"Viele zeigen auch kein Interesse"
Junge Menschen in den USA sind höchst unterschiedlicher Meinung zum Irak-Krieg - aber viele scheuen sich Partei zu ergreifen.
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Wie leben derzeit junge Menschen in den USA mit dem Wissen um den Krieg im Irak? Dominic Fritz hat ein Austauschjahr in den USA verbracht und steht seither im E-Mail-Kontakt mit etlichen Schülern und Studenten aus den Vereinigten Staaten. Für die JuZ hat er einige Mails aufgezeichnet, in denen sich junge erwachsene Amerikaner zum Irak-Krieg äußern.
Carolyn Born, 21, College Station, Texas, Studentin und Sekretärin: Mein Bruder ist in der vierten Infanterie und soll schon seit Januar in den Irak. Ich rufe ihn täglich an, weil jeder Tag der letzte sein könnte, an dem ich mit ihm spreche - nur um am nächsten Tag zu erfahren, dass sich seine Abfahrt weiter verzögert hat. Also sage ich ihm jeden Tag aufs Neue "Tschüs", immer mit den Gedanken im Hinterkopf, was ich bereuen werde, jetzt nicht gesagt zu haben.
An der Uni fangen alle Veranstaltungen später an, weil die Studenten und Professoren über jede neue Information diskutieren müssen. Irgendwie ist das allerdings immer dieselbe Diskussion, mit denselben Kommentaren und Meinungen. Und viele nutzen das sowieso nur aus, um den neusten Klatsch vom Wochenende auszutauschen.
Weil ich an ein sehr konservatives College in einem sehr konservativen Staat gehe, fühle ich mich mit meiner kriegskritischen Meinung schon ein bisschen isoliert. Die meisten meiner Kommilitonen sind für diesen Krieg. Viele zeigen aber auch kein Interesse - ich frage mich, ob die überhaupt die leiseste Ahnung haben, was da wirklich abgeht; und ich frage mich natürlich auch, ob ich selbst diese Ahnung überhaupt habe. Ich weiß zum Beispiel nicht genau, was es für realistische Alternativen gibt. Die Menschen haben Angst und wollen beruhigt werden, und da liegt es nahe, die Feinde zu stoppen, bevor sie angreifen. Es ist leichter, sich hinter denen zu versammeln, die das Problem schnell zu lösen versprechen, als die zu unterstützen, die sich an einen Tisch setzen wollen, um nach Alternativen zu suchen, die es eines Tages vielleicht nicht mehr gibt.
Ich befürchte, dass dieser Krieg weit reichende Auswirkungen haben wird und dass die Frontzeit meines Bruders lange dauern könnte. Ich habe Angst, dass der Terror vom 11. September nichts war im Vergleich zu dem, was kommen wird. Es mag eine gute Idee sein, die Feinde zu stoppen, bevor sie etwas tun können, aber was ist, wenn deine Feinde zu zahlreich werden - wohin gehst du dann? Ich weiß nicht, ob dieser Krieg es wert ist, dass ich meinen Bruder vielleicht nie wieder sehe. Aber ich unterstütze meinen Bruder und ich bin stolz auf die Entscheidungen, die er getroffen hat; immerhin ist er bereit, sein Leben für die Menschen in seinem Land zu geben. Das muss man respektieren, auch wenn man anderer Meinung ist. An dem Stolz, den ich für meinen Bruder empfinde, wird sich nichts ändern.
"Mit meiner Meinung liege ich in der Mitte, damit falle ich am wenigsten auf." Theo Chao, 20 Jahre
Theo Chao, 20 Jahre, Austin, Texas, Student: Ich schaue mehr Nachrichten und rede mit meinen Zimmerkameraden über das, was so passiert. Ansonsten sind die Sicherheitsvorkehrungen erhöht worden, gelegentlich unterbrechen auch Proteste den Lauf der Dinge. Mit meiner Meinung liege ich irgendwo in der Mitte, vielleicht ein bisschen mehr pro Krieg. Damit falle ich am wenigsten auf - es gibt halt wirklich sehr viele gegensätzliche Ansichten hier.
