Weihnachtsstück
Weit weg von Disney: "Die Schöne und das Biest" am Theater Freiburg
Martina van Boxen inszeniert am Theater Freiburg "Die Schöne und das Biest". Statt Disney-Zuckerguss gibt es Dialogwitz, Märchenzauber und klug gesetzte Leerstellen für die eigene Fantasie.
Mo, 13. Nov 2023, 19:50 Uhr
Theater
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Trotzdem ist Martina van Boxens Inszenierung von "Die Schöne und das Biest" nach Charles Way etwas ganz Besonderes geworden: Weit weg vom Disney-Zuckerguss setzt sie auf intensives Schauspiel samt Dialogwitz, statt buntem Tohuwabohu gibt’s verträumten Märchenzauber mit klug gesetzten Leerstellen für die eigene Fantasie. Und so ist das junge Publikum über siebzig Minuten lang hellwach dabei.
Zwei weiße Treppen flankieren die ansonsten leere Bühne, eine mit kanneliertem Säulenstumpf. Im Hintergrund ein großes Tor, rechts davon Marimba, Schlagzeug und Klavier, Blasinstrumente und Akkordeon, mit denen Live-Musiker Ro Kuijpers und das Ensemble einen stimmungsvollen Soundtrack spielen (Komposition und Einstudierung: Thorsten Drücker, Vincent Hammel). Das wirkt erst nüchtern, dann aber wogen und schäumen schwarz-schraffierte Wellenberge über den Prospekt, dazwischen kämpft ein Dreimaster wie auf einem bewegten Kupferstich.
Fantastische Projektionen hat Bühnenbildner Michael Habelitz für seine erste Freiburg-Arbeit kreiert – stimmungsvoll, floral, expressiv fungieren sie als immer wieder überraschende Kulisse. Umso stärker wirken davor Esther van de Pas sattfarbige Kostüme – auch sie, wie aus einer anderen Zeit, gemixt mit modernen Schnitten und komplex leuchtenden Mustern. Belle allerdings trägt gerade nur Bettdecke über’m Männerhemd: Wieder mal hat sie schlecht geträumt, die blonden Strubbelhaare stehen kreuz und quer, wild tanzen zwei Nachtmahre ganz in Weiß (Choreografie: Graham Smith mit Tänzerinnen aus der School of Life and Dance).
Das also soll die Schöne sein? Nix blondgelockte Prinzessinnenmähne, kein grazil wandelndes Himbeertörtchen mit Wespentaille! Die junge Dresdnerin Lorraine Töpfer gibt ihre Belle androgyn und schillernd: Zart und dabei burschikos, Naturkind und Leseratte mit Spinnenphobie, die trotz ihrer dunklen Visionen ganz schön mutig ist. Die Prinzessin ist ihre Schwester Cassandra (Clara Schulze-Wegener), aber eine mit großem Herzen und zu viel Temperament… Für die Vorgeschichte des französischen Volksmärchens müssen auf der Bühne viele Ortswechsel bewältigt werden: Ein Kaufmann (lustiger Papa: Christoph Kopp) verliert bei einer Havarie all sein Vermögen und muss mit seinen Töchtern von der Stadt auf einen kleinen Bauernhof ziehen.
Anders als Belle ist Cassandra darüber todunglücklich und jagt gleich mal ihren Verlobten zum Teufel (erst smarter Angeber, dann sehr witzig Schwyzerdütsch palavernder Trampel-Knecht: Fabian Guggisberg). Um die Ladung des letzten Schiffs zu retten, reitet der Kaufmann durchs Moor, hat einen Unfall und landet im Schloss des Biestes. Jetzt wird’s spannend: Blaues Licht, Wolfsgeheul, Gewitterkrachen, dazu eine hexenhafte Haushälterin (Sophie Meinecke). Ein Finsterfürst ist dieses Biest trotz Mähne, Krallen und gewelltem Brusthaar nicht – Angst muss niemand kriegen.
Stolz, aber traurig gibt Jan-Emanuel Pielow seine Kreatur, wortkarg, geschmeidig und sensibel. Erst als Belle ins Schloss kommt, um den Vater auszulösen, hat den Outlaw das Leben wieder. "Findest du mich sehr hässlich?", fragt er – "Ja!" antwortet sie. Bald sind die beiden wild und frei zusammen unterwegs im nächtlichen Wald. Da hört Belle schon auf ihr Herz…
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