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Zunächst mal einsam an der Dreisam

Als Studienanfänger neu in Freiburg: da gibt es viel zu entdecken - und einige Hürden zu überwinden. Ein Erfahrungsbericht.  

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Gut 20 000 Menschen kommen jedes Jahr neu nach Freiburg. Unter den Neuen ziehen auch etliche Studenten in die Stadt mit dem statistisch besten Wetter Deutschlands, mit der multikulturellen Lebensart, inspiriert von französischen, deutschen und schweizerischen Einflüssen. Trotzdem fühlt man sich nicht gleich zu Hause sondern erstmal einsam an der Dreisam.

Wer als Studienanfänger nach Freiburg kommt, lobt die zentrale Lage und den guten Ruf der Albert-Ludwigs-Universität. Dass man nicht der/die einzige ist, der/die solche Vorteile zu schätzen weiß, wird spätestens bei der Wohnungssuche klar. "Flexible, freundliche, aufgeschlossene, anpassungsfähige" Studentinnen und Studenten suchen WGs und Zimmer, für immer oder nur zur Zwischenmiete, ab 150 Euro kalt, mal bunt, mal nüchtern auf Zettel gedruckt, an Schwarzen Brettern, Wänden, ja, sogar auf Uni-Toiletten.

Freiburg beginnt für die Neuen mit der Wohnungsodyssee. Stadtplan und Besichtigungstermine helfen nicht wirklich weiter, denn man weiß als Neuling nicht, welche Stadtteile angesagt sind, wo es ruhig oder laut zugeht. Am liebsten würde man mal probewohnen, bevor es einen nach Haslach, St. Georgen oder Gundelfingen verschlägt. Egal wohin, sicher ist: mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man überall hin. Nur abends wird's da dürftig. Und schade ist, dass das günstige Semesterticket erst ab Oktober zu haben ist. Bleibt das Rad, populärstes Verkehrsmittel in Freiburg, besonders unter Studenten. Davon zeugen die ständig überfüllten Fahrradständer vor der Uni. Nur früh morgens findet sich leicht ein Abstellplatz für den Drahtesel, aber wie soll man sein Rad später am Tag wiederfinden, wenn es von allen Seiten zugeparkt ist? Und trotzdem präsentiert sich Freiburg wirklich fahrradfreundlich: die Brücke zwischen Stühlinger und Innenstadt ist ausdrücklich als "Fahrradbrücke" ausgewiesen, nur für Fahrräder und Fußgänger, ganz ohne Autolärm und Abgase, mit Blick auf die umliegenden Berge des Schwarzwaldes. Und dazu noch ein Fahrradparkhaus. Was für ein Leben!

Und dann gibt's da noch das "Dreiländereck". Mit dem Zug ist man in einer Stunde in Straßburg oder Basel. Und von den höheren Stockwerken der Uni kann man den Blick auf die Vogesen genießen. Dafür finden die Vorlesungen oft in überfüllten Hörsälen statt, manchmal ist man um einen Stehplatz froh. Angesichts des sonst so angenehmen Studentenlebens in der Breisgau-Stadt akzeptiert man auch das. Denn: wo sonst ist man in so tauglicher Nachbarschaft von Frankreich oder der Schweiz?

Aber die Internationalität ist schon in Freiburg zuhause: 2 700 ausländische Studierende bringen Flair. "Es gibt so viele verschiedene Sprachen auf der Straße", meint Catherine, Gaststudentin aus Wales. Heimweh? Das kommt bei ihr nicht auf, denn Freiburg gefällt ihr richtig gut. Ungewohnt ist für viele Neulinge der Dialekt der Freiburger mit der häufig angehängten Nachsilbe "-le". Da klingt alles gleich viel netter und gelassener. Wer neu hierher kommt, wird schon nach dem ersten hochdeutschen Satz als Nicht-Einheimische/r erkannt und bekommt eine lehrreiche Einführung ins Alemannische.

