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Wo Lehrer gar keine Lehrer sind

In Sachsen müssen Seiteneinsteiger die Schulen retten.  

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Seiteneinsteiger sind schnell einsetzb...n oftmals die pädagogische Erfahrung.   | Foto: adobe
Seiteneinsteiger sind schnell einsetzbar – allerdings fehlt ihnen oftmals die pädagogische Erfahrung. Foto: adobe
Unterrichtsausfall ist für die Kultusminister der Länder ein Graus. Angesichts des leer gefegten Lehrerarbeitsmarktes greifen sie deshalb zunehmend auch auf Seiteneinsteiger zurück. Im Schuljahr 2016/17 verdoppelte sich ihre Zahl im Vergleich zum Vorjahr und erreichte mit bundesweit 3015 Neueinstellungen einen Höchstwert. Dies entsprach einem Anteil von 8,4 Prozent aller Einstellungen in den öffentlichen Schuldienst – Tendenz steigend.

Seiteneinsteiger sind nach der Definition der Kultusministerkonferenz (KMK) Frauen und Männer mit Hochschulabschluss, die keine Lehramtsprüfung und kein Referendariat absolviert, aber eine pädagogische Zusatzqualifikation – teilweise berufsbegleitend – erhalten haben. Die Praxis ist in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich. Vor allem Sachsen und Berlin setzen auf Seiteneinsteiger. In Sachsen war im laufenden Schuljahr schon mehr als jeder zweite neu eingestellte Lehrer gar kein richtiger Lehrer. Bayern, Hessen und das Saarland kamen 2016 hingegen ganz ohne solche Lehrkräfte aus.

Die Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe, bemängelt die schlechte Bedarfsplanung der KMK. "Angesichts der derzeitigen Pensionierungswelle war der Ersatzbedarf ja vorher erkennbar." Nicht erwartbar sei hingegen der Zustrom von Flüchtlingsfamilien 2015 gewesen, der die Einstellung von 16 000 Lehrkräften nach sich gezogen habe. Ihr Kollege vom Verband Bildung Erziehung (VBE), Bundeschef Udo Beckmann, pflichtet bei: "Die Politik macht seit Jahrzehnten immer dasselbe: Es wird in Sachen Lehrerausbildung und -einstellung auf Kante genäht."

Die KMK-Statistik zu Seiteneinsteigern zeigt, wo die Not derzeit am größten ist: Bei den Naturwissenschaften wurden im vergangenen Schuljahr 561 Lehrkräfte eingestellt, bei den beruflichen Fächern 513. Auch in Deutsch, Mathe, Englisch und Sport füllen Seiteneinsteiger Lücken. Aktuell sind hauptsächlich Grund- und berufliche Schulen betroffen. "Es wird auf die anderen Schulen zukommen, wenn man jetzt nicht nachsteuert", prophezeit aber die Gewerkschafterin Tepe.

In Sachsen ist das schon Realität. Weil es zu wenig Bewerber gab, wurden zum Schuljahresbeginn rund 52 Prozent der geplanten Stellen mit Seiteneinsteigern besetzt. Die Quote ist mit 66 Prozent nicht nur an Grundschulen hoch, sondern mit 61 Prozent auch an den Oberschulen, die den Haupt- und den Realschulabschluss anbieten. Am geringsten ist sie an den Gymnasien mit sieben Prozent.

Sachsens CDU-Fraktion fordert die Landesregierung deshalb auf, den Lehrerberuf attraktiver zu gestalten. Sie schlägt unter anderem vor, Lehrer, die in Vollzeit ihren Dienst in Sachsen antreten, zu lebenslang beschäftigten Beamten zu machen, so wie es in anderen Bundesländern Praxis ist.

"Der jahrelange demografische Rückgang in Ostdeutschland nach der Wende ließ die Länder die Ausbildungskapazitäten überproportional zurückfahren", erklärt GEW-Chefin Tepe den Engpass. Verbeamtung sei aber nicht der Weisheit letzter Schluss: "Brandenburg und Sachsen-Anhalt verbeamten schon seit Jahren und müssen trotzdem immer öfter Seiteneinsteiger einstellen."

Der größte Vorteil von Seiteneinsteigern: Sie sind schnell einsetzbar und müssen keine sechs- bis siebenjährige Ausbildung durchlaufen. Es fehlen aber die pädagogische Erfahrung und das Vermögen, Fachwissen so aufzubereiten, dass Schüler es verstehen. Da müssen auch die Kollegen unterstützen. Tepe kennt eine sächsische Grundschule, bei der von 19 Kollegen fünf Seiteneinsteiger sind. "Das ist für das Kollegium eine hohe Belastung."

Was ist zu tun, um den Lehrermangel nachhaltig zu bekämpfen? Aus GEW-Sicht muss der Beruf attraktiver werden. Verbandschefin Tepe sagt: "Gerade an den Grundschulen brauchen die Kollegen höhere Bezahlung, mehr Wertschätzung und bessere Arbeitsbedingungen." Auch eine geringere Unterrichtsverpflichtung würde helfen: "Als ich in den 70ern im Schuldienst begann, stand ich 28 Stunden pro Woche vor der Klasse, heutige Lehrer haben das gleiche Pensum, müssen aber unvergleichlich mehr Ansprüchen gerecht werden."

Ressort: Deutschland

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