Erinnerung
Vor 100 Jahren wurde "Pumuckl"-Erfinderin Ellis Kaut geboren
Sie wollte eine Heilige sein – und wurde zur Erzählerin. Vor 100 Jahren wurde Ellis Kaut in Stuttgart geboren. Ihre Lebensidee war ein kleiner frecher Klabautermann mit dem Namen "Pumuckl".
kna
Mo, 16. Nov 2020, 20:47 Uhr
Literatur & Vorträge
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Bevor dieser rothaarige Schelm über Radio und Fernsehen ein Star wurde, erprobte sich Ellis Kaut auf vielen Gebieten. Bei den Heiligen war es vor allem der Mut gewesen, der ihr imponierte. "Die ließen sich foltern, verbrennen, den Löwen vorwerfen und wichen keinen Schritt von ihrem Bekenntnis ab", notiert die Autorin in ihren 2009 erschienenen Memoiren. Als Schülerin war sie an einem Montag Nachmittag tapfer in eine riesige stille Kirche gegangen und hatte bis zum Altar und wieder zurück mit voller Lautstärke das Kirchenlied "Großer Gott, wir loben dich" gesungen. Die Folgen? Keine.
Was blieb, war die Courage, ihren Weg zu gehen. Als Jugendliche schrieb Kaut Theaterstücke und meldete sich mit 16 Jahren zum Schauspielunterricht an. Die Eltern hielten ihre Tochter nicht zurück, auch wenn sie sie gern in einem "seriösen" Beruf gesehen hätten. Zumindest finanzierte sie ihre Ausbildung von dem geringen Gehalt als Kanzleianwärterin im Münchner Rathaus. Bei der Stadt lernte sie nicht nur perfekt Schreibmaschine Schreiben, sondern auch ihren künftigen Mann, den Journalisten Kurt Preis, kennen.
Ellis Kaut mag eine selbstbewusste junge Frau gewesen sein. 1937, als immer häufiger von einem bald beginnenden Krieg die Rede war, sorgte sie sich jedoch um die Zukunft. Mit 17 Jahren sei es damals ihr einziger Wunsch gewesen, "wenigstens 25 zu werden", erzählte sie in einer Sendung des Bayerischen Rundfunks. Er erfüllte sich; sie heiratete noch vor Kriegsausbruch. Ihr Gatte gehörte zu den ersten Männern, die eingezogen wurden. Statt in der Premiere eines Goldoni-Stücks am Wiesbadener Residenztheater aufzutreten, reiste die Ehefrau nach Markt Schwaben, um sich von ihm zu verabschieden.
Ihre Bühnenlaufbahn war damit beendet. Ab 1940 begann Ellis Kaut ein Studium der Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste in München. Als Kaut nach einem Fronturlaub ihres Mannes mit ihrem Wunschkind schwanger wurde, beantragte sie die Evakuierung zu den Schwiegereltern nach Kiefersfelden. Dort widmete sie sich ihren bildhauerischen Arbeiten. Im März 1945 kam die Tochter Ursula zur Welt.
Gelegentlich verfasste Ellis Kaut damals Texte und Erzählungen für den Bayerischen Rundfunk. Ihre Kreativität wurde geschätzt. Zum Renner entwickelten sich ihre "Geschichten vom Kater Musch". Über 100 halbstündige Folgen waren sieben Jahre lang zu hören. Als für den Kinderfunk eine neue Serie gesucht wurde, meinte deren Leiterin zu Kaut: "Fällt denn Ihnen nichts ein?" Mitten im Sommer kam ihr da eine Szene aus dem vergangenen Winterurlaub in Erinnerung. Bei einem Waldspaziergang hatte sie ihren Mann mit Schnee geneckt, den sie von Zweigen auf ihn herabfallen ließ. "Ein Pumuckl bist du!", sagte der. Der Name des rothaarigen Irrwischs war geboren, und mit Ellis Kauts unerschöpflicher Fantasie entstanden die dazugehörigen Geschichten. Rund 90 Pumuckl-Hörspiele, elf Bücher und 50 Schallplatten folgten, schließlich die TV-Serie. Die Schreinermeister wechselten, den Kobold sprach aber stets Hans Clarin.
Ellis Kaut setzte sich mit einer Stiftung dafür ein, Kinder spielerisch ans Lesen und die Literatur heranzuführen. Bis zuletzt widmete sich die vielseitig talentierte Künstlerin auch der Bildhauerei, sie malte und fotografierte. Mit 94 Jahren starb Ellis Kaut 2015 in München.
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