Urlaubsgrüße aus der Sprühdose
Wenn Graffiti-Sprüher in die Ferien gehen, nehmen sie ihr Hobby meist mit – oft durchaus zur Freude vieler Einheimischer.
Protokolle: Manuel Lorenz
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Die einen fahren in den Urlaub, um tauchen oder wandern zu gehen, die anderen, um Graffiti zu sprühen. Drei Freiburger Sprüher und Street Artists erzählen, an welchen Orten der Welt sie gewesen sind und welche Spuren sie dort hinterlassen haben.
Früher bin ich in den Urlaub gefahren und habe dann geschaut, ob und wo ich sprühen kann. Mittlerweile spielt Graffiti in meinem Leben eine so große Rolle, dass ich im Urlaub auf jeden Fall sprühen gehe und dann erst schaue, was ich vor Ort noch so machen kann – Baden, Sightseeing, Kultur. Es gibt auch Sprüher, die fahren eine Woche weg und malen 20 Bilder. Das wär’ mir dann doch zu viel.
Der Reiz daran, im Ausland sprühen zu gehen, liegt für mich in erster Linie darin, mich mit Sprühern aus anderen Kulturkreisen auszutauschen und mich auf andere Gegebenheiten einzulassen. Ich hab schon in vielen europäischen Städten gesprüht, unter anderem in Prag, Budapest, Amsterdam, Wien, Straßburg, Mailand und London. An Istanbul gefiel mir besonders, in einer Stadt zu sprühen, in der Ost und West so stark miteinander verschmelzen. Das war sehr spannend.
stellten Fragen
Die Sprühdosen habe ich vor Ort gekauft, die bekommt man ja nicht ins Flugzeug. In Istanbul gibt es genau einen Dosenladen: den "Donutstore". Den betreibt ein Türke, der lange in Frankreich gelebt hat. Der Laden ist extrem stylisch, Sprühdosen kosten dort geringfügig mehr als hier.
In Istanbul gibt es echt harte Gegenden. Wenn dort ein Haus runtergewohnt ist, wird nebenan halt ein neues hingestellt, statt das alte zu sanieren. Die Fassaden werden dort kaum bis gar nicht gereinigt. Dadurch wird das Stadtbild wahnsinnig heterogen. In so eine Gegend sind wir dann gefahren, tagsüber, und haben zwei Bilder gemalt, an Wänden, die niemanden interessieren. Mittlerweile lege ich auch großen Wert auf die Umgebung meiner Bilder. Deshalb haben wir nach dem ersten Bild, noch ein "schnelles" zweites gemalt, wo ein Minarett im Hintergrund zu sehen ist. Die Passanten, die vorbeikamen, sind stehen geblieben, haben zugeschaut, haben Fragen gestellt. Graffiti steckt in der Türkei noch in den Kinderschuhen.
Orange (Daniel Tritschler):
Im Mai war ich in Albanien: in Tirana und Durrës, aber auch im Norden. Meine Frau ist Albanerin, und so bin ich innerhalb der letzten zwei Jahre viermal da gewesen, dreimal zum Sprühen. Ich liebe das Land ohne Ende. Ein chaotisches Kleinod, ein Paradies.
Unter der Herrschaft des Diktators Enver Hoxha sind in Albanien Hunderttausende von Bunkern entstanden. Hoxha litt unter Verfolgungswahn, dachte, die gesamte Welt will sein Land erobern und hat die ganze Bevölkerung zu seiner Verteidigung verpflichtet. Die Bunker sind überall: in den Städten, in den Bergen, an den Stränden. Insgesamt hab ich 21 von ihnen besprüht, mittlerweile fast in ganz Albanien. Einer der Bunker, die ich im Mai besprüht habe, liegt in Tirana, direkt gegenüber vom Regierungssitz. Das Teil war dermaßen verdreckt, dass ich’s erst mal richtig säubern musste. Dann hab ich’s gestrichen und besprüht. Die Albaner hassen ihre Bunker. Die standen nur da und guckten. Und fragten sich: Was zum Geier macht der da? Packt ’ne Sprühdose aus und schreibt "Orange" auf ’nen Bunker, und "Portokalli", also Orange auf Albanisch. Am Schluss haben sich alle drüber gefreut.
