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Warum der Wald nicht völlig ohne Menschen kann

  • Mo, 23. September 2024
    Kirchzarten

     

Wie viel Mensch verträgt oder braucht unser Wald? Dieser Frage ist Thomas Seifert von der Universität Freiburg bei einem Vortrag beim Ökumenischen Bildungswerks Dreisamtal auf den Grund gegangen.

Eine Tonne verarbeitetes Holz, das sind bei einer Fichte zwei Kubikmeter, speichert 1,8 Tonnen Kohlenstoffdioxid. Foto: Volker Hohlfeld (imago)
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Man sieht regelmäßig abgestorbene Bäume. Da muss man auch im Dreisamtal nicht lange suchen. Viele sind schon von der B31 aus erkennbar – das war früher nicht so. Grund für die Entwicklung ist die erhöhte Durchschnittstemperatur, verursacht durch den menschengemachten Klimawandel. Die im Schwarzwald beheimateten Bäume, wie Fichte, Buche und Kiefer können Dürre nicht gut vertragen, sagt Thomas Seifert von der Universität Freiburg. Bei einem Vortrag beim Ökumenischen Bildungswerk Dreisamtal ist er der Frage nachgegangen: "Wie viel Mensch verträgt oder braucht unser Wald?"

Wenn die Bedingungen nicht stimmten, leide der Baum daran, ähnlich dem menschlichen Abwehrsystem. Zum Beispiel könne Harzfluss bis zu 200 Borkenkäfer pro Baum abwehren. Eine Fichte wachse sehr hoch, weil sie ihre Wurzeln oberflächlich halte, meist zwischen 20 und 60 Zentimetern Tiefe. Fehle aber Wasser, sei der Harzfluss gestört und die Bäume entwickelten tiefere Wurzeln, wüchsen also lieber nach unten.

Wäre es also besser, den Wald einfach in Ruhe zu lassen? Dann, so die Hypothese, halte man ihn dicht und es bleibe mehr Feuchtigkeit im Wald. Tatsächlich seien die Wälder stark menschlich geprägte Ökosysteme, erklärte Seifert, der eine Professur für Waldwachstum und Dendroökologie inne hat. Die Bäume sich selbst zu überlassen, wäre wie das Aussetzen eines Haustiers – der domestizierte Wald würde nicht überleben, sagt Thomas Seifert. Das liege zum Beispiel daran, dass dichtere Wälder gar nicht mehr Feuchtigkeit speichern könnten, da das Wasser von kleineren Regenschauern oft schon im Laub verdunste, bevor es den Waldboden erreiche. Je weniger Bäume es also gebe, desto mehr Wasser erreiche den Waldboden – und bleibe dort, weil weniger Bäume es aus dem Erdboden entziehen könnten. Die Durchforstung beschleunige also das Wachstum der Bäume.

Eine weitere Frage, mit der sich der Vortragende befasste: Wie hilft die Nutzung von Holzprodukten dem Klima? Ein stillgelegter, dichter Wald könne mehr Kohlenstoffdioxid speichern als ein stark beforsteter. Jedoch werde er nicht so viel speichern, wie wenn man das Holz des Waldes nutze, also Bäume fälle und verarbeite. Das klinge widersprüchlich, sei aber einfach zu erklären. Eine Tonne verarbeitetes Holz – das sind bei einer Fichte zwei Kubikmeter – speichert 1,8 Tonnen CO2, rechnete der Experte vor. Das Holzprodukt agiere als Produktspeicher. Außerdem könne die Holznutzung auch als Substitutionsspeicher gesehen werden, das bedeute: Holz werde zum Beispiel anstelle von Stahlträgern im Bau genutzt, oder Holz-Pellets anstelle von Kohle und Öl, um Wärme zu erzeugen. Ein dicker Stamm von zwei Tonnen kann durch die CO2-Substitution zusätzlich noch 3,8 Tonnen CO2 einsparen, damit ergebe sich eine Summe von 5,6 Tonnen.

Was bedeutet das alles für die Antwort auf die Ausgangsfrage? Der Wald an sich brauche keine Menschen. Es gäbe ihn auch ohne. Die Menschen hätten den Wald aber verändert, deshalb wäre es nach all den Jahrhunderten von Forstwirtschaft und Nutzung durch den Menschen der falsche Schritt, ihn sich selbst zu überlassen. Deshalb gebe es Förster, die den Wald pflegten und nach dem Rechten sehen. Wäre das Beforsten der Wälder schädlich, würde man es nicht machen, sagte Thomas Seifert. Er stützte sich dabei auch auf eine der Botschaften der Bibel, die dem Menschen eine verantwortungsvolle Position gibt, nämlich die, die Schöpfung zu bewahren. Seiferts Resümee des Abends lautet: So wie es aussieht, braucht der Mensch den Wald, aber der Wald braucht auch den Menschen.

Ressort: Kirchzarten

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