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Zischup-Interview

"Wir drängen uns niemandem auf"

Ralf Schöpperle-Faller, Leiter der Straßensozialarbeit im Amt für Soziales der Stadt Freiburg, und sein Team sind in Freiburg mit dem Kältebus unterwegs. Sie kümmern sich um Menschen, die auf der Straße leben.  

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Ralf Schöpperle-Faller Foto: Sophia Karle
Zischup: Was genau ist denn der Kältebus?

Schöpperle-Faller: Der Kältebus ist ein über die Wintermonate durchgeführtes Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Deutschen Roten Kreuz (DRK) und der Stadt Freiburg. Vor zwei Jahren haben wir ein sogenanntes Winterkonzept für Menschen entworfen, die sich zur kalten Jahreszeit im öffentlichen Raum auf den Straßen, in Parks oder im Wald aufhalten und auch dort nächtigen. Der Kältebus startet abends um 19.30 Uhr, fährt meistens bis Mitternacht oder auch später. Er fährt jede Nacht und ist fünf Monate – von November bis März – im gesamten Stadtgebiet unterwegs. Auf der Straße erreichen wir 20 bis 30 Menschen pro Nacht. Das Winterprojekt beinhaltet zudem eine Verlängerung der Öffnungszeiten in den Tagesstätten. Die Tagesstätten werden von der Heilsarmee, der Caritas (Pflasterstube) und der Diakonie (Ferdinand-Weiß-Haus) betrieben und betreut. Hier können die Menschen zwischen acht und 18 Uhr hingehen. Es gibt Kaffee, Gebäck, Gelegenheiten für Gespräche, und man kann dort Karten spielen, Zeitung lesen oder Radio hören.

Zischup: Mit dem Kältebus verteilen Sie verschiedene Sachen – welche zum Beispiel?

Schöpperle-Faller: Das Deutsche Rote Kreuz stellt das Fahrzeug – einen großen VW-Bus – zur Verfügung. Er ist ausgerüstet mit Schlafsäcken, Isomatten, Kleidung, Kaffee, Tee und Wasser. Vor jeder Tour erhalten wir eine warme leckere Suppe vom Josefs-Krankenhaus, welche wir dann ausgeben. Die Kleidungsstücke kommen überwiegend vom Deutschen Roten Kreuz, oder sie sind von Menschen, die uns unterstützen möchten und unsere Arbeit gut finden. Zusätzlich spenden Menschen über die Internetseite des DRK. Der Kältebus wird von der Stadt Freiburg und der Stiftungsverwaltung finanziell unterstützt. Wir haben auch ein Notruftelefon, welches vor jeder Fahrt vom jeweiligen Einsatzteam abgehört wird. Dort können besorgte Bürger*innen anrufen und eine Nachricht hinterlassen, wenn sie Personen wahrnehmen, die gegebenenfalls die Unterstützung und Hilfe das Kältebusses benötigen.

Zischup: Reden Sie mit den Obdachlosen über deren Situation oder über deren Leben?

Schöpperle-Faller: Natürlich möchten wir auch mit den Menschen über unser Angebot ins Gespräch zu kommen, aber wir drängen uns grundsätzlich niemandem auf. Wir bieten einen ganz niederschwelligen Zugang zu unserem Angebot an. Neben der Suppe gibt es so auch menschliche Wärme durch das jeweilige Kältebusteam. Das wird von fast allen der Betroffenen sehr dankend angenommen und wertgeschätzt. Aber: Ein "Nein" oder "Danke, heute nicht" wird von uns allen akzeptiert. Einige Menschen informieren wir auch über das in Freiburg vorhandene Hilfesystem, zum Beispiel der Wohnungslosenhilfe und so weiter. Falls sich Menschen aufgrund der herrschenden Wetterbedingungen oder ihrer gesundheitlichen Verfassung in einer gesundheits- oder gar lebensbedrohlichen Situation befinden, bieten wir ihnen Unterstützung und Schutz an. Notfalls rufen wir auch den Rettungsdienst hinzu.

Zischup: Wie viele Helfer sind nachts im Bus und wie viele gibt es insgesamt?

Schöpperle-Faller: Ein Einsatz wird immer von mindestens zwei Personen durchgeführt. Es fährt nie jemand alleine eine Tour. Optimal finde ich persönlich einen Einsatz zu dritt – eine Person fährt den Bus, eine schaut links, die andere rechts. Wenn wir die Örtlichkeiten anfahren, dann gibt zum Beispiel jemand Suppe aus, der andere macht Kaffee und die Dritte unterhält sich draußen schon mal mit den Leuten. Teamwork, die gegenseitige Wahrnehmung und eine Absprache beim Agieren vor Ort ist für die Einsatzkräfte immer erforderlich. Der Pool der über das DRK engagierten Ehrenamtlichen Helfer*innen für den Kältebus beträgt etwa 60 Personen. Die Koordinatorin des DRK plant und organisiert die Teams für die täglichen Einsätze. Wenn man als Ehrenamtlicher eine Beziehung zu den Menschen auf der Straße aufbauen möchte, sollte man mindestens zwei bis drei Kältebuseinsätze im Monat fahren.

Zischup: Haben Sie genügend Helferinnen und Helfer oder würden Sie weitere benötigen?

Schöpperle-Faller: Wir sind in diesem Winter personell gut aufgestellt gewesen. Das Engagement der Ehrenamtlichen ist großartig. Im Vorfeld der Kältebuseinsätze bieten meine Kolleg*innen der Straßensozialarbeit, quasi als Profis, allen interessierten Mitfahrer*innen mehrere Informationsveranstaltungen an, bei denen auf die "Musts" und die "No-Gos" bei den Einsätzen hingewiesen wird. Viele der Ehrenamtlichen engagieren sich schon länger in den DRK-Kreisverbänden. Auch viele in Freiburg Studierende, zum Beispiel der Medizin, der Sozialen Arbeit, der Psychologie, des Lehramtes, sind genauso mit an Bord des Busses wie ganz normal Berufstätige, die sich in ihrer abendlichen Freizeit sinnvoll engagieren möchten. Dafür möchte ich mich bei allen Akteur*innen vielmals bedanken. Wer sich für das Projekt interessiert, kann sich gerne beim DRK in Freiburg melden.

Ressort: Schülertexte

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Fr, 28. April 2023: PDF-Version herunterladen

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