In Albanien kannst du fast überall sprühen. Du musst nur aufpassen, dass du keinen Privatbesitz erwischst. Sonst kann’s dir passieren, dass der Besitzer rauskommt und mit seiner Schrotflinte winkt. Man kennt Graffiti dort noch gar nicht richtig. Die guten Sachen stammen alle von Ausländern – zum Beispiel vom italienischen Street Artist Blu.
Als ich 2010 das erste Mal da war, musste ich erst mal schauen: Wo krieg ich überhaupt Dosen her? Die Leute vom Hostel, in dem ich gewohnt und das ich später auch besprüht hab’ –, haben mir dabei geholfen. Sie haben mir einen Farbenladen um die Ecke empfohlen, wo eine Dose 250 Lek kostet, das sind umgerechnet keine zwei Euro. Mittlerweile bin ich da schon Customer of the Year, da kosten sie 230 für mich.
Die jungen Leute finden’s eh alle klasse. Aber auch die älteren. Einmal hab ich einen Bunker am Ohridsee besprüht, da kommt ein etwa 50-Jähriger auf mich zu und bedankt sich bei mir. "Du hast ein Stück meines Lebens verschönert", sagt er. "Das hier ist mein Arbeitsweg. Hier komm’ ich jeden Tag vorbei. Ich werde mich jeden Tag über den bunten Bunker freuen." Ein anderer hat mich in den Arm genommen und gesagt: "Tu’s nicht nur für dich, tu’s für uns, für Albanien." Das hat mich beflügelt.
Zoolo (Andreas Ernst):
Graffiti gehört bei mir beim Reisen immer dazu. Das ist auch so eine Ego-Geschichte. Zu wissen: Ich hab schon hier gemalt, ich hab schon da gesprüht. Ich mag die Idee, dort, wo ich war, irgendwas zurückzulassen und nicht einfach wieder unverrichteter Dinge wegzugehen. Ich muss dabei aber immer entspannt bleiben. Wenn es zwanghaft wird – "Oh, Mist, jetzt bin ich nur noch zwei Tage hier und hab’ immer noch nichts gesprüht –, geht das nicht. Wenn’s nicht klappt, klappt’s nicht. Wichtiger ist immer, Land und Leute kennenzulernen. Das war früher anders. Da war klar: So viel, wie geht.
Als ich am Ende meiner Südamerikareise in Buenos Aires ankam, holten mich ein paar Jungs vom Bahnhof ab. Die so: Wenn du willst, kannst du jetzt sprühen. Ich so: Wie? Hier und jetzt? Es war 17 Uhr, helllichter Tag. In einer Kurve gab es eine Stelle, wo einen keiner sah. Der Zug fährt ein, ich renne runter, sprühe ein Bild, mache ein Foto, renne wieder hoch. Das hat keine fünf Minuten gedauert.
Im ecuadorianischen Riobamba hab ich eine legale Klosterwand bemalt – die Nonnen kamen raus, schauten zu, fanden’s cool. In Uruguay hab ich am Strand gesprüht. Von Buenos Aires aus morgens hin, abends zurück. Da ging’s mir wirklich nur darum, sagen zu können: Ich hab’ auch schon mal in Uruguay gemalt.
Cool war noch die Osterinsel. Die vielen historischen Stätten kannst du da natürlich nicht anmalen. Aber an einem kleinen Strand gab es ein Toilettenhäuschen, das ich besprühen durfte. Und im Ort habe ich die Fassade eines Souvenirladens bemalt – wobei das ein Missverständnis war. Der Besitzer hatte verstanden, dass ich seinen Laden nur ab- und nicht bemalen wollte. Er ging weg, ich malte, er kam zurück – und sah sich vor vollendete Tatsachen gestellt. Er fand’s dann aber trotzdem gut.
eines Nachbarn bemalt
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