr kennt das vielleicht. Ich habe Papa die ganze Geschichte auch nochmal erzählt und im Grunde sah er die Dinge ähnlich wie unser Trainer. Ganz zu schweigen davon, dass man so einen Verdacht ja auch erst einmal beweisen müsste. Er hatte Recht! Wie sollte das denn jetzt noch möglich sein? Selbst wenn die irgendwas Verbotenes bekommen hätten, damit sie schneller laufen, wäre das denn jetzt noch im Blut der Rosenberg-Pferde nachzuweisen? Und wer würde so was überhaupt machen? Denn dafür würde man schließlich auch mit der Gesundheit der Pferde spielen, sagte Mama. Und auch sie hatte ja Recht. Wie auch immer man zu den ganzen Rosenberg-Leuten stand, ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie Tierquäler waren.

Wir plauderten noch eine ganze Weile, und als ich diesem Abend im Bett lag und nicht einschlafen konnte, dachte ich, dass die Erwachsenen diesmal womöglich Recht hatten. Vielleicht hatten Sofia und Nathalie ja einfach einen schlechten Tag. Das soll’s geben. Und vielleicht hatte ich mich ja auch nur zu sehr reingesteigert, weil ich selbst ja nicht hatte mitmachen können.

Und wisst ihr, was verrückt ist? Schon am nächsten Tag beschäftigte mich die ganze Sache gar nicht mehr. Es blieb zwar noch so ein komisches Gefühl. Ihr kennt das vielleicht: Wenn man was nicht genau erklären kann. Oder so wie wenn man was arg haben will. Es aber nicht bekommt. Zu groß, zu teuer, ihr wisst schon. Wenn es dann aber zum Geburtstag da ist, ist es plötzlich nicht mehr so toll. So ein Gefühl war das. Und daher beschloss ich, die letzten zwei Vormittage, an denen ich noch nicht zur Schule gehen konnte, lesend im Bett zu genießen. Und das gelang mir ziemlich gut!

Erst ein halbes Jahr später, es musste kurz vor Weihnachten gewesen sein, dachte ich wieder dran: In der Zeitung hatte gestanden, dass das Internat Rosenberg wohl Geldschwierigkeiten hatte. Es war davon die Rede gewesen, dass Geld verschwunden war, viel Geld (was ich mir nicht so richtig hatte vorstellen können, denn es konnte ja nicht plötzlich weg sein, wohin war es denn verschwunden?), und dass sich wohl auch immer weniger Schüler anmeldeten. Und ab da konnte man tatsächlich immer mehr Anzeigen lesen, mit denen das Internat Werbung machte: Mit fiel dabei vor allem auf, dass es immer nur darum ging, dass ihre Schüler die besten waren. Die Besten beim Schachturnier, die besten bei Jugend musiziert, die besten Reiterinnen und so weiter.

Und wisst ihr, in diesem Zusammenhang fiel mir das Wort Lüge ein: Denn zumindest, was das Reiten betrifft, konnte ich mit Sicherheit sagen, dass das nicht so war. Sofia, Tabea, Nathalie und ich waren sowohl in der Mannschaftswertung als auch alleine das letzte halbe Jahr besser gewesen – und inzwischen liefen ja auch wieder die Vorbereitungen für den nächsten Wettkampf. Und ich übertreibe nicht, wenn ich schreibe, dass wir wie um unser Leben kämpften: Wir vier waren von Ostern bis kurz vor dem Wettkampf, der wie jedes Jahr wieder am zweiten Juliwochenende stattfinden sollte, täglich im Stall. Sofia hatte eine Bestzeit vom letzten Jahr gleich drei Mal übertroffen, Nathalie war in Form wie noch nie, und ich selbst war auch sicher, dass ich dieses Jahr einen Pokal, am liebsten natürlich Gold, gewinnen würde! Natürlich hatte ich mir den Platz in meinem Zimmer dafür längst ausgesucht.

Dann kam der Freitag vor dem Wettkampf. Hier wurde wie jedes Jahr ein Testwettkampf veranstaltet und ihr könnt euch sicher denken, wie aufgeregt wir alle waren. Auch den Rosenberg-Mädchen war anzusehen, dass sie nervös waren. Es wurde kaum gesprochen, jede von uns war mit dem Kopf woanders: Das heißt natürlich längst im Turnier! Doch kurz bevor es losgehen sollte, bemerkte ich plötzlich, dass ich meinen Glücksbringer (ein kleiner Marienkäfer, den mir meine Mama zum siebten Geburtstag geschenkt hatte und der mich seither immer dann begleitet, wenn ich Glück brauche) noch in meiner Tasche im Stall hatte. So ein Mist! Wie konnte ich nur vergessen haben, ihn einzustecken? Schnell rannte ich zurück zum Stall.

Die Tür stand offen. Vor Tallys Box (Tally - so heißt mein Pferd) stand unser Trainer. Und neben ihm Sandy, die Trainerin der Rosenberg-Mädchen. Sie standen sehr dicht beieinander, was komisch war, weil wie bei einem Liebespaar, ja, das war es gewesen, was mich verwunderte. "Ein Liebespaar, die beiden?", dachte ich gerade nach, da plötzlich schrie sie ihn an: "Was heißt hier, du machst da nicht mehr mit?" "Na was soll das wohl heißen?", fragte er. "Ich bin raus – ist das so schwer zu verstehen?" "Das geht nicht: Du weißt doch, dass die Direktorin gesagt hat, dass sie mich rausschmeißt, wenn wir nicht wieder die ersten drei Plätze machen. Wir brauchen dringend neue Schüler – sonst muss Rosenberg schließen." "Ja, weiß ich. Ist aber nicht mein Problem. Ich geh kein Risiko mehr ein. Erinnerst du dich noch an letztes Jahr?" "Hä?" "Na ich hatte dir doch von meinem Gespräch mit Emma erzählt."

