Waidmannsheil in der weiten Welt
Hans-Joachim Schick geht seit Jahrzehnten auf Großwildjagd und schießt munter Tiere – verwerflich findet er das gar nicht.
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Wie viele Tiere Schick im Ausland erlegt hat, möchte er nicht sagen. Wohl einige Dutzend. Moralisch hat er damit kein Problem. Doch er weiß um das miese Image der Großwildjäger und will keine Zahl nennen, die bloß neuer Zündstoff wäre. Die Debatte ist heiß, das zeigt ein Fall aus den USA: Dort erhielt ein Mann Morddrohungen, weil er die Lizenz ersteigert hatte, ein Nashorn zu schießen. In Thüringen wurde 2014 ein Beamter versetzt und auch mit dem Tod bedroht: Es kursierten Bilder, wie er in Botswana vor einem erlegten Elefanten posiert.
Schick schreckt das nicht. Er jagt Großwild, "weil es hierzulande kein wehrhaftes Wild gibt", wie er sagt. Wild also, das den Jäger töten könnte. Einmal raste in Burkina Faso ein Büffel auf ihn zu, doch Schick streckte ihn mit mehreren Schüssen nieder. Sobald wehrhaftes Wild angeschossen ist, attackiert es den Jäger.
Leoparden seien dafür berüchtigt, sagt Schick. Ein Freund von ihm bekam die Tatze eines schwer getroffenen Leoparden ins Gesicht und verlor nur deshalb kein Auge, weil er eine Brille trug. Noch gefährlicher seien Elefanten; die müssten nicht mal angeschossen sein, um zu attackieren. Deshalb sagt Schick: "Ein Auslandsjäger sollte körperlich fit sein und auf 100 Meter sicher schießen können." Es versteht sich, dass er das kann.
Hans-Joachim Schick ist 75, Rentner aus Suthfeld bei Hannover und Träger des Bundesverdienstkreuzes, das er für seine Leistungen bei der Bundeswehr erhielt. Sein rotes Haar ist sorgfältig zurückgekämmt. Er ist höflich, aber bestimmt. Man könnte auch sagen: zackig. Den Militärdienst verließ er als Kommandeur des Panzer-Batallions in Hildesheim. Danach wurde er Kurdirektor, später Geschäftsführer einer Klinik und eines Hotels. Schick hat vier Kinder, sieben Enkel und ein eigenes Jagdrevier, in dem er jedes Jahr gut ein Dutzend Rehe schießt.
Heimisches Wild jagen hierzulande mehr als 300 000 Menschen, mit dem Jagdgewehr ins Ausland reisen etwa 50 000. Schick leitet den "Interessen-Verband der Auslandsjäger" (IVA), der 340 Mitglieder hat. Von ihrer Leidenschaft erzählen wollen wenige, schon gar nicht öffentlich. Der Kritiksturm bläst zu heftig.
Nicht so Hans-Joachim Schick: "Ich sehe es als meine Aufgabe an, als IVA-Präsident für die Vorzüge der Auslandsjagd zu werben", sagt er. Für die Mitglieder organisiert er Seminare mit Titeln wie "Keiler in Anatolien". Mit seiner Frau gibt er die Verbandszeitschrift "Durchblick" heraus. Darin schildern Gleichgesinnte ihre Erlebnisse. Über die Jagd auf afrikanische Warzenschweine liest man dort von "wundervollen, ruhigen Jagdtagen" und "Nahschweinerlebnissen". Der Verein will zudem die Wildbestände fördern. Daher spendete man etwa für ein "Naturschutzgebiet mit jagdlicher Nutzung" in Namibia.
Man wolle ja nicht am eigenen Ast sägen, sagt Schick. Was er meint, ist klar. Und doch klingt das schräg für jemanden, der mit Vergnügen zur langen Jagdbüchse greift, auf die ein hochwertiges Zielfernrohr montiert ist. Die Gewehrkugeln sind gut einen Zentimeter dick und fliegen bis zu fünf Kilometer weit. Schrot kommt selten zum Einsatz, weil er bei schwerem Wild nicht tödlich wirkt.
Schicks goldverziertes Gewehr stammt aus Erich Honeckers Besitz. Ein Sauer 80 aus Westdeutschland, das vermutlich als Geschenk zum ehemaligen Staatsratsvorsitzenden der DDR gelangt war. Nach der Wende wurde es versteigert und Schick zum neuen Eigentümer. Seine "Honecker-Büchse" erwähnt Schick immer mal wieder, wichtiger ist ihm aber, die Vorurteile über die Großwildjagd abzuräumen. Er erklärt, dass das Wildfleisch immer in die Mägen der Einheimischen wandere. Den Jäger würden nur Kopf und Fell seiner Beute interessieren. Die schlägt fünfstellig zu Buche: Fährtenleser, Träger und ein einheimischer Berufsjäger müssen ebenso bezahlt werden wie die Überführung von Fell und Kopf. Alles wird medizinisch untersucht, bevor ein Präparator Hand anlegen darf. Echt sind an den Trophäen nur das Fell und manche Hartteile. Ausgestopft werden sie schon lange nicht mehr – heute zieht man das Fell über einen Plastikleib.
