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Informationsbedürfnis oder Sensationslust?

WIR MÜSSEN REDEN: Die dunkle Seite in uns

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Gut, wenn uns das Grauen noch quält. Schlecht wäre es, wenn wir abstumpfen würden. Ganz schlecht aber ist die voyeuristische Lust, jedes Detail erfahren zu wollen – oder, als Journalist berichten zu müssen. Denn jeder und jede weiß: Blaulicht bringt Aufmerksamkeit. Ohne den kann Journalismus nicht existieren, aber ein Zuviel davon zerstört dessen Glaubwürdigkeit. Wir lieben Sensation und Grusel, aber wir hassen den Überbringer, weil er die dunkle Seite in uns zum Schwingen bringt. Schon Joseph Pulitzer, der ungarisch-amerikanische Verleger, nach dem der angesehenste Journalistenpreis der USA benannt wurde, mahnte deshalb seine eigene Zunft: "Das größte Problem des Journalismus liegt darin, einem Auflageninstinkt ohne Rücksicht auf Wahrheit und Gewissen zu widerstehen". Das war vor über 100 Jahren. Das Thema aber ist so aktuell wie damals.

Es gibt leider auch mehr Anlässe für solche Diskussionen, als wir ertragen können. Ob es nun um den unfassbaren Massenmord in Las Vegas geht oder die Terroranschläge in Barcelona, Paris oder Berlin, ob es um die Morde geht, die Südbaden aus seiner Idylle gerissen haben, immer wird darüber diskutiert, wie viel und wie prominent die Medien darüber berichten sollen und ob nicht jede Berichterstattung die Täter bestätigt und Nachahmer ermuntert. Jede Meldung aber wird begierig verschlungen.

Die Redaktion erreichen deshalb immer wieder Briefe wie diese: "Mit Entsetzen haben wir feststellen müssen, wie viel Raum die Badische Zeitung dem Strafprozess H. einräumte und wie prominent sie ihn machte. Weniger wäre mehr gewesen. Es gibt Vorfälle, welche durch Nichtbeachtung besser honoriert würden." Gewiss, Totschweigen ist eine scharfe Waffe der Medien, aber ist ihr Einsatz in solchen Fällen gerechtfertigt? Wo endet das Informationsbedürfnis und wann wird nur noch Sensationslust befriedigt? Die Grenzen sind da meist schwer zu bestimmen.

Im beschriebenen Fall muss man berücksichtigen, dass diese Tat eine ganze Region über Monate aufwühlte. Die Berichterstattung über den Prozess dient deshalb auch der Aufarbeitung eines öffentlichen Traumas. Details sollten freilich nur so weit erzählt werden, wie sie für das Begreifen der Tat nötig sind. Im Fall Hussein K. ging das in kritische Bereiche, weil der Tathergang die Frage aufwarf, ob das Mädchen erwürgt wurde oder ertrank. Die dafür nötige Schilderung der Vorgänge aber lässt Zweifel zurück, ob dadurch nicht die Würde der Toten in Mitleidenschaft gezogen wurde. Der Hinweis, dass andere weniger Skrupel hatten, stimmt, hilft aber nicht weiter. Journalisten haben auch in solchen Mordfällen eine große Verantwortung. Die Einwände von Kollegen und Leserinnen sind deshalb wichtig, um zu verhindern, dass die nötigen Skrupel im Sog der Ereignisse und des wachsenden Zeitdrucks verloren gehen. Dass dies nicht immer gelingt, ist kein Argument, sich der Abwägung zu entziehen. Der muss sich jeder stellen, auch noch in 100 Jahren.

Ressort: Leserbriefe

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