Alle fliegen auf den Frieden - auch die Yogis

In der gegenwärtigen weltweiten Krisensituation keimen diverse Friedenshoffnungen - da treten auch die yogischen Flieger zur vedischen Verteidigung an.  

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Je mehr Bomben auf Afghanistan fallen, desto größere Mühe gibt sich die neu aufblühende Friedensbewegung, das Kriegsgeschrei zu übertönen. Hinter den lauten Protesten von Menschen verschiedener Couleur stehen leise, besonnene Konzepte zur Konfliktlösung, die sich alle ein bisschen ähnlich sind: Meist geht es da um die Forderung nach politischen statt militärischen Lösungen, nach Wirtschaftssanktionen und einem Internationalen Gerichtshof. Alles falsch, meint ein kleiner Verein aus dem rheinischen Wachtberg - und hat die Patentlösung sowohl für den aktuellen als auch für alle anderen Missstände auf dieser Welt parat: Fliegen für den Frieden.

Eine uralte Meditationstechnik, bei dem die Meditierenden im Yogasitz über dem Boden schweben, soll positive Energien ausstrahlen und somit weltweite Harmonie erzeugen. "Vedisches Friedenskorps e.V." nennt sich die Gruppe um den ehemaligen Bundeswehroffizier Gunter Chassé, die für ihr Anliegen derzeit - aus aktuellem Anlass, sozusagen-, ganz besonders kräftig die Werbetrommel für den meditativen Frieden rührt.

"Terrorismus", erklärt denn auch Rentner Chassé mit warmer Stimme, "ist kein militärisches, sondern ein menschliches Problem. Daher ist auch eine menschliche Lösung notwendig, die die Ursachen für Terrorismus an den Wurzeln beseitigt. Genau das können die überlieferten Vedischen Verteidigungstechnologien." Wie die funktionieren, erklärt er selbst. Durch die Transzendentale Meditation, kurz: TM, so die Bezeichnung für diese "Technik", habe man Zugang zur innersten Schicht des Bewusstseins. Diese strahle ein Feld aus, das alles durchdringt. In der modernen Quantenphysik nenne man das "Einheitliches Feld aller Naturgesetze". Die TM benutzt, so Chassé, genau dieses Feld, um alle Menschen zu verbinden, damit sie friedlicher werden.

"Alles Quatsch", meint dazu Thomas Gandow. Der Sektenbeauftragte der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg hat ein Buch über diese Meditationstechnik geschrieben. Was Chassé als "natürliche, einfache, mühelose Technik" beschreibt, hält Gandow für höchst gefährlich: "Das ist ein Rumhüpfen auf Schaumstoffkissen, das durch Muskelzuckungen hervorgerufen wird. Die Leute haben dabei orgasmusähnliche Empfindungen und schreien." Was in der Normalwelt einen Nervenarzt auf den Plan riefe, werde hier sogar noch gefördert. Viel schlimmer aber seien die psychischen Folgen: "Viele werden einfach verrückt." Außerdem stellt Pfarrer Gandow nicht nur individuelle, sondern auch kollektive Gefahren fest: "Hier werden Leute fanatisiert, die das Scheitern ihrer Pläne nicht sich selbst oder ihrer Technik zuschreiben, sondern bösen Kräften, gegen die sie dann auch bereit sind, mit allen Mitteln vorzugehen."

Oberstleutnant a. D. Chassé wirft Kritikern wie Gandow vor, sich nur an der Oberfläche mit dem Yogischen Fliegen befasst zu haben. Er vermutet, dass diese Menschen im Auftrag von Organisationen zu solch falschen Urteilen kommen müssen. Sektenkenner Gandow greift Chassé ebenfalls scharf an: "Herr Chassé ist offensichtlich fanatisch. Indem er solche bizarren Behauptungen aufstellt, bestärkt er sich selber in seinem Wahn und immunisiert sich gegen die Realität."

Das Vedische Friedenskorps ist jedoch von der Richtigkeit seiner Friedenstechnologie zutiefst überzeugt. Eigentlich sei die transzendentale Meditation genau das, wonach Einstein geforscht habe. Doch wie damals Einstein habe auch das Friedenskorps mit dem Unverständnis der Umwelt zu kämpfen. Seit Jahren versucht die Gruppe, deren politische Stimme die ebenso umstrittene Naturgesetz-Partei ist, Regierungen auf der ganzen Welt von ihrer Methode zu überzeugen. Ohne Erfolg. Aktuell fordert der Verein zwei Milliarden Mark von Bundesregierung und Wirtschaft für eine Stiftung, die die Ausbildung von 40 000 Yogischen Fliegern finanzieren soll. Um den Weltfrieden zu erreichen müsse nämlich nicht die gesamte Menschheit meditieren, sondern nur die Quadratwurzel von einem Prozent derselbigen, sprich 40 000, - und das sollten indische Pandits, also Gelehrte, sein, die von Haus aus eine natürliche Begabung für diese Art der Meditation haben.

"Das könnte ein super Joke sein, wenn die das nicht ernst meinen würden." Christian Golla (Friedensexperte)

Ein Sprecher der Bundesregierung weiß auf Anfrage zwar nichts von dieser Forderung, ist sich aber sicher, dass die Bundesregierung sich "nicht mit solchen esoterischen Anfragen beschäftigt oder dass es ernsthafte Unternehmungen gibt, diesen Gedanken aufzugreifen." Ein klarer Fall für Chassé: "Die Leute, die das ablehnen, haben funktionale Löcher im Gehirn. Deren Hirn ist nur zu zehn Prozent aktiviert, so dass sie die Zusammenhänge nicht verstehen."

Dass die neurologisch-psychologischen Barrieren bei der Überzeugungsarbeit offenbar nicht durchdrungen werden können, macht Gunter Chassé nach eigenem Bekunden sehr traurig, denn wenn die alten vedischen Techniken nicht angenommen würden, müsse die Menscheit weiterhin sehr leiden. Für den Sektenexperten Thomas Gandow ist es genau dieses aktuell erhöhte Krisen-und Gefahrenbewusstsein, das für "blöde Sektenwerbung" missbraucht wird: "Die nutzen die Friedenssehnsucht der Menschen aus."

Auch ein anderer Experte stört sich am Gebaren des Meditations-Vereins: Christian Golla von der Bonner Friedenskooperative, dem Dachverband deutscher Friedensorganisationen: "Das könnte ein super Joke sein, wenn die das nicht richtig ernst meinen würden." Für Golla ist das Vedische Friedenskorps keine ernstzunehmende Friedensbewegung. Sein lapidarer Vergleich: "Guildo Horn macht ja auch keinen Schlager."

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