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Neue Studie

Wer Müll im Meer entfernt, könnte auch Ökosysteme schädigen

In riesigen Meereswirbeln treiben Unmengen Plastikmüll, aber auch spezielle Lebewesen. Wissenschaftler befürchten: Entfernt man den Müll, gefährdet man womöglich dieses Ökosystem.  

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Die violette Veilchenschnecke produzie...Strudeln, wo dieser Müll sich sammelt.  | Foto: Denis Riek (dpa)
Die violette Veilchenschnecke produziert Blasen, um an der Wasseroberfläche zu bleiben. Das sieht aus wie Plastikmüll, ist aber keiner. Allerdings lebt die Schnecke in denselben Strudeln, wo dieser Müll sich sammelt. Foto: Denis Riek (dpa)
Der Große Pazifische Müllstrudel beherbergt neben Zehntausenden Tonnen Kunststoff eine Fülle schwimmender Meeresorganismen direkt unter der Wasseroberfläche. Wie ein Forschungsteam im Fachblatt "PLOS Biology" berichtet, ist deren Zahl in Gebieten mit besonders viel Plastikmüll besonders hoch. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler befürchten daher, dass ausgerechnet Versuche, den Müll aus den Ozeanen zu fischen, eine Gefahr für diese Ökosysteme darstellen könnten.

Die sogenannte "Blaue Flotte" lebt direkt unter der Wasseroberfläche

Das sogenannte Neuston, nach dem Griechischen "Das Schwimmende", ist eine besondere maritime Lebensgemeinschaft. Es bezeichnet die Gesamtheit der Tiere, Pflanzen und Mikroorganismen, die direkt unter der Wasseroberfläche leben. Viele dieser Lebewesen haben eine auffällige blaue oder violette Färbung, von der vermutet wird, dass sie vor UV-Strahlen schützt oder als Tarnung vor Fressfeinden dient. Entsprechend werden die Tiere "blaue Flotte" genannt.

Da die Neuston-Organismen Strömungen nutzen, um sich im offenen Ozean fortzubewegen, vermutete ein Team um Biologin Rebecca Helm, dass sie massenhaft in den großen Müllstrudeln der Weltmeere zu finden sind. Solche Plastikwirbel entstehen, wenn Oberflächenströmungen die Kunststoffverschmutzung von den Küsten in Regionen treiben, in denen rotierende Strömungen die schwimmenden Objekte einfangen.

Meeresströmungen versammeln nicht nur Müll, sondern auch Organismen

Die Wissenschaftler begleiteten 2019 den französischen Rekord-Langstreckenschwimmer Ben Lecomte, der im Rahmen der Aktion "The Vortex Swim" in 80 Tagen durch den Pazifischen Müllstrudel schwamm, um auf die Verschmutzung der Meere aufmerksam zu machen. Während der Tour sammelte das Team Proben und fand dabei mehr neustonische Meereslebewesen innerhalb des Nordpazifikwirbels als an dessen Rändern.

Ihre Studie könne nur stichprobenartige Ergebnisse liefern, schreiben die Forscher selbst. Nichtsdestotrotz lege ihre Arbeit nahe, dass dieselben Meeresströmungen, die den Plastikmüll in den Ozeanwirbeln konzentrierten, für die Lebenszyklen der schwimmenden Meeresorganismen von entscheidender Bedeutung sein könnten, da sie diese zur Nahrungsaufnahme und Paarung zusammenführten. Tatsächlich wiesen die Meeresbiologen in mindestens einer Probe Segelquallen-Nachwuchs nach.

Das Entfernen des Mülls könnte für die Lebewesen gefährlich werden

Menschliche Aktivitäten könnten sich jedoch negativ auf diese Begegnungsstätten auf hoher See und die von ihnen abhängige Tierwelt auswirken. So dienten die Neuston-Organismen etwa Seevögeln und Fischen. Rebecca Helm hat nicht zuletzt Projekte wie "The Ocean Cleanup", bei dem mit Fangvorrichtungen Abfälle aus dem Meer geholt werden, im Blick.

Das Ocean-Cleanup-Projekt widerspricht: Die Warnung beruhe auf falschen Annahmen. Es gebe keine Hinweise, dass sich Plastikmüll und Neuston am selben Ort befänden. Die neuen Erkenntnisse änderten jedoch diese Sichtweise, so Helm. Es lege nahe, dass Meereswirbel nicht nur Sammelbecken für Kunststoffabfälle seien: "Sie sind Ökosysteme, nicht wegen, sondern trotz des Plastiks."

Ressort: Panorama

  • Artikel im Layout der gedruckten BZ vom Di, 09. Mai 2023: PDF-Version herunterladen

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