"Wer nicht gerne liest, der soll es eben bleiben lassen"
Der flämische Autor Bart Moeyaert würde auch schreiben, wenn seine Bücher niemand lesen würde - ein Porträt.
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Als er noch nicht schreiben konnte, zeichnete der kleine Bart Geschichten, später schmückten Buchstaben seine Gemälde. Er malte Ws als Wellen in einen Teich und As stellten die Augen der Eulen dar. Moeyaert ist ein etwas schmächtiger Mann, seine Schultern sind nach vorne gebeugt, schmale Lippen, tiefe dunkle Augen scheinen etwas im Raum fixieren zu wollen und starren dann doch ins Leere. "Nach meiner Geburt", erzählt er und lacht, "beschloss meine Mutter die Pille zu nehmen, um keine weiteren Kinder zu bekommen."
Er war der siebte Sohn, aufgewachsen im belgischen Brügge. Sein Vater war Lehrer, seine Mutter widmete ihr Leben den Kindern. Nein, einfach war es nicht mit sechs älteren Brüdern. Beim Abendbrot durften die Kinder von ihren Tageserlebnissen berichten, eines nach dem anderen. Doch die Mahlzeit dauerte nicht lang genug, als dass Bart an die Reihe gekommen wäre. Heute lauschen ganze Schulklassen seinen Worten. Und er erzählt gerne, weniger von seinen Büchern - denn die kann man ja lesen - als von seinem Leben: Moeyaert besuchte eine reine Jungenschule. Mit 16 begann er, Tagebuch zu schreiben - heimlich, weil ein Junge, der eine Jungenschule besucht und Tagebuch schreibt, gleich zwei Mädchen auf einmal sei. Doch sein Leben erschien ihm nicht aufregend genug, um es niederzuschreiben. Er erfand fiktive Personen, zum Beispiel Judith, seine erste Liebe. Später wurde aus Bart Leander und aus Judith Liselot. Das Manuskript schickte Bart an mehrere Verlage. Als er 19 war, erschien sein erster Roman "Leander, Liselot und die Liebe", der gleich ein Besteller wurde.
In allen seinen Bücher tragen die Protagonisten autobiographische Züge. Aber da ist mehr, was den Leser fasziniert, ihn an das Buch fesselt und noch Wochen danach seine Gedanken um die Geschichten kreisen lässt. Es ist die Möglichkeit der Identifikation mit den Protagonisten. Es ist die Präzision seiner Worte: kein Satz erscheint überflüssig, auf wenigen Seiten wird der Leser zur Katastrophe hingeführt. Es ist die Tatsache, dass seine Bücher mehr Fragen aufwerfen als beantworten. Zum Beispiel seine Liebesgeschichte "Im Wespennest", in der eigentlich nur ganz wenig Liebe vorkommt. Ein Mädchen berichtet aus der Ich-Perspektive von einem Streit im Dorf, von der Konfrontation mit ihrer Mutter und von ihrer aufkeimenden Liebe zu einem Marionettenspieler. Moeyaert schafft - anders als Joanne Rowling in ihren Harry-Potter-Bänden - Raum für Fantasie. Seine Lieblingskinderbuchautorin ist Astrid Lindgren. Gerade liest er ein Buch von einem Franzosen, dessen Namen er vergessen hat. Er reist gerne, mag Freiburg, aber freut sich auch auf zu Hause, wo er wieder Ruhe findet zum Schreiben.
Was war seine beste Zeit? Der 38-Jährige überlegt lange. "Nein, meine Kindheit war es nicht. Ich habe erst sehr viel später mein inneres Gleichgewicht gefunden. Ja, ich lebe gerne. Kinder wären schön. Keine sieben, vielleicht zwei. Das geht aber nicht, weil ich einen Freund habe." Es freut ihn, wenn Jugendliche seine Bücher lesen. In eine Schublade mit der Aufschrift Jugendbuchautor möchte er sich aber nicht stecken lassen. "Jugendbücher schreiben ist einfach", meint Moeyaert, "man muss nur sieben Dinge beachten: Erwachsene, Streit mit Erwachsenen, Musik, aber keine klassische, Schule, etwas Liebe, das Aussehen und Sport. Ich schreibe keine Jugendbücher. Ich schreibe für gar niemanden. Wenn du meine Bücher liest, dann lernen wir uns kennen, wenn nicht, dann ist das auch okay."
Eva Müller
Bücher von Bart Moeyaert: Leander, Liselot und die Liebe. Hammer, Wuppertal 1998; Im Wespennest. Beltz & Gelberg, Weinheim 2000.
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