Skispringen
Zentimeter-Krimi bei der Vierschanzentournee: Tschofenig fängt Kraft ab
Von drei auf eins: Daniel Tschofenig wird völlig unerwartet zum umjubelten Gesamtsieger der Vierschanzentournee. Für Routinier Kraft endet der Abend mit maximaler Enttäuschung.
Patrick Reichardt, Thomas Eßer & dpa
Mo, 6. Jan 2025, 21:35 Uhr
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"Es ist nicht geil für ihn. Es tut mir ein bisschen leid, aber bei mir überwiegt die Freude", sagte der völlig verblüffte Triumphator Tschofenig im ZDF. Vor dem allerletzten Sprung der Tournee musste der 31 Jahre alte Kraft minutenlang warten und auf dem Sprungturm frieren.
Als dem Routinier klar wurde, dass seine 137,5 Meter nur für Platz drei im Tages- und Endklassement reichen, saß er niedergeschlagen auf einer Bank. "Es war sicher nicht ganz leicht", sagte Kraft. Deutschlands Top-Springer Pius Paschke sprach angesichts der packenden Entscheidung von "schöner Werbung für das Skispringen".
Tschofenig, der auch im Gesamtweltcup führt, holte sich nach Garmisch seinen zweiten Einzelsieg bei dieser Tournee und fuhr den größten Erfolg seiner jungen Laufbahn ein. Eine feuchtfröhliche Party will er sich im Pongau aber nicht gönnen. "Ich trinke tatsächlich keinen Alkohol mehr, aber wir werden uns ein paar Kleinigkeiten einfallen lassen", sagte der 22-Jährige. Cheftrainer Andreas Widhölzl sagte: "Es war Dramatik pur bis zum Schluss."
Zwischen Tschofenig, der von drei auf eins sprang, und dem zurückgefallenen Olympiasieger Kraft landete Jan Hörl, der in beiden Wertungen Platz zwei belegte. Hörl verwackelte bei 143 Meter im zweiten Durchgang den Aufsprung und verspielte beim knappsten Tournee-Finale seit 2006 so den goldenen Adler. "Ich habe die Landung verschissen", sagte Hörl wenig diplomatisch. Chefcoach Widhölzl kündigte dagegen an, mit seinem Team ein paar Bier trinken zu wollen.
Erneut zu Nebendarstellern degradiert wurde das deutsche Team um Paschke, der immerhin als Gelb-Träger und Mitfavorit in die Tournee gestartet war. "Freuen kann ich mich nicht. Ich habe erstmal lernen müssen. Es gab coole Momente. Das Ergebnis geht genauso in Ordnung", ordnete der 34 Jahre alte Bayer nüchtern ein. Am Ende stand für ihn Gesamtrang sechs. In Bischofshofen kam er nicht über Platz zwölf hinaus.
Für die Deutschen geht das quälende Warten auf den ersten Tournee-Gesamtsieg seit Sven Hannawald vor 23 Jahren mindestens bis zum Januar 2026 weiter. Andreas Wellinger (133 und 135,5 Meter) sprang vor 14.300 Zuschauern im Pongau auf Platz neun. Für Paschke, Philipp Raimund (15.) und Karl Geiger (23.) reichte es nicht zu einem Top-Ten-Platz. "Wir haben alles gegeben, die Jungs haben sich wirklich bemüht. Mehr ist leider heute nicht rausgekommen", sagte Bundestrainer Stefan Horngacher.
Der hochklassige Wettbewerb auf der Paul-Außerleitner-Schanze wurde zu einem "brutalen Krimi", wie Kraft schon zur Halbzeit voraussagte. Er selbst wurde dann zum tragischen Hauptdarsteller. Die Zitterpartie brachte den abgebrühten Skiflug-Weltmeister offenbar so aus dem Konzept, dass die entscheidenden Meter fehlten.
Kraft konnte auch einige Zeit später bei der Siegerehrung noch nicht lächeln. "Ich bin echt mitgenommen", sagte ZDF-Experte Severin Freund über seinen früheren Widersacher, der diesmal zu den Besiegten zählte.
Die 73. Ausgabe des Traditionsevents endete damit so, wie sie vor gut einer Woche in Oberstdorf begonnen hatte. Die Deutschen wurden klar geschlagen, die geschlossen starken Österreicher dominierten auch zum Abschluss. Tschofenig und Co. komplettierten eine dominante Tournee mit vier Siegen und elf von zwölf möglichen Podestplätzen. Dass eine Nation die besten Drei im Gesamtklassement stellt, gab es zuvor erst dreimal: 1955 die Finnen, 1975 und 2012 jeweils die Österreicher.
"Wir fühlen uns wie kleine Superstars", erzählte Kraft und berichtete mit einem breiten Lächeln von spontanen Fotoshootings mit Fans, die von ihren Stars in den glorreichen Tagen um den Jahreswechsel nicht genug bekommen konnten. So euphorisch sah es auch auf der finalen Tournee-Station aus. Ab dem Vormittag feierten zahlreiche Fans im Ortskern. Die fröhlichen Fans trällerten "Griechischer Wein" und tranken ganz viel Salzburger Bier.
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