Meeresschutz

Wale sollen zur juristischen Person werden

Der Gesang der Wale ist ein Barometer für die Gesundheit der Weltmeere. Aber ihre Lieder verstummen immer mehr. Maori und andere indigene Völker ergreifen eine außergewöhnliche Initiative.  

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Grauwal in Baja California  | Foto: Semarnat (dpa)
Grauwal in Baja California Foto: Semarnat (dpa)
Für die Ureinwohner Neuseelands sind Wale mehr als Tiere. Die Maori sehen eine direkte Verbindungslinie zwischen sich und den Meeressäugern und betrachten sie als ihre Vorfahren. Als Verwandte. Bei ihren Reisen über die Ozeane wurden sie laut Überlieferung einst von Tohora (so das Maori-Wort für Wale) beschützt. Heute sehen sich die Maori selbst als Hüter der bedrohten Giganten. Auch anderen indigenen Inselbewohnern im Südpazifik – speziell in Polynesien – gelten Wale als heilig. Einige ihrer Anführer haben sich nun zusammengetan, um den Tieren einen neuen Status zu verleihen: den einer juristischen Person.

Vor Kurzem wurde auf Rarotonga, der größten der Cookinseln, eine entsprechende Vereinbarung mit dem Namen "He Whakaputanga Moana" – Deklaration für den Ozean – unterzeichnet. An der Zeremonie nahmen neben dem Maori-König Tuheitia Paki auch mehr als ein Dutzend hochrangige Vertreter der Ureinwohner der Cookinseln und Tahitis teil. Ihre Hoffnung ist, dass sich andere Inseln der Region der Initiative anschließen und sich ein solcher Schritt am Ende auch international durchsetzen kann. Das Ziel: Eine Grundlage zu schaffen, um Wale weltweit besser schützen zu können.

"Der Gesang des Liedes unserer Vorfahren ist schwächer geworden, und ihr Lebensraum ist bedroht, weshalb wir jetzt handeln müssen", sagte König Tuheitia Paki. "Wir können nicht länger die Augen verschließen. Wale spielen eine entscheidende Rolle für die Gesundheit unseres gesamten Meeresökosystems."

Die Meeressäuger sind nicht nur durch Klimawandel, Umweltverschmutzung, Lärm oder die Kollision mit Schiffen gefährdet, sondern auch durch den kommerziellen Walfang. Arten wie der Blauwal oder der Grönlandwal gelten als stark gefährdet und drohen bald auszusterben.

Gleichzeitig sind Wale wichtige Klimaschützer: "Sie durchmischen Nährstoffe im Meer und fördern durch ihre Ausscheidungen das Wachstum von Phytoplankton, das mehr als die Hälfte des weltweiten Sauerstoffs produziert", heißt es auf der Webseite der Organisation Whale and Dolphin Conservation. Ihre Körper dienten als Kohlenstoff-Speicher und seien nach ihrem Tod eine wertvolle Nahrungsquelle für das Leben in der Tiefsee.

Aber was umfasst ein juristischer Status? Laut der Maori-Umweltschützerin Mere Takoko geht eine solche Maßnahme weit über traditionelle Schutzmaßnahmen hinaus, weil Wale so als Personen mit inhärenten Rechten anerkennt werden. "Dazu gehören das Recht auf Bewegungsfreiheit, auf eine gesunde Umwelt und darauf, Seite an Seite mit der Menschheit zu gedeihen." Würde ein Schiff einen Wal verletzen oder gar töten, würde dies vermutlich mit hohen Geldstrafen verbunden sein. Versicherungen könnten dann etwa von den Eignern verlangen, spezielle Überwachungs- oder Antikollisionsgeräte zu installieren.

Die Erklärung sei zwar bisher kein verbindlicher internationaler Vertrag, habe aber erhebliches Gewicht, ist Takoko überzeugt. So gebe es bereits eine weltweite Diskussion über den rechtlichen und ethischen Status von Walen. Und das Konzept sei auch nicht neu, sondern inspiriert vom "Te Urewera Act" von 2014 – der Neuseeland zu einem Vorreiter im Umweltschutz machte. Damals hatte das Parlament das Waldgebiet Te Urewera auf der Nordinsel zur juristischen Person erklärt und ihm alle damit verbundenen Rechte zugesprochen. 2017 folgte der Whanganui River, der drittlängste Fluss des Landes. Dieser wird nun als ein unteilbares und lebendiges Ganzes anerkannt, was seinen gesamten Verlauf von den Bergen bis zum Meer und alle seine physischen und metaphysischen Elemente umfasst. Erst 2023 erhielt auch der Berg Taranaki Maunga den gleichen Status eines Rechtssubjekts.
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