Dänemark
125 Demenzkranke leben in einem für sie eingerichteten Dorf
Im dänischen Svendborg wurde ein Dorf für 125 Demenzkranke eingerichtet / In Deutschland beginnt Montag die Woche der Demenz.
Theresa Münch
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![Die Projektleiterin des Demenzdorfs in...inrichtung. Schokolade ist der Renner. | Foto: dpa Die Projektleiterin des Demenzdorfs in...inrichtung. Schokolade ist der Renner. | Foto: dpa](https://ais.badische-zeitung.de/piece/08/77/22/ed/142025453-w-640.jpg)
SVENDBORG. Erst vergisst man die Schlüssel, später den Heimweg, dann die Namen der Kinder: Demenz ist eine tückische Krankheit. In Dänemark leben Betroffene in einem besonderen Dorf – ein Zaun gibt ihnen Freiheit.
Demenz, das beschreiben Betroffene als Schwarze Löcher im Gedächtnis, als Konfetti im Kopf. Das Gehirn verliert an Leistung, es ist eine der häufigsten Erkrankungen im Alter. Die deutsche Alzheimer-Gesellschaft geht davon aus, dass allein in Deutschland rund 1,6 Millionen Menschen betroffen sind. In der am Montag, 18. September, bundesweit zum dritten Mal veranstalteten "Woche der Demenz" werben Bundesregierung, Ärzte und Betroffenenverbände vor allem um Verständnis und die Unterstützung für Erkrankte und Angehörige.
Bei etwa zwei Dritteln geht die Demenz auf eine Alzheimer-Erkrankung zurück. Am Anfang bekommen viele Betroffene noch mit, dass etwas nicht stimmt. Später leben sie in einer Alternativwelt. In den Supermarkt, zum Frisör – was einmal selbstverständlich war, funktioniert plötzlich nicht mehr. Körperlich sind viele aber so fit, dass normale Pflegeheime ihnen nicht gerecht werden.
Die Kommune Svendborg auf der dänischen Insel Fünen hat deshalb ein eigenes Dorf für 125 Demenzkranke eingerichtet. Es ist eine Stadt in der Stadt, mit Laden, Friseur, Fitnessstudio, Café und Teich. Hier kann man leben wie früher, in der eigenen Wohnung oder Wohngemeinschaft – und doch geschützt. "Wenn ich im Park laufen will, laufe ich im Park", sagt die 81-jährige Jytte Voigt bestimmt, am liebsten zusammen mit einem gut aussehenden Mann. Jytte spricht noch immer fließend Englisch – doch von einem Spaziergang im Ort würde sie wohl nicht zurückfinden. Im Demenzdorf kann sie nicht verloren gehen. Es ist paradox: Der Zaun am Ende von Straße und Park gibt den Bewohnern Freiheit. Die meisten nehmen ihn gar nicht wahr. "Es ist ein guter Weg, den Menschen ein normaleres Leben zu geben", sagt Svendborgs Bürgermeister Lars Erik Hornemann. Das Demenzdorf sei Teil der Stadt, "aber einer, in dem die Menschen nicht die ganze Zeit beaufsichtigt werden müssen". Die Bewohner sind zwischen 50 und 102 Jahre alt. Sie können spazieren gehen, sich zum Kaffee verabreden, einkaufen. Schokolade ist der Bestseller im Laden. Kommen Angehörige zu Besuch, haben die Bewohner viel mehr zu erzählen als in einem Heim. "Das macht auch das Besuchen einfacher", sagt Projektleiterin Annette Søby.
Demenzdörfer gibt es auch im niederländischen De Hogeweyk und in Deutschland in der Nähe von Hameln in Tönebön am See. Anders als dort aber sind die Demenzkranken in Svendborg nicht eingesperrt. Theoretisch kann jeder Bewohner rausgehen in die Nachbarschaft – wenn er den Ausgang findet. "Dann haben sie ein GPS, so dass wir sie im Notfall aufspüren können." Viele aber sehen den gut versteckten Ausgang nicht. Die mit Folie beklebte Glastür ist so unscheinbar, dass man dann doch lieber nebenan ins Café geht.
"Verglichen mit dem durchschnittlichen Pflegeheim sind Demenzdörfer in jedem Fall ein Fortschritt", sagt Susanna Saxl von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. Die Einrichtung müsse aber Teil der Nachbarschaft sein – was zumindest in De Hogeweyk und Tönebön nicht funktioniere. In Svendborg soll ein Kinderspielplatz gebaut werden, für die Enkel der Bewohner und für die Nachbarkinder. Jeder könne hier spazieren gehen oder seinen Hund ausführen, sagt Søby. "Wir wollen ein offener Ort sein." Auch der Nürnberger Demenzforscher Wolf Dieter Oswald hält wenig von reinen "Dörfern der Alten". In der Pflege müsse es genau wie in der Behindertenhilfe Konzepte von sozialer Teilhabe und Inklusion geben, fordert er. Søby entgegnet: "Es gibt einen Grund, dass die Menschen hier sind." Weil sie ungeschützt eben nicht mehr klarkommen.