Wenn Roboter die Rente zahlen
BZ-GASTBEITRAG: Wolfgang Kessler will, dass auch Computer Sozialbeiträge leisten sollten, wenn sie Arbeitskräfte ersetzen.
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In den nächsten Jahren rollen große Herausforderungen auf den Sozialstaat zu. Immer mehr Rentner stehen weniger Beschäftigten gegenüber. Noch viel stärker wird sich die Digitalisierung der Arbeitswelt auswirken. Niemand weiß genau, wie viele Arbeitsplätze durch die künstliche Intelligenz in der Verwaltung oder etwa durch selbstfahrende Autos und Lkw im Verkehr ersetzt werden. Doch einig sind sich die Experten, dass mehr Arbeitsplätze abgebaut werden als neue geschaffen. Und dies vor allem unter Dienstleistern in den Büros, wo in den vergangenen Jahren viele Arbeitsplätze entstanden sind. Das wird die Sozialversicherungen kräftig durcheinanderwirbeln. Denn sie finanzieren sich zu einem großen Teil über Beiträge auf Erwerbsarbeit – zu zahlen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Dazu stützen Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt Renten und Krankenversicherung.
Wenn die Bedeutung der Löhne für die Wertschöpfung durch die Technisierung abnimmt, werden Renten- und Krankenkassen in Finanzierungsnöte geraten. Entweder müssen die Lohnbeiträge für Arbeitnehmer und Arbeitgeber stark steigen – oder aber die Leistungen der Sozialversicherungen stark gekürzt werden: zum Beispiel durch einen Renteneintritt erst mit 69 oder 70 Jahren. Gegen höhere Lohnbeiträge wehren sich vor allem Betriebe mit vielen Arbeitsplätzen, weil ihre Kosten steigen. Gegen ein steigendes Rentenalter oder weitere Rentenkürzungen wehren sich die Betroffenen. Zu Recht, denn die Renten wurden im vergangenen Jahrzehnt schon gesenkt.
Die Alternative zu höheren Beiträgen oder sinkenden Leistungen besteht darin, die Finanzierung der Sozialversicherungen auf eine breitere Grundlage zu stellen. Und dabei die Wertschöpfung der Maschinen einzubeziehen, die ja Beitragszahler ersetzen. Diese Diskussion findet in Deutschland allenfalls in Spezialistenzirkeln statt. In Österreich wird sie dagegen breit diskutiert – und dies seit langem.
Schon 1987 präsentierte dort der damalige Sozialminister Alfred Dallinger von der SPÖ eine Alternative: Er wollte die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung durch eine sogenannte Wertschöpfungsabgabe ersetzen. Diese sollte auf die Lohnsumme, aber auch auf die Abschreibung von Maschinen, Computern und Robotern erhoben werden.
Dieses Konzept war intelligent. Denn Dallinger wollte keine primitive Steuer auf Maschinen, wie ihm dies sogleich von Gegnern unterstellt wurde. Er wusste, dass eine einfache Maschinensteuer die Innovationskraft hemmen könnte. Er wollte vielmehr die Finanzierungsbasis von Renten- und Krankenversicherung verbreitern: auf Löhne und Maschinen. Personalintensive Betriebe, die heute besonders stark durch Beiträge belastet werden, wären entlastet und kapitalintensive Betriebe stärker belastet worden. Damals konnte sich Dallinger mit dieser Forderung nicht durchsetzen.
Auch in Deutschland wurde sie für kurze Zeit in einer Kommission des Deutschen Bundestages diskutiert. Die Wertschöpfungsabgabe fand aber lediglich Eingang in das Wahlprogramm der Linkspartei. Dort blieb sie weitgehend unbeachtet.
Da ist es gut, dass die österreichische Sozialdemokratie – immerhin führender Regierungspartner – dieses Konzept wiederentdeckt hat. Sie will die Sozialversicherungen künftig mit einer breiten Wertschöpfungsabgabe finanzieren, die auf Löhne, Gehälter, Abschreibungen auf Maschinen, Gewinne, Zinsen, Mieten und Pachten erhoben werden soll. Damit würden Kapitaleinkommen, Arbeitseinkommen und die Technik gleichermaßen für den Sozialstaat herangezogen.
Über die Details einer solchen Wertschöpfungsabgabe kann und muss man sicher streiten. Aber kreativer als kurzlebige Kompromisse oder die stereotypen Forderungen nach einer Erhöhung des Rentenalters auf 70 oder dramatisch höheren Beiträgen ist der Vorschlag schon. Und vor allem: Er ist zukunftsfähig, denn Arbeit wird immer weiter durch Maschinen ersetzt werden.
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