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Wer reinkommt, kann prima flirten

An den letzten Tagen der MoMa-Ausstellung in Berlin sind die pinkfarbenen T-Shirts der "MoManizer" besonders gefragt.  

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Ein bisschen peinlich ist es Nina Brach schon, so mitten auf dem Potsdamer Platz einen Kaffee zu schlürfen. Leute bleiben stehen, drehen sich um, starren oder sprechen die junge Frau an. Und sogar Geld sei ihr schon geboten worden. Nicht, dass die hübsche Studentin nie angesprochen werden würde - aber in diesen spätsommerlichen Tagen sorgt vor allem ihr grell-pinkfarbiges T-Shirt für Interesse. "MoManizer" steht mit großen Lettern auf der Brust und kennzeichnet die zumeist weiblichen Studenten, die wie Leuchttürme im Meer der berühmten Kunstwerke den Weg weisen.

Erster Auftrag an diesem Abend: Außendienst. Ganz ohne Passat und Vertreterkoffer, dafür aber mit einer Holzstaffelei und allerlei auf Pappmaché geklebten Drucken der hundert Meter weiter hängenden Originale soll die Wartezeit verkürzt werden. Die Wartezeit auf das Gastspiel des Museum of Modern Art, kurz "MoMa", in Berlin. Von elf Stunden Anstehzeit ist dieser Tage die Rede.

Klaus hat sich vorgedrängelt, aber seine Reisegruppe hat alles mitbekommen und pfeift den Pfälzer mit Wanderhut und Klappstuhl zurück. Wem diese Campingausrüstung zum Ansitzen fehlt, mietet man einfach bei Ninas Kollegen einen Hocker. "Einige lassen sogar anstehen", erklärt Nina die Subkultur des Dienstleistungsgewerbes in diesen letzten Tagen der spektakulären Ausstellung. Die Reisenden aus der Pfalz scheinen dankbare Zuhörer, die Stimmung in der Gruppe ist euphorisch. Eine Berliner Dame kommt hinzu: "Erklären Sie mal watt über den Chagall oder ditt andere Bild da", kräht sie in Ninas Richtung.

Nina entscheidet sich für erhellende Ausführungen zu einem Werk von Picasso, die ältere Dame nickt zufrieden. Ein Mann Mitte dreißig tippt währenddessen auf seinem Plastikkalender herum, der Touch-Screen schimmert grünlich an diesem späten Abend. Auch die Pfälzer lassen nach und allgemeines Schweigen macht sich breit - ob vor Erschöpfung vom Anstehen oder wegen großer Faszination bleibt unklar. "Es jeht nicht so um Kunst. Hauptsache rinkommen", fasst die ältere Dame aus Berlin-Pankow die Parole knapp zusammen. Presslufthörner, Autohupen und sogar Brezel-Verkäufer sorgen für sofortige Ablenkung der Besucher, wie sie sonst wohl nur Grundschulpädagogen beklagen. Nina erzählt unterdessen unbeeindruckt weiter. Mehrere hundert Meter trennen die Wartenden noch vom Glück.

300 Bewerber habe es für den Job der "MoManizer" gegeben. "Am liebsten wurden Studenten der Kunstgeschichte genommen", erklärt Nina. In letzter Zeit häuften sich in der Ausstellung Fragen, wo denn bitte das Munch-Gemälde "Der Schrei" zu finden sei. Die "MoManizer" haben eine griffige Antwort: Hören Sie ihn nicht? "Viele Besucher glauben einfach nicht, dass die Bilder wirklich echt sind", plaudert Nina, "und regelmäßig wird übrigens auch nach der ,Mona Lisa' gefragt." Zu späterer Stunde im internen Jargon werden denn die Besucher auch gerne mal als "Kunstidioten" bezeichnet. "Das kann mein 5-Jähriger malen", prahlt ein Besucher aus Eberswalde. "Besonders freut man sich über die wenigen wirklich kunstinteressierten Besucher", merkt Nina an. Und lobt: "Man kann hier toll flirten, weil man sofort ein gemeinsames Thema hat." Und zwar nicht unbedingt ein unstrittiges: Seit Monaten debattieren die Menschen in Berlin über die MoMa-Kunst und werden das auch bis zum Ende der Ausstellung am Sonntag tun. "In Berlin gibt's ewig die vielen Ausstellungen - nicht nur die im MoMa-Gebäude", sagt Nina, "da sieht man mindestens so gute Bilder ganz ohne Anstehen." Spricht's und verabschiedet sich in den Feierabend.

Ressort: Zisch

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