Weingarten

Ungleichwertigkeit in Sozialbericht nachlesen

Sylvia Freudling (Freiburg)
Mo, 14. Oktober 2024
Leserbriefe Freiburg

Zum Bericht "Was tun gegen Ratten und Müll?" (BZ vom 24. September).

Die Ratten und der Müll in Weingarten haben es auf die erste Seite des Freiburger Teils der Badischen Zeitung geschafft. Da gehört es auch hin, es ist kein Stadtteilthema. Kommunalpolitiker haben im Lauf vieler Jahre Weingarten zu einem benachteiligten Quartier werden lassen. Klaus Humpert, der diese Großwohnsiedlung geplant hat, urteilte später, "dass (…) die Stadtpolitik durch Wohnungsbelegung sich selbst soziale Brennpunkte schafft" (Badische Zeitung vom 27. Oktober 2020). Der Bürgerentscheid von 2006 hat verhindert, dass die Stadtbau und damit ein Großteil der Wohnungen in Weingarten verkauft wurde. Die Öffentlichkeit nimmt aber nicht so sehr wahr, dass die Stadtbau im selben Jahr in Weingarten-West die Wohnungen im Auggener Weg 2-6 und in der Bugginger Straße 37-41 verkauft hat. Das größte Ratten- und Müllaufkommen findet sich bei den Müllplätzen und Wendeplatten dieser Häuser. Genau da (Wahlbezirk 660-06) haben bei der Kommunalwahl 2024 (Wahlbeteiligung 30,6 Prozent) 31,1 Prozent für die AfD gestimmt. Nachdenkenswert? Helfen kann hier die Forschung von Wilhelm Heitmeyer: Hohe Wahlergebnisse der AfD und Nichtwahrnehmung beziehungsweise Nichtanerkennung von Menschen durch die Politik stehen in enger Verbindung. Die Ungleichwertigkeit Weingartens im Vergleich zu anderen Freiburger Stadtteilen lässt sich im Sozialbericht der Stadt Freiburg 2020 im Detail nachlesen. Was tun? Bei der Rattenplage zum Beispiel reichen punktuelle Aktionen nicht. Da helfen nur dichtere Intervalle der Müllentsorgung. Ja, das kostet. Ja, es gibt in Weingarten (und andernorts) Leute, die ihren Müll nicht entsorgen, wie’s sein soll. Und wenn ein Stadtviertel "eine schlechte Adresse" ist, wird‘s mit der Zeit normal, dass auch Leute aus anderen Stadtteilen sich nicht scheuen, ihren Müll in Weingarten wild abzuladen. So entsteht dann eine Norm. Da helfen keine Appelle an ein "respektvolles Miteinander". Beim letzten Runden Tisch wurde unter anderem vorgeschlagen, "Müllbeauftragte" zu installieren. Bitte nicht Ehrenamtliche, sondern Leute mit klar definiertem Auftrag und Bezahlung. Die Benachteiligung Weingartens ist nicht vom Himmel gefallen, die dafür Verantwortlichen müssen sich endlich den strukturellen Problemen widmen: sozial gemischte Quartiere, Bildung ...

Und beim Thema Ratten gilt: nachhaltig eindämmen. Ratten spazieren auf dem Außengelände der Kita Miteinander – könnte man sich das in Stadtteilen mit höherem Sozialindex vorstellen?

Sylvia Freudling, Freiburg

Ressort: Leserbriefe Freiburg