Whitney Daniel, 22 Jahre, Fairmont, Virginia, Kamerafrau: Natürlich sehe ich viel mehr Nachrichten, seit der Krieg begonnen hat, und auch an meinem Arbeitsplatz hat sich einiges verändert: Alles ist viel stressiger, weil diese Kriegs-Story sich immer weiterentwickelt - wir müssen also Geschichten über den Krieg an die Spitze unserer Nachrichtensendungen bringen, weil es das ist, was unser Publikum sehen will. Persönlich stehe ich dem Krieg ziemlich gleichgültig gegenüber, weil ich glaube, dass er sowohl gute als auch schlechte Seiten hat.
Johnny Goodman, 20 Jahre, College Station, Texas, Student: Die Regierung sagt, wir sollen nach möglichen Terrorattacken Ausschau halten und dagegen gewappnet sein. Ich sehe nicht, dass das umgesetzt wird: Wahrscheinlich haben die Leute das Gefühl, sie würden den Terroristen Macht verleihen, wenn deswegen das Normalitätsgefühl im Alltag verloren geht. Ein anderer Grund für diese Haltung könnte sein, dass der 11. September zeitlich so weit weg ist wie der Irak geographisch - die Menschen fühlen sich einfach nicht bedroht. So denke ich eigentlich auch. Aber diesen Sommer wollte ich im Rahmen eines Austauschprogramms nach Deutschland fliegen. Das wurde zwar noch nicht abgesagt, aber ständig bekommen unsere Eltern diese E-Mails über die Sicherheit ihrer Kinder . . .
Ich selbst bin gegen den Krieg im Irak. Das ist nicht gerade eine angenehme Position an einer texanischen Universität. Neulich hat ein Professor die ersten fünf Minuten seiner Vorlesung dazu benutzt, seine Pro-Kriegs-Meinung loszuwerden. Ich hoffe, dass wird nicht zur Normalität. Die Leserbrief-Spalte unserer Zeitung ist voll mit Beiträgen, in denen Leute wie ich als unpatriotisch und unamerikanisch beschimpft werden. Und letztens wurde so eine Elite-Burschenschaft an meiner Uni von dem Vorwurf freigesprochen, Friedensaktivisten während einer Mahnwache belästigt zu haben. Angeblich haben sie ihre Zeremonie-Gewehre auf die Leute gehalten. Das Gericht befand, dieser Vorfall sei nur ein Missverständnis gewesen; ein öffentlicher Aufschrei blieb aus. Ich glaube aber schon, dass da eine Form von Belästigung stattgefunden hat. Klar, fühlt man sich da mit kriegskritischen Ansichten ein wenig bedroht.
Dylan Bateman, 20 Jahre, Blacksburg, Virginia, Student: Der Krieg beeinflusst meinen Alltag fast gar nicht, außer, dass ich mit meinen Zimmernachbarn manchmal darüber rede. Wenn es an der Uni eine Demonstration gibt, höre ich zwischen den Vorlesungen zu, um zu schauen, was die zu sagen haben. Ich versuche immer, zwei Seiten einer Sache zu sehen; deshalb habe ich mich auch bei dieser Kriegsdiskussion weder für die eine, noch die andere Seite entschieden.
Brian Rainwaters, 16 Jahre, Muncie, Indiana, Schüler: Meine Schwester macht sich gerade fertig, um da rüberzugehen, also habe ich ständig Angst um sie. In der Schule kann ich mich überhaupt nicht mehr richtig konzentrieren, weil ich ständig an sie denken muss. Natürlich bin ich gegen den Krieg, denn ohne den Krieg müsste sie auch nicht da rüber und kämpfen. Jetzt, wo er begonnen hat, hoffe ich, dass er schnell vorüber geht, damit meine Schwester wieder nach Hause kann. In meiner Gemeinde sind nicht allzu viele Leute gegen den Krieg, aber viele machen das Gleiche durch wie ich und hoffen, dass er nicht mehr lange dauert.
Zachary Morgan, 19 Jahre, Ona, West Virginia, Student: Seit der Krieg angefangen hat, bete ich viel mehr und bin oft schlechter Laune. Ich versuche, möglichst viel darüber zu lesen und investiere auch einiges an Zeit in die Anti-Kriegs-Proteste. Auch wenn ich keinen Soldaten persönlich kenne, der derzeit im Irak ist, fühle ich mit den Truppen und den zurückgelassenen Familien. Es ist einfach traurig. Dieser Krieg ist ungerecht. Amerika hat genug Probleme zu lösen - bevor wir über andere Völker regieren, sollten wir erst mal unsere eigene Regierung in Ordnung bringen.
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