Auch an Projekten zum weiträumigeren interkulturellen Dialog fehlt es nicht. Da wird ein deutsch-französisches Jugendtreffen veranstaltet, es findet ein christlich-muslimischer Gebetskreis statt, Konzerte des russischen Chors, Vorträge über Buddhismus, ein Diavortrag über Australien - und das alles in einer einzigen Woche. Bloß: wie findet man nur all diese Veranstaltungsorte? Das Institut Français, die Herz-Jesu-Kirche, die Schwimmbadstraße? Erste Hilfe für die Neuen bietet die Touristeninformation. Der kleine Stadtplan, der dort kostenlos bereitliegt, gibt allerdings nur eine Übersicht über den Innenstadtbereich. Wenn man den Studienkollegen in der Studentensiedlung in der Sundgauallee besuchen will, hilft das wenig. Dafür gibt's in der "Touri-Info" ganz überraschend einige sehr interessante Broschüren zur Partnerstadt in Japan. Und dazu Infos aus erster Hand: Der Angestellte, der Auskünfte über Matsuyama erteilt, ist nämlich Japaner.

"Wo trifft man eigentlich die echten Freiburger?" Christiane Charon (Erstsemester)

Überhaupt kommt man in Freiburg an Asien nicht vorbei. Spätestens im Münster findet man sich in einer Gruppe fernöstlicher Touristen wieder, mit denen man dann um die Wette fotografieren kann. Aber das Münster ist nicht nur touristische Attraktion. Jeden Tag gibt es hier eine Mittags-Meditation: Da kann man für 20 Minuten beruhigende Orgelklänge und inspirierende Texte auf sich wirken lassen und alle Stadtplansorgen vergessen. Ganz aktuelle Anlässe sind Themen der Mittags-Meditation, so zum Beispiel der Konflikt zwischen Israel und Palästina. Mitten in der Hektik des Alltags wird man hier zum "Atem holen" eingeladen. Mitten im Zentrum Freiburgs.

Das Münster ist dank des hohen Turm sowieso ein ziemlich guter Anhaltspunkt. Hat man sich trotz Ministadtplan von der Touri-Info doch mal verlaufen, kann man sich am Münsterturm orientieren. Eine weitere praktische Orientierungshilfe ist das Martinstor. Von einigen wird es schnöde "McDonalds-Tor" genannt. Fast food unterm 700-Jahre alten Torbogen. Alternativ kann man sich aber in einer der vielen Vollkornbäckereien versorgen, die überall in der Stadt zu finden sind.

Noch zahlreicher sind hier die kleinen "Bächle", die den ganzen Innenstadtbereich durchfließen. Aber keine Angst, wenn es mal nasse Füße gibt. Es heißt, dass, wer in eines der "Bächle" tritt, eines Tages einen Freiburger oder eine Freiburgerin heiraten wird. Bloß: wo trifft man die Freiburger? Die besten Chancen, echte Eingeborene zu treffen, hat man in einem der zahllosen Cafés, in den Kneipen und Discos - oder beim Joggen, Inlineskaten oder Sonnenbaden an der Dreisam und beim Theater- oder Kinobesuch. Denn: die Freiburger nutzen den hohen "Freizeitwert" ihrer Stadt.

Über all dem ist die Sundgauallee noch immer nicht gefunden. Also muss ein großer Faltplan her. Der ist so groß, dass man gleich als Neuling geoutet ist. Das aber weckt Mitleid bei den Einheimischen, die erklären prompt den Weg und nichts kann mehr schiefgehen. Denn hilfsbereit und freundlich sind die Menschen hier. Wahrscheinlich liegt das an dem angenehmen Klima. An sonnigen Tagen wirkt Freiburg richtig südländisch. Bunte Marktstände, farbenfrohe Häuserfassaden und sogar Palmen verleihen der Stadt eine mediterrane Atmosphäre. Und der Cappuccino schmeckt hier im Straßencafé mindestens so gut wie in Rom.

Ressort: Zisch

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