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Wider den totalen Vernetzungswahn

Computer werden an den Waldorfschulen zwar nicht verteufelt, aber wesentlich kritischer beurteilt als an staatlichen Schulen.  

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Sind Computer eine Notwendigkeit oder eine unterschätzte Gefahr? Einerseits wollen Politiker und Bildungsexperten Kinder frühzeitig an Computer gewöhnen, damit diese nicht den "Anschluss ans Informationszeitalter" verlieren. Andererseits warnen Kritiker vor einer Abhängigkeit von einer Technik, die sich als nicht beherrschbar erweisen könnte.

Wie staatliche Schulen mit dieser Herausforderung umgehen, ist bekannt: Über Projekte wie "Schulen ans Netz" sollen Kinder mit der Informationstechnologie vertraut gemacht werden. Die Deutsche Telekom und das Bundesministerium für Bildung und Forschung haben für dieses Projekt seit 1996 insgesamt 159 Millionen Mark zur Verfügung gestellt, um allen Schulen den Zugang ins Netz zu ermöglichen.

Ganz anders sieht es an den Waldorfschulen aus: Lehrer, Schüler und Eltern wissen, dass Computer eine immer größere Rolle spielen. Aber man ist sich, vielleicht mehr als an staatlichen Schulen, auch der Gefahren solcher Technologien bewusst. An jenen Waldorfschulen, an denen bereits Computerunterricht angeboten wird, unterscheidet sich dieser grundlegend vom entsprechenden Fach an staatlichen Schulen. Werden an letzteren hauptsächlich Anwendungsprogramme unterrichtet, so geht es an den Waldorfschulen um das Verständnis des Computers.

An der Waldorfschule in Freiburg St. Georgen werden die Schüler zunächst in einer siebenwöchigen so genannten Nachmittagsepoche an die komplexen Geräte herangeführt: Die Schüler bauen einen Addierer, besprechen die Funktion eines einfachen Prozessors, wie er vor etwa 40 Jahren üblich war, und lernen, ein leichtes Programm zu schreiben. Ergänzend gibt es einen Kurs, der sich mit Programmen wie Word oder Excel beschäftigt. Dieser gehört jedoch nicht zum eigentlichen Unterricht - der Besuch ist freiwillig. Beide Angebote richten sich an 16- bis 17-jährige Schüler. An den staatlichen Schulen sollen nach dem Willen der "Schulen ans Netz"-Werber hingegen schon Abc-Schützen in die Tasten hauen.

Waldorfpädagogen halten davon wenig: "Wenn man keine Ahnung hat, wie ein Computer funktioniert, kann das zweierlei Probleme herbeiführen: Entweder man verherrlicht die fantastische Technik, die alles kann, oder man bekommt Angst davor", sagt Hans-Peter Fischbach, Informatiklehrer an der Schule in Freiburg St. Georgen. Gefahren der Computertechnologie sind keine Hirngespinste radikaler Technikfeinde. Dass es Internetsucht gibt, ist offensichtlich. Doch sind die versteckten Gefahren wesentlich größer. Eine Technik zu nutzen, deren Funktionsweise man nicht durchschaut, ist riskant. Man kann sie nicht wirklich beherrschen, sondern läuft Gefahr von ihr beherrscht zu werden. Michael Sanden, Klassenlehrer an der Freien Waldorfschule Dachsberg-Urberg, warnt: "Wenn jemand einen Taschenrechner benutzt, ohne vorher selbst rechnen zu können, ist er sofort von dem Gerät abhängig. Mit einem Computer verhält es sich nicht anders."

Tatsächlich scheinen viele Probleme, die die neue Technik mit sich bringt, gerne übersehen zu werden. Ist es sinnvoll, dass Kinder, die gerade erst lesen gelernt haben, über die Datenautobahn surfen und dabei auf Informationen stoßen, die sie gar nicht verarbeiten können? Werden Kinder, die in einer virtuellen Welt aufwachsen, sich jemals an die Realität gewöhnen können? Kinder im Grundschulalter sind kaum in der Lage, ein so komplexes Gerät wie den Computer zu verstehen und vernünftig zu nutzen. Fast völlig ausgeblendet bleiben zudem die wirtschaftlichen Interessen, die hinter der totalen Vernetzung stecken: Dass sich ein Unternehmen wie die Deutsche Telekom für das Projekt "Schulen ans Netz" finanziell engagiert, mag auf den ersten Blick vorbildlich erscheinen. Es sollte allerdings nicht vergessen werden, dass sich der Telekommunikationsriese damit künftige Kundengenerationen heranzüchtet.

Auf der anderen Seite nimmt man jedem Jugendlichen die Chance, am modernen Leben teilzunehmen, wenn man ihn vom Computer fern hält. Denn der Computer ist ein Teil unserer Zeit - und "die Zukunft", wie der Waldorfschüler Alexander Aergerter sagt. "Computer sind eine Lebensrealität geworden", sagt auch Lehrer Sanden. Alles, ob die Stromversorgung ganzer Städte, die Funktion lebenserhaltender Maschinen in Krankenhäusern oder die Sicherheit von Atomkraftwerken, wird inzwischen von Computersystemen gesteuert. Angesichts dieser Abhängigkeit sollte man sich genau überlegen, auf welche Weise und in welchem Alter man Jugendlichen den Computer nahe bringt.

Ressort: Zisch

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