Tieren gebührt mehr Respekt
Immer mehr Vierbeiner landen im Tierschutzzentrum im Ehrenkirchener Ortsteil Scherzingen.
Jonas Hirt
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EHRENKIRCHEN. Wer denkt, dass nur in den Ferien Hunde und Katzen als störend empfunden und ins Tierheim abgeschoben werden, der irrt. Die Mitarbeiter des für den Landkreis zuständigen Tierschutzzentrums in Scherzingen, haben das ganze Jahr über alle Hände voll zu tun – und sollten noch mehr Tiere aufnehmen, wenn es nach den Besitzern ginge. Ein Besuch.
Die Tür zum Stall geht auf. Die beiden Shetland Ponys in ihrer Box merken das sofort. Neugierig schauen sie über das Gatter. Ein kleines weißes Pferd fühlt sich zu der fremden Hand und der Kamera hingezogen. Sein Handicap fällt auf den ersten Blick nicht auf. "Es hat nur ein Auge", erklärt Heike Seifried, die im Tierheim in Scherzingen arbeitet.
Seifried ist dort für den sogenannten Gnadenhof mitverantwortlich. Pferde, Esel und Schafe verbringen hier ihren letzten Lebensabschnitt. Es seien oft mehrere Jahre, erzählt Seifried. Fast täglich kämen neue Anfragen, doch es gibt kaum Plätze. Die Tiere hätten meist harte Jahre hinter sich. Den Rest ihres Lebens sollen die Vierbeiner in Ruhe verbringen können. Deshalb werden sie auch nicht in die Tiervermittlung gegeben. Das sei zu stressig, erklärt Tierheimleiterin Tina Gwildies.
Die Tiervermittlung
Zwei Stunden an jedem Werktag, immer von 14 bis 16 Uhr werden Tiere an neue Besitzer vermittelt. An diesem Montag herrscht reges Treiben am Empfang. Mutter und Tochter der Familie Bing wollen sich einen Hund ansehen. Zwei weitere Familienmitglieder waren bereits da und haben sich umgeschaut. Einen anderen Hund aus dem Tierheim hat die Familie bereits zu Hause. "Ich kann nur jedem empfehlen, ein Tier aus dem Tierheim zu holen", sagt die Mutter. Es sei wichtig, dass sich der Hund mit der fünfjährigen Enkelin verstehe. Eine Pflegerin holt die beiden ab und führt sie zu den Hunden.
Die Szene zeigt, wie die Tiervermittlung abläuft. Einfach ins Heim gehen und ein Tier mitnehmen – das ist nicht möglich. Gwildies erklärt, dass die Mitarbeiter die Interessierten erst einmal beraten – und dadurch auch herausfinden möchten, ob sich jemand auch wirklich um einen Hund kümmern kann.
Von 70 vermittelten Hunden im Jahr kämen zwei bis drei wieder zurück, weil es doch nicht funktioniere. "Unser Verfahren ist sehr aufwendig, aber es zahlt sich aus", sagt Gwildies. Die Mitarbeiter besuchten auch Menschen, die ein Tier bei sich haben, um zu beurteilen, wie das Zusammenleben funktioniert. "Die Arbeit hier im Tierschutzzentrum ist Leidenschaft. Es hört nicht abends auf wie ein normaler Beruf", sagt die Tierheimleiterin. Bei Katzenbabys komme es vor, dass Angestellte frisch geworfene Tiere mit nach Hause nehmen und sie dort mit der Flasche versorgen.
300 Tiere
Die Katzen sind in Zimmern mit Zugang nach draußen untergebracht. Fast wie bei einem Zimmer öffnet man eine normale Tür, dahinter ist ein Gitter. Die Tür nach draußen ist an dem warmen Herbsttag geöffnet. Von jedem Raum führt ein abgegrenzter Korridor mehrere Meter ins Freie. Im Raum selbst gibt es mehrere Schlafgelegenheiten. Mehr als zehn Tiere sollen nicht in einem wohnen. Eine schwarze Katze ist besonders zutraulich. Während drei Artgenossen Besucher aus der Ferne beobachten, kann sie gar nicht genug Aufmerksamkeit bekommen.
30 bis 40 Katzen seien aktuell in der Vermittlung, weiß eine Pflegerin im Katzenhaus. Durchschnittlich leben 300 Tiere im gesamten Heim, sagt Tina Gwildies. Das sorgt für Arbeit. Mit der zugehörigen Tierarztpraxis gebe es 24 Angestellte. Ungefähr 40 000 Euro im Monat kosten Personal, Futter und Medizin. Finanziert wird das über Spenden.
Das ganze Jahr Hochsaison
Den Mitarbeitern zufolge ist es keineswegs so, dass die meiste Arbeit zu Urlaubszeiten entstehe.
Problematisch sei, dass es leicht sei, Haustiere über das Internet zu bekommen – teils sogar illegal. So schnell wie sie die Tiere bekommen, möchten sie diese dann aber manchmal auch wieder loswerden. Deshalb gebe es das ganze Jahr über Fundtiere. Der Respekt vor dem Tier sei nicht mehr so groß.
Das Ergebnis: Das Tierschutzzentrum kümmert sich um immer mehr Tiere. Das Einzugsgebiet umfasst beinahe den ganzen Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald. Wenn in den Gemeinden ein herrenloses Tier gefunden wird, kommt es nach Scherzingen.
Die Tierheimsprechstunde
Gwildies berichtet, dass die Arbeit früh morgens beginnt: Reinigen der Unterkünfte und Tiere füttern, gegebenenfalls Medikamente verabreichen. In der Tierheimsprechstunde werden Neuankömmlinge und Tiere, die das Heim verlassen, untersucht. Um 16 Uhr kommen Ehrenamtliche, um mit den Hunden Gassi zu gehen. Fast 40 seien registriert. Ab 17 Uhr füttern die Mitarbeiter nochmals, reinigen die Katzentoiletten und holen die Pferde von der Weide.
Und zwischendurch ist Tiervermittlung. An diesem Nachmittag kommt noch eine Familie mit dem Wunsch: "Wir möchten eine Katze."
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