Wenn Mama und Papa sich nie liebten
Eltern werden, obwohl man keine Beziehung führt: Beim Co-Parenting geht es um den Kinderwunsch und gute Gemeinschaft.
Jennifer Weese (dpa)
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Sie haben gemeinsam ein Kind, ein Paar sind sie aber nicht – und sie waren es auch nie. Eine Familie sind sie trotzdem. Christine Wagner und Gianni Bettucci haben sich vor gut acht Jahren dazu entschieden, zusammen Eltern zu werden. Verliebt waren sie nie ineinander, und Sex hatten sie auch nicht. Die beiden Erwachsenen leben in einer Co-Elternschaft.
Ähnlich ist es auch bei Christine Wagner zu Hause: Sie und der Vater ihrer Tochter wohnen in zwei nebeneinander liegenden Wohnungen – verbunden durch eine gemeinsame Wohnküche. Sie ist der Treffpunkt für die drei – und alle anderen, die dazugehören.
Als der Kinderwunsch von Wagner größer wurde, war sie gerade in einer langjährigen Beziehung mit einer Frau. Gemeinsam gründeten sie die Online-Plattform Familyship, über die sie dann Gianni kennenlernte. Es sind aber nicht nur homosexuelle Frauen und Männer, die als Co-Eltern gemeinsam ein Kind bekommen wollen. "Die größte Gruppe sind tatsächlich heterosexuelle Singles, Frauen mit Ende 30", sagt Wagner über die Nutzergruppe der Plattform.
Eine von ihnen ist Anna, die ihren echten Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Sie ist 38 Jahre alt und versucht gemeinsam mit einem Co-Papa ein Kind zu zeugen. Für sie ist das Modell eine der letzten Möglichkeiten, eine Familie zu gründen. Was macht man also als Frau Ende dreißig mit einem Kinderwunsch und ohne Partner? Anna versuchte es ohne Erfolg bei einer Samenbank in Dänemark und später bei einer Kinderwunschklinik.
Sie hat sich in der Zeit immer mehr mit dem Thema auseinandergesetzt und es kamen Zweifel. "Ich hab mich dann gefragt, ob es wirklich das Richtige für mich ist, das ganz alleine durchzuziehen", sagt die 38-Jährige. Auch die Tatsache, dass das Kind bei einer Samenspende erst mit 18 den Vater kennenlerne, habe ihr zu denken gegeben. Über eine weitere Internet-Plattform fand sie dann den Mann, mit dem sie jetzt eine Co-Elternschaft wagen möchte. Anders als bei Christine Wagner und Gianni Bettucci, werden Anna und der potenzielle Co-Papa nicht zusammenwohnen. Sie wohnen nicht mal in derselben Stadt. Und trotzdem wollen sie gemeinsam die Verantwortung übernehmen. Damit es zwischen den Eltern funktioniert, sind von Anfang an klare Verhältnisse wichtig.
"Man hat eine Vorstellung vom Partner und auch davon, wie er funktionieren soll", sagt Grünewald. Wenn der aber anders ticke und der eigene Plan nicht laufe, dann sei die Gefahr für Konflikte groß. Wie bei allen anderen Familienkonstellationen gilt: Eine Familie sollte ein gutes Team sein. Die Werte sollten sich ähneln, wichtige Fragen müssen geklärt sein. Etwa: "Wie sieht für mich Familie aus? Wie will ich wohnen? Was ist mir für mein Kind wichtig?", sagt die Psychologin.
Nicht alle finden Konzepte wie Co-Parenting gut. Kritiker werfen den Frauen und Männern vor, aus Egoismus zu handeln. Vielleicht geht es darum, die eigenen Bedürfnisse zu erfüllen. "Ich rate immer dazu, den Kinderwunsch sehr ernst zu nehmen und achtsam zu prüfen, was ein Kind bedeutet", sagt die Psychologin Katharina Grünewald. "Das Kind kommt nicht auf die Welt, um meine Erwartungen und Bedürfnisse zu erfüllen. Diese liegen – ob mit oder ohne Kind – in meinem eigenen Verantwortungsbereich." Anna kann die Kritik nicht nachvollziehen: "Warum ist es egoistisch, wenn sich der Vater und die Mutter von Anfang an kennen?" Es gebe schließlich Kinder aus gescheiterten Beziehungen.
Die fehlende Liebe zwischen den Eltern empfindet Grünewald als "großes Manko" an diesem Konzept. "Ich bekomme nicht mit, wie Liebe geht, wenn nicht ein Elternteil in einer Liebesbeziehung ist." Auch Wagner glaubt, dass es wichtig für Kinder ist mitzubekommen, "dass Menschen Nähe zueinander haben". Gebe es einen neuen Partner, eine neue Partnerin, sei es wie in jeder Familie: "Wenn man so richtig Teil dieser Familie werden will, dann ist es, glaube ich, ein längerer Prozess."
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