Ich zuckte zusammen. Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig. In meinem Kopf waren plötzlich so viele Gedanken gleichzeitig – und ich hatte Angst, ganz schreckliche Angst, weil ich plötzlich wusste, dass hier etwas Schlimmes passierte. Und ich Zeugin war. Eine Zeugin, die es natürlich nicht geben durfte. Was, wenn sie mich entdeckten? Schnell versteckte ich mich hinter der Tür. Die quietschte. Sie schauten sich um. Unser Trainer wollte in meine Richtung gehen, aber Sandy riss ihn zurück. "Pah!, Emma! Emma! Die ist doch ein Kind! Denk lieber an unseres, das wir bald bekommen. Das braucht Kleider, Essen, ein Zimmer. Wir brauchen meinen Job." "Ich weiß ja, ich weiß. Aber die Pferde." "Nix aber! Es ist jetzt kurz vor knapp. Die Medikamente habe ich hier. Du wirst die Pferde deiner Mädels heute Abend spritzen, verstanden? Wir treffen uns heute um 24 Uhr hier im Stall."

Und was dann geschah, geschah alles so schnell: Ich rannte zu meiner Mannschaft zurück. Sie wollten also nicht die Rosenberg-Pferde schneller machen, sondern unsere durch irgendeine Spritze einbremsen! Das war es also. Plötzlich war mir ganz schlecht. Nicht mehr nur noch heiß und kalt und so, sondern ich musste spucken. Ich spuckte Sofia direkt vor die Füße – und dann kippte ich um.

Alles schwarz.

Als ich wieder zu mir kam, standen mein Trainer und Sandy über mir, streichelten mich, sagten, dass meine Mama und ein Arzt gleich kommen würden. Hatte ich das alles also doch nur geträumt? Oder etwa Gespenster gesehen? Die beiden waren so lieb zu mir – ich musste doch? Oder nicht?

Nachdem der Arzt mich untersucht und Entwarnung gegeben hatte (er sprach vom Wachstum, von Aufregung usw.), ich wieder zu Hause und Polly im Bett war, sprach ich mit meinen Eltern. Ich versuchte diesmal, ganz ruhig zu sein. Nicht gleich rumzuschreien, wenn sie mir nicht glauben würden (was ja zu erwarten war). Zugleich nahm ich mir aber fest vor, anders als vor einem Jahr, nicht aufzugeben. "Miss Emma Marple!" (Das ist eine uralte, total dicke Detektivin aus England. Meine Mama hat mir mal drei Krimis auf DVD davon geschenkt, weil Papa und sie die früher gerne mochten). Sagte Papa nur. Aber anstatt wütend zu werden, sagte ich: "Also, ihr könnt euch jetzt entscheiden: Entweder einer von euch geht jetzt mit mir zum Stall und versteckt sich dort mit mir bis Mitternacht – oder ich geh allein. Hier geht es um meinen Tally. Und um die anderen Pferde. Und um uns. Wir haben das ganze Jahr so hart trainiert und ..."

Aber mehr musste ich gar nicht sagen. Zu meinem Verblüffen unterbrach mich Mama schon an dieser Stelle und ich musste gar nicht meine ganze Rede (die sie zum Heulen hätte bringen sollen so von wegen, dann verliert ihr euer Kind) aufsagen. "Sie hat Recht, Franz (so heißt mein Vater). Ich werde mit ihr fahren. Zieh dich an. Aber such was aus, was nicht so raschelt, wenn du dich bewegst. Wir müssen uns ja verstecken."

Keine Viertelstunde später saßen wir im Auto. Habe ich eigentlich schon gesagt, wie lieb ich meine Mama habe? Natürlich parkten wir weiter weg und näherten und über die Koppeln dem Stall. Leider brannte dort bereits Licht und wir sahen zwei Schatten. Waren wir zu spät? Nein! Das durfte einfach nicht wahr sein! Schnell versteckten wir uns hinter der Scheune und sahen zwei Menschen aus dem Stall kommen: Es waren aber die Besitzerin des Reiterhofs und der Tierarzt, die sich noch kurz vor dem Tor unterhielten. Schnell schlichen wir, es war glücklicherweise schon finster, in den Stall und suchten uns ein sicheres Versteck.

Und ratet mal, wer um 23.51 Uhr in den Stall kam? Richtig! Sandy und unser lieber, unser guter Trainer. Aber dass der weit weniger lieb war, als wir alle immer angenommen hatten, sollte sich schon in der nächsten Minute zeigen. Jetzt ging nämlich alles ganz schnell: Sandy reichte ihm eine Spritze, die er gerade Tally setzen wollte (der dadurch eingebremst und lahm werden sollte), als ich aus dem Heu sprang und "Stopp!" schrie. Das muss wohl ziemlich cool ausgeschaut haben, denn unserem Trainer fiel die Spritze aus der Hand und Sandy rückwärts auf den Boden.

"Na so was nennt man wohl auf frischer Tat ertappt", sagte Mama nur, tippte die Nummer der Polizei in ihr Handy, gab schnell die Adresse des Reiterhofs an – und nahm mich fest in die Arme. "Das war Spitze, meine Große!", sagte sie, und ich muss sagen, dass ich an diesem Tag auch ein bisschen stolz auf mich selbst war.

Und jetzt ratet mal, wer am Sonntag den Wettkampf gewonnen hat? Richtig! Sofia, Nathalie und ich!

Ressort: Schreibwettbewerb

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