Für die Menschen in Afrika seien Jagdtouristen Alltag und Wirtschaftsfaktor zugleich. "In Namibia sorgt der Jagdtourismus für 20 Prozent der Staatseinnahmen", sagt Schick. Dass viele afrikanische Regierungen korrupt sind, erwähnt er nicht. Offiziell müssen die Einnahmen aus den Jagdlizenzen aber zur Förderung des Wildbestands eingesetzt werden. Es gibt Abschussquoten und Jagdgesetze. Das ist nötig, denn jedes Jahr reisen Tausende Jagdtouristen an.Und die tragen sogar zur Arterhaltung bei, meint Schick. Die legale Jagd sei kein wahlloser Eingriff; durch sie sei noch keine Tierart ausgerottet worden. Selbst der WWF schreibt auf seiner Website, dass es gelungen sei, die Großwildjagd "als Schutz- und Managementmaßnahme für bestimmte Arten einzusetzen und durch sie Anreize zur Erhaltung sowohl von Lebensraum als auch für Arten zu schaffen."
Der Internationale Tierschutzfonds IFAW lehnt die Großwildjagd und die Jagd auf gefährdete Arten grundsätzlich ab, selbst wenn das getötete Tier anschließend verzehrt wird. "Es sollte verboten werden, Wildtiere wegen ihres Fells oder ihrer Haut zu töten", sagt Dörte von der Reith vom IFAW.
Für Außenstehende stellt sich die Frage nach dem Sinn des Ganzen. Hier übernimmt Schicks Frau Bärbel: "Erst wenn man zum ersten Mal den Abzug drückt, weiß man, ob man dafür eine Leidenschaft hat", sagt sie. Ihr Mann nickt und erzählt von seiner Elefantenjagd: Früh am Morgen verlässt der Trupp das Lager. Die Spur am Wasserloch führt zu einem Elefantenbullen samt Familie. Jetzt zu schießen, wäre dumm – die Elefanten würden einen Gegenangriff starten. Man muss warten, bis sich der Bulle von seiner Familie entfernt. Die Tiere haben feine Nasen und Ohren, deshalb folgt ihnen der Trupp im Windschatten. Auf 20 Meter sollte man rankommen, sonst sitzt der Schuss nicht sicher. Die Kugel muss über dem Bein eindringen, damit sie ins Herz gelangt und das Tier sofort zusammenbricht. "Das ist das Wunschergebnis", sagt Schick, "mein Elefant ist damals aber noch 50 Meter gelaufen und brach erst dann zusammen." Wenn das Tier am Boden liegt, zeigt ein Tritt auf den Schwanz, "ob noch Leben drin ist", wie es Schick ausdrückt.
Nun werden die Innereien herausgebrochen. "Und dann erlebt man oft Wunderdinge – man glaubt, in einer menschenleeren Landschaft zu sein, aber Sie müssen es erlebt haben, woher überall Menschen strömen und sich freuen", berichtet Schick. Die Einheimischen holen sich das Fleisch des getöteten Tieres. Laut Schick hassen sie Elefanten, weil sie Menschen attackieren und die Ernte vernichten. In Afrika sei der Elefant eine Plage und keineswegs vom Aussterben bedroht. Allein in Botswana und Namibia gebe es etwa 150 000 Exemplare. Er hat für jedes Haut- und Körperteil des von ihm erlegten Elefanten eine Einfuhrgenehmigung des Bundesamts für Naturschutz. Falls die artenschutzrechtlichen Betstimmungen eingehalten werden, erlauben alle EU-Länder die Einfuhr von Jagdtrophäen geschützter Arten.
"Die Jagd gibt es, seit es die Menschheit gibt. Wer etwas gegen die Jagd hat, muss das begründen – nicht der, der sie ausübt", sagt Schick. Sein Umfeld sehe die Großwildjagd positiv. Bis auf einen Schwiegersohn, doch darüber will Schick jetzt nicht reden.
Kein Verständnis hat er für Jagdgegner. Die stecken wohl hinter den Hacker-Angriffen auf die Internetseite seines Jagdverbands. Die Seite musste wegen der Attacken zweimal komplett neu aufgesetzt werden. "Solche Menschen urteilen nach Bauchgefühl, da sie fernab der Natur leben und im Tier nur ein Kuscheltier sehen", sagt Schick. Eine klare Botschaft hat er für alle, die Fleisch essen, aber die Jagd verteufeln: "Das im Schlachthof getötete Tier hat kein glückliches Leben hinter sich, das erlegte Wild schon."
Und der Spaß am Töten? Schick zitiert den spanischen Philosophen Ortega y Gasset: "Man jagt nicht, um zu töten – sondern tötet, um jagen zu können." Die Tierjagd ist für Ortega y Gasset die Freudenquelle schlechthin. Auch Schick spricht von einem Glücksgefühl, das ihn durchströmt, sobald das Tier erlegt ist.
Die Wanduhr tickt laut, die Einwürfe von Schicks Frau sind leise, aber akkurat. Schon fast eine Stunde malt Schick ein leuchtendes Bild des Jägerlebens, und nun darf auch seine Hündin Askari wieder ins Haus, die wegen des Besuchers in den Garten verbannt wurde.
So pointensicher und intensiv wie Schick plaudern die Wenigsten über die Großwildjagd. Nicht zuletzt, weil mancher deswegen berufliche Nachteile fürchte, sagt Schick. Obwohl seine Karriere hinter ihm liegt, fragt er mehrfach, ob hier ein "jagdfeindlicher Text" geplant sei. Bundesverdienstkreuz, Enkel, Eigenheim: Schick hat alles, was man für einen netten Lebensabend braucht. Dass seine Leidenschaft verpönt ist, wurmt ihn aber. Jagdgegner glauben, dass Schick Tieren Unrecht tut – Schick glaubt, dass ihm die Jagdgegner Unrecht tun. Die Genugtuung liegt bei den Gegnern: Obwohl die Großwildjagd legal ist, wissen sie: Man zahlt dafür nicht nur mit Dollar, sondern auch mit Ansehensverlust.
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