Über den Dächern von Berlin
Jeisson Martin riskiert bei Klettertouren in der Hauptstadt sein Leben – und macht dabei spektakuläre Fotos für Instagram.
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Der Freiburger Jeisson Martin bringt sich immer wieder in Lebensgefahr, um möglichst gute Bilder von Berlin zu machen und diese auf Instagram zu posten. Wie in Freiburg alles begann und warum das Adrenalin stärker ist als die Angst, erzählte er bei einem Gespräch in Berlin. Es fand natürlich auf einem Dach statt.
Normalerweise packt der junge Mann mit dem dunklen Zopf jetzt seine Kamera aus und beginnt zu fotografieren. Auf Instagram hat der Freiburger, der vor zwei Jahren nach Berlin gezogen ist, 27 400 Follower. Er postet Fotos von Berlin, aber keine Fotos von hübsch angezogenen Mädchen in den Straßen der Stadt oder vom Sonntagsbrunch nach einer durchgefeierten Nacht, wie andere Berliner Instagrammer. Jeisson zieht es an Orte, die eigentlich verboten sind: verlassene Schwimmbäder oder Fabrikgebäude, Kräne, oder eben dieses Dach in Kreuzberg. Mindestens 900 Likes bekommen seine Bilder im Schnitt – "wenn der Fernsehturm drauf ist, geht es besonders gut", sagt er und grinst.
Jeisson studiert im 5. Semester Kommunikationsdesign, im Studium haben ihn die Fotokurse aber nicht besonders interessiert. "Bis vor einem Jahr habe ich eigentlich gar nicht fotografiert", sagt er. Jetzt zieht er mehrmals die Woche los, oft mit seiner Freundin oder guten Freunden. Die Spiegelreflex-Kamera, die er nutzt, ist geliehen, sehr selten muss das Smartphone herhalten. "Wenn andere Samstagnacht feiern gehen, gehe ich fotografieren", sagt er.
Angefangen hat es vor einem Jahr, als er mit seiner Freundin in der Frankfurter Allee ein Gebäude gesehen hat, das grundsaniert wurde. Er machte mit dem Handy ein Bild und postete es auf Instagram. Andere leerstehende Fabriken, viele neue Bilder folgten. Nach und nach habe sich die Leidenschaft entwickelt.
Routine stellt sich nur bedingt ein. "Es ist immer wieder extrem nervenaufreibend", sagt Jeisson. Denn er ist nicht nur über den Dächern Berlins unterwegs, sondern auch unter der Erde, zum Beispiel in den Tunneln der S- und U-Bahnen. "Einmal sind wir einfach untertags in einen U-Bahn-Tunnel gelaufen, wir haben Warnwesten angezogen, niemand hat sich für uns interessiert." Nur sechs Minuten war er mit einem Freund im Gleisbereich. "Doch das das hat gereicht", sagt er. Auch bei weniger gefährlichen Shootings sei immer noch eine gewisse Hemmschwelle da. "Man weiß ja nie, was hinter der Luke ist."
Fotografen wie Jeisson sind "Urban Explorers", sie zeigen eine Stadt aus Perspektiven, die dem Bewohner normalerweise verwehrt bleiben. Der Trend kommt aus den USA, vor allem in New York ist die Urban-Exploring-Szene riesig. Jeisson trifft sich immer wieder mit Leuten, die ihn über Instagram kontaktieren und macht mit ihnen zusammen Bilder. "Mit Leuten macht das Fotografieren mehr Spaß."
Antrieb zum Fotografieren sind für Jeisson neben dem Nervenkitzel vor allem die sozialen Medien. Er postet die Fotos auf Instagram und Facebook, und teilt auf Snapchat kleine "Behind the scenes"-Videos. Leben kann er nicht davon, obwohl er bei einer Agentur arbeitet, die ihm Werbekooperationen mit Unternehmen vorschlägt. "Wenn Geld der Antrieb wäre, würde es nicht so viel Spaß machen."
Jeisson ist in der Wiehre aufgewachsen. Dort war er zuerst auf Dächern unterwegs. Auch die Zugtunnel beim Alten Wiehrebahnhof waren nicht vor ihm sicher. Schon in der Grundschule turnte er mit einem Freund über Freiburger Garagendächer, prompt kam die Polizei. Auch wenn er jetzt in den Süden zurückkommt, fotografiert er. "Leider haben die meisten Freiburger Häuser Spitzdächer." Immerhin das Konzerthaus biete sich an, auch das Kagan habe er schon ausprobieren wollen "Da stand ich im 10. Stock und bin in einen Trupp Putzleute gestolpert."
Fast alle seine Streifzüge sind illegal. Zweimal ist er erwischt worden, zuletzt im Juni auf einem Kran in der Nähe des Bundesnachrichtendienstes. Die Polizei holte Jeisson und seinen Freund herunter, eine Anwohnerin hatte die Polizei gerufen. "Ich hoffe, dass die Anzeige wie auch das Mal davor fallen gelassen wird", sagt Jeisson. "Der Kick des Adrenalin ist größer als die Angst, erwischt zu